Eine umwerfende Begegnung

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Ein schrilles Pfeifen ließ mich ruckartig aus dem Kopfkissen hochfahren. Warum zum Teufel war der Wecker nur so laut eingestellt. Ich kniff die Augen zusammen, denn die Sonne hatte schon ihren Weg in mein Zimmer gefunden. In einem riesen Sprung hechtete ich Richtung Steckdose, um den nervigen Ton loszuwerden, verhackte mich in meiner Bettdecke und landete unsanft mit einem dumpfen Aufprall auf dem Fußboden. Ging ja schon gut los.
„Bist du endlich wach? Wir sind schon spät dran!" schallte die Stimme meiner Mutter aus der Küche zu mir hinauf. „Der Flieger geht in 2,5 Stunden!"
Ja richtig! Florida. Hatte ich fast vergessen, oder eher, verdrängt! Darin war ich weltklasse, also im Verdrängen. Ich war 24 Jahre alt, hatte eine Angststörung und würde heute noch nach Florida fliegen. Verdammt! Mein Herz machte einen Sprung.
Ich rappelte mich auf und humpelte ins Bad. Ein Blick in den Spiegel bestätigte meine viel zu kurze Nacht. Ich zog eine Grimasse und sprang unter die Dusche. Das kühle Wasser spülte die negativen Gesanken vorerst weg, mein schneller Puls allerdings blieb. Wir hatten vor meinen Onkel in den USA zu besuchen, der dort seit einigen Jahren fest lebte und uns schon sehnsüchtig erwartete. Ich runzelte die Stirn. Ein reiner Spaßbesuch würde das nicht werden und meine Angst in engen Räumen machte die Sache nicht besser. Die unruhige Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken. Ich schlüpte aus der Dusche, machte mich fertig und stopfte noch einige überlebenswichte Dinge in meinen Rucksack.
„ Na endlich! Jetzt müssen wir aber wirklich los." meine Mom wuselte hektisch durch die Wohnung und drückte mir im Vorbeigehen einen Tee in die Hand. Ich nippte daran, beeilte mich aber ihn hinunter zu stürzen nachdem meine Mutter mir einen ungläubigen Blick zuwarf. Zufrieden verschwand sie in der Küche. Ich war nervös. Scheiße war ich nervös.

Wir kamen natürlich rechtzeitig am Flughafen an. Es war unmöglich mit meiner Mom irgendwohin zu spät zu kommen. Also, Gepäck raus aus dem Auto und ab mit uns zu Terminal A. In der Abflughalle waren eine Menge Leute unterwegs. Schreiende Kinder, nörgelnde Eltern und die unmöglich zu verstehende Stimme aus dem Off, die Familie Schröder gerade dazu anhielt sich aber sofort zu ihrem Gate zu begeben. Bei manchen Menschen mag bei diesem Anblick die Reiselust aufkommen, bei mir löste sie allerdings ein Unbehagen aus das sich nur schwer beschreiben lässt.
Wir eilten zu unserem Schalter und warteten. Ich sah mich um. Seit Jahren war ich auf keinem Flughafen mehr gewesen und ich wurde schnell daran erinnert wieso das so war. Wir kamen unbehelligt durch die Sicherheitskontrolle hatten aber recht viel Zeit verloren. Meine Mom schlug daher ein etwas schärferes Tempo an, welches man ihrer Körpergröße gar nicht zugetraut hätte. Die Flugzeuge auf dem Rollfeld waren bereits gut zu erkennen. Ohne genau sagen zu können warum gerade in diesem Augenblick, rollte eine Panickattacke über mich hinweg. Ich gefror auf der Stelle. Das ging ja gut los und ich saß noch nicht mal im Flieger! Meine Mutter verschwand in der Menge, sie hatte nichts bemerkt. Es muss wohl ziemlich blöd ausgesehen haben wie ich da einfach nur so stand mit meinem Koffer in der Hand und einem Gesichtsausdruck als hätte sich die Hölle selbst unter mir aufgetan, aber ich konnte nicht anders. Mein Puls beschleunigte sich und es fiel mir immer schwerer zu atmen. Gerade als ich dachte ich könnte es nicht mehr ertragen wurde ich umgerannt. Ganz genau. Umgerannt. Ich verlor das Gleichgewicht und knallte der Länge nach auf den Boden.
„Was zum T.." Nach Luft ringend sah ich mich um und suchte nach dem Übeltäter. Er war nicht schwer zu finden. Er stand gleich da wo er mich zurückgelassen hatte und starrte mich an. Er war groß, sehr groß und trug einen schwarzen Anzug. Sein Gesicht war eingerahmt von rabenschwarzem Haar und seine Augen... Solche stechend grünen Augen hatte ich noch nie gesehen. Ich studierte sein Gesicht. Er war auffallend gutaussehend. Mit seinen markanten Kieferknochen und den langen Haaren brachte er wohl die Mädchen reihenweise um den Verstand. Mein Plan in zur Schnecke zu machen verflog so schnell wie er gekommen war.
Ein arrogantes Grinsen zog sich über sein Gesicht und dann ging er einfach. Mein Mund klappte auf. Er ging einfach.
Während ich noch damit beschäftigt war diesen gut aussehenden Mistkerl zu verteufeln und mich wieder aufzuraffen hatte meine Mutter anscheinend bemerkt dass ich fehlte. Sie kam zurückgestöckelt und scheuchte mich nun in aller Eile Richtung Abfluggate. Was für ein Start in die Ferien!

Wie ich mein Herz verlorDonde viven las historias. Descúbrelo ahora