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Aus den Augenwinkeln heraus bemerkte ich die heulenden Meeresungeheuer, angetrieben von der machtgierigen und braunhaarigen Kreatur namens Emilia Havering. Auf der anderen Seite, die stillen Monster der Erde, die Souls. 
Es waren Tattoos in Form von Engelsflügeln auf ihren Häute, die uns alle verunsicherten, der Mittelpunkt ihrer Handgelenke. Ich roch die Gier dieser Aβgeier, ich roch den Tod über uns liegen und schmeckte auf meiner Zunge einen Hauch von leichtem Schwefel. Wenn man uns fragen würde, wer die Souls waren, dann hätte ich vielleicht geantwortet: Die Souls waren ein Clan, eine Gemeinschaft, eine Familie, die überall und jederzeit aus Furcht und Abneigung von der Gesellschaft vermieden wurden.

Vor fast sechzig Jahren formte sich die Regierung neu, ein Vertrag, der sich Kimimila nannte, entstand und das System, in das wir lebten, passte sich den Souls an, während die Souls sich uns anpassen mussten.
Meine Freunde und ich waren darin geboren worden, aufgewachsen, die Älteren und Erwachsenen jedoch lernten früher oder später damit umzugehen.

Und trotz dieser ungewöhnlichen gesellschaftlichen Konstruktion, nahm das gewöhnliche Leben ihren Lauf:
„Unter der Führung von Miss Ich-bin-sowas-von-perfekt, alias Emilia Havering, gehen die Sirens den Bach runter.", posaunte es plötzlich aus Ellie heraus, sie hatte mich somit aus meinen Gedanken befreit. Irritiert steckte sie ihre halbblonden Locken hinter den Ohren, bevor sie ihre Kantinen-Spaghetti aß. Sie gabelte sich die Nudeln in den Mund, so schön und doch so verfressen. „Hast du schon unsere neuen Cheerleader Uniformen gesehen?"

Ich schüttelte kritisch den Kopf. „Die gehen gar nicht. Weißt du was? Du solltest dich dieses Jahr fürs Kapitänschaft bewerben und uns neue anschaffen."

„Vielleicht mach ich das ja auch.", nickte meine beste Freundin stolz, kauend.

„Während der Drache dieses Jahr wieder einmal im Kunstclub seine Ruhe sucht.", nuschelte Dragon, eigentlich Drake, und wandte sich zu mir. Er rückte seine Brille zurecht. „Hey, sollen wir nachher zu Tom's gehen?"

„Als krönender Abschluss dieses doch nicht so grässlichen Tages.", freute sich Ellie.

„Eine ausgezeichnete Idee, Tabaluga.", lobte ich ihn.

Tom's Diner war ein gewöhnlicher Schnellrestaurant in einem Vorort New Yorks, basierend auf bemerkenswertes Fastfood und den besten Milkshakes der Stadt.

„Wann besorgst du mir noch ’nen Autogramm von deinem Vater?", fragte mich Dragon grübelnd. Ich wusste, dass Taylor bekannt war, aber so bekannt, dass mein bester Kumpel ihn verehrte? „Ich habe Kunden, sie würden hunderte von Dollars ausgeben für einer seiner Unterschrifte." Teilnahmslos verdrehte ich meine Augen und schlürfte am bunten Strohhalm meines Erdbeermilkshakes. Der Drache war nach meiner stummen Äuβerung nicht mehr in der Lage, sein Maul zu schlieβen. „Der Mann ist ein Genie. Ich habe sein neues Buch gelesen, er dient nicht nur unserem Land, sondern der gesamten Menschheit."

„Sei still.", unterbrach Ellie ihn, hob ihre Hand, damit wir verstummen sollten, und schaute uns nacheinander an. Groβe, angsteinflöβende Augen durchbohrten mich gerade, als wolle sie meine Seele verschlingen. „Hört ihr das?" Wir hörten genau hin, wobei ich mir nicht sicher war, wohin, doch schlieβlich merkte ich, dass die wenigen hier im Raum soeben auch das durchdringende Toben von oben angespannt beachteten. Ein ungleichmäβiges Poltern, als würde jemand immer wieder hinfallen und wieder aufstehen. Meine Freunde und ich tauschten unsichere Blicke aus.

„Es kommt vom Dach.", äußerte sich eine mittlere Frau am Tisch neben uns, zog ängstlich ihr Junge näher zu sich. Es wurde still und die einst freudige Atmosphäre war gefährdet.

Der Schreck begann, als drei Motorräder, wobei ein schwarzes, das die anderen zwei zu leiten schien, besonders auffiel, ein Majestät unter den beiden fast Verrostenden. Alle drei Maschinen blieben vor dem Laden stehen. Nichtsdestotrotz war mir bewusst, dass dieser Moment lediglich nur die Ruhe vor dem Sturm darstellte.

„Das sind die Souls.", erschreckte sich meine beste Freundin und flüsterte zusätzlich. „Das sind die Jungs aus unserer Schule."

Unsere Blicke galten fortan dem Ladenbesitzer, ein sympathischer, grauer Mann, von Furcht und Hektik überfüllt, der mir schon fast angesichts seines schwachen Alters leidtat, da er selbst nicht wusste, was gerade passierte. Nervös schritt er zu seinen Kunden und hob beide Hände. „Bitte, bewahren sie Ruhe." Was wir durchaus taten. „Ich werde die Polizei verständigen."

Durch die dicke Scheibe beobachteten wir den Beginn eines greulichen Unwetters. Ich spürte, wie das Gewitter durch meine Adern floss, als durchlaufe gerade der Blitz meinen ganzen Körper. Ich beachtete die Jungs im Regen, die mitsamt einem Baseballschläger in einer Hand und ein Taschenmesser in der anderen von ihren Fahrzeugen stiegen und uns ein Zeichen setzten, den Laden nicht zu verlassen. Die dunklen Wolken näherten sich uns, während der Wirbelsturm alles in Schutt und Asche begrub. Wir hatten kaum eine andere Wahl, als uns diesen blutrünstigen Kampf mitanzusehen - mitanzusehen, wie aus dieser Gelegenheit das perfekte schwarze Loch der Souls waren, das sie verschlang, ohne jegliche Kraft, sich einzumischen oder es jemals zu beenden. Das Letzte, was unsere Augen und Ohren noch wahrnahmen, war der Fall des Engels.

„Der Todesengel.", murmelte Dragon vorsichtig, schaute sich um, nur um sich zu vergewissern, dass nichts Falsches geäuβert wurde. „Jemand muss ihn vom Dach geschubst haben."

Humpelnd, blutend und fast tot zerrte er sich auf, während die Kinder ihn zu beschützen versuchten, und dieser sie. Anschlieβend war mir der Todesengel plötzlich so nahe, dass ich das Höllenfeuer in seinen Augen erkennen konnte, in diesem kühlen Blau. Nur das Glas trennte unsere leuchtenden Blicke voneinander. Dabei war ich mir sicher, dass sie heute ihren Untergang feiern würden, denn ich glaubte, Leichen vorauszusehen.
Der Todesengel, so halb tot wie er uns erschien, war plötzlich auf sich alleine gestellt, er gegen fünf dieser albernen Männern in schwarzen Lederjacken, die gerade nach ihm vom Dach sprangen und dessen Ärmeln kampfbereit hochgekrempelt wurden. An beide Hände hielten sie eine Waffe, die den Gegenüber mit einem Schuss umbringen könnte.

„Ist das möglich? Die Souls kämpfen gegeneinander?", fragte ich die anderen, aber ich bekam als Antwort nur offene Münder und aufgerissene Augen. „Wieso hilft ihm denn niemand?" Aufgebracht warf ich meinen Blick zum Fenster hinaus, wo der mutmaßliche Todesengel vor unseren Augen bald tot geprügelt wurde. Unauffällig blickte ich zu der Frau herüber, die unruhig ihre Handfläche vor den Augen ihres kleinen Sohnes drückte. Ich war wohl die Einzige, die nach einer Lösung Ausschau hielt und zu meinem Gunsten durch die beschlagene Scheibe erwischt hatte, wie einer der fast leblosen Engelskindern seine Hand zuckte, eine Pistole aus seiner Jacke kramte und sie unbemerkt über die Straβe gleiten lieβ. Danach schaute er mich flehend an, ein Blick in der Dunkelheit, den ich sofort verstand.

Offensichtlich hielt ich es für eine kluge Idee, schweigend aufzustehen und aus dem Laden zu laufen, so wie ich gerade diesen Plan voller Adrenalin in die Praxis umsetzte. An diesem Abend fühlte ich mich, als würde ich in dem Blutregen ertrinken, griff aber zügig nach der Waffe, die in der Regenpfütze vor meinen Füβen lag, und drückte ab, bevor die ganze Titanic mit mir versank. Ellie und Dragon, die mir sofort nach drauβen gefolgt waren, schrien zur selben Zeit, als der Schuss fiel. - Bevor die ganze Stadt in blau roten Lichtern versank, in einer Art Trance, einer Traumwelt.

„Was hast du nur getan?", nuschelte Dragon sprachlos, jedoch nicht sprachloser als ich gerade. Er griff unverhofft nach meiner tauben Hand, bevor er mich mit sich zog und wir um unser Leben rannten.

Der Regen schien sich mittlerweile beruhigt zu haben. Nur noch kleine Mengen von Wasser tropften von der Baumkrone auf uns herab, hinter dessen Stamm wir uns versteckten. Unsere Körper waren abgekämpft, als haben wir gerade mehrere Kilometer hinter uns gehabt. Aus der Ferne beobachten wir die blitzenden Blaulichter, die den Bezirk wie eine Schutzmauer umgaben. Ich lauschte die schrillen Sirenen der Polizei, die mich wiederholend daran erinnerten, was ich getan habe.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 11, 2020 ⏰

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