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,,Einsteigen, Mädchen! Los geht's!

,,Mami warte! Ich muss noch etwas holen!", rief ich und lief wieder ins Haus zurück, die Treppe hinauf, dann den Gang entlang und schon stand ich vor einer Tür. Meiner Zimmertür. Saphirblau, meine Lieblingsfarbe, doch ich hatte sie mit vielen Postern beklebt. Aber nicht von Popsängern oder Schauspielern (die fand ich nicht so interessant), sondern von Schokoladen, Keksen, Gummibärchen und lauter so ungesundes Zeugs. Doch das allerbeste war das Poster in der Mitte. Es war auch das größte von allen und zeigte eine Packung von Trolli's Glühwürmchen. Meine Lieblingsgummis. Übrigens, daher kommt auch mein Name. Ich meine, meine Eltern hatten mich nicht nach einem Haribo benannt, sondern nach der heiligen Franziska von Rom, deshalb sollte ich ja eigentlich Franzi genannt werden, doch das war eben anders gekommen. Denn sobald ich meine ersten Zähne gehabt hatte, habe ich haufenweise Süßigkeiten gegessen. Doch am liebsten hatte ich meinen Bauch mit Trolli's Glühwürmchen gefüllt. Mit ihren bunten Farben und ihrem zuckrigen Geschmack haben sie mich jedes Mal im Geschäft angelacht, und so hatte sie meine Mutter manchmal für mich gekauft.

Ich liebte sie abgöttisch, was aber nicht hieß, dass ich dick war, ganz im Gegenteil. Mami sagte immer, dass ich eine perfekte Figur hätte, auch wenn sie nicht verstand, wie ich das mit dem vielen naschen schaffte. Ja, und so war es dann eines Tages gekommen, dass die Verkäuferin im Supermarkt mich wieder einmal mit einem Packerl Glühwürmchen gesehen hatte und sagte:

,,Da kommt ja unsere Trolli!"

Das allein wäre ja nicht so dramatisch gewesen, wenn diese Frau keine kräftige Stimme gehabt hätte, sodass alle anderen Kunden im Geschäft ihre Bemerkung mitangehört hatten. Doch es war natürlich gekommen, wie es kommen musste und seither wurde ich von jedem nur mehr ,,Trolli!" gerufen. Also eigentlich hatte ich einer harmlosen, netten Verkäuferin in einem Supermarkt, die es nur lieb gemeint hatte, meinen Namen zu verdanken.

Schnell drückte ich die Türklinke hinunter und befand mich in meinem tollen Zimmer. Die Wände sah man beinahe nicht mehr, weil ich sie mit so vielen Sachen beklebt hatte. Trotzdem schimmerte hin und wieder ein helles Blau unter den Bildern hindurch. Zielgerade ging ich auf mein Bett zu, das vor einem weißen Schafteppich in einem Eck des Zimmers seinen Platz hatte. Doch für Gemütlichkeit war keine Zeit und so griff ich unter mein Bett und zog einen Schuhkarton hervor. Schnell öffnete ich ihn noch ein letztes Mal und sah mir sein Inneres an. Zufrieden nickte ich, schloss den Karton und lief mit ihm unterm Arm wieder die Treppe hinunter, zur offenen Haustür hinaus und zu unserem blauen Fünfsitzerauto. Hastig und unbemerkt drückte ich den Karton unter meinen Sitz auf der linken Fensterseite. Mami saß schon am Steuer und sobald ich die Autotür geschlossen hatte, gab sie Gas. Dann beugte sich ein Gesicht zu mir hinüber und flüsterte: ,,Hast du sie?"

,,Ja", flüsterte ich zurück.

Und an diesem Teil der Geschichte sind wir auch schon bei Molli, meiner Schwester, angelangt. Sie hatte ihren Spitznamen daher, dass sie als kleines Kind sehr mollig gewesen war. (Jetzt sah sie genauso aus wie ich) Eigentlich hieß sie Marietta. Sie hatte strahlend blau-graue Augen, so wie ich, karottenrote Haare, so wie ich und auch sonst sah sie wie mein exaktes Spiegelbild aus. Klar, konnte ich da nur sagen, weil wir ja Zwillinge waren. Als wir klein gewesen waren, haben wir uns wie ein Ei dem anderen geglichen und kein Mensch, nicht einmal unsere Eltern, hatten uns auseinanderhalten können. Deshalb hatten sie uns immer verschiedenfärbige Kleider angezogen. Später in der Volksschule war es jedem unserer Lehrer und Mitschüler genauso ergangen. Das hatten wir natürlich ausgenützt, in dem wir immer in die Rolle des anderen gewechselt waren, was uns riesigen Spaß gemacht hatte. Doch mit der Zeit hatten unsere Eltern unsere Unterschiede erkennen können, auch wenn das nur eine Hand voll gewesen waren. Trotzdem hätte uns keiner auseinanderhalten können, der uns nicht schon von Geburt an kannte und uns jeden Tag sah. Jetzt, am Anfang des 2.Gymnasiums, erwartete uns eine neue Schule in den Alpen von Österreich in einem Ort in der Nähe von Heiligenblut. Im 1.Schuljahr waren wir noch hier in Wien in einer Schule gewesen, doch die Lehrer waren schlecht  gewesen und hatten uns beide gehasst: Wieso, wussten wir beide nicht genau. (Wahrscheinlich weil wir so gute Noten gehabt hatten. Nein Scherz, wir hatten sehr schlechte gehabt). Jedenfalls hatte sich der Schulwechsel sehr gut getroffen, da unsere Eltern ihre Praxis in einen anderen Ort verlegen wollten.

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⏰ Last updated: Jan 10, 2019 ⏰

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Molli und TrolliWhere stories live. Discover now