Wie durch Wasser

10 0 0
                                    

Die hier hatte sie nicht kommen sehen. Rebecca war gerade dabei, Ben hinterher zu rufen. Eine große Welle kam auf ihren kleinen Bruder zu. Sie wollte ihn gerade noch über Com warnen. Unnötig, na klar. Geschickt drehte der seinen Kite in den Wind und lies sich auf dem Board einfach ein paar Meter hoch über die anstürmenden Wogen hinwegtragen. Da erwischte sie selber aber diese kleine Welle, kaum größer als sie. Ihr Surfbrett wurde am Heck hochgewirbelt und die Wucht des Aufpralls riss ihr den Mast aus den Händen. Hätte sie doch auch mal besser einen Kite gewählt und nicht das große Segel genommen. Rebecca konnte sich nicht mehr auf dem Brett halten und stürzte in die Fluten. Hier vom Board abzugehen war kein Sprung in Weißzuckerwatte. Der Untergrund ringsum war zwar nicht so scharf wie der Schwarzpicón auf den Feuerinseln vor Afrika. Der konnte einem auch mit Anzug glatt die Haut vom Körper fressen. Aber es war auch nicht das weiche Zeugs wie der Braunpouder in Skandinavien. Mehr wie gemahlener Graukieser. Ein moderner Drysuit hielt das meiste davon ab. Die Brille und das Atemgerät konnte man mit etwas Mühe auch schnell wieder freikriegen. Aber erst mal musste man wieder auf das Surfbrett raufkommen. Becca dachte daran, was ihre Grannie immer von früher über das Surfen erzählt hatte. Sie stellte sich das Wasser des Atlantiks vor und wie ihre Oma sich dort auf das Board zurückschwang. Die Tricks von damals. Nicht so einfach heutzutag, aber die Auftriebshilfen mit den feinen Bläschen in den modernen Anzügen halfen hier ein gutes Stück mit. Schnell stand sie wieder auf dem Brett, bekam auch den Mast zu fassen, Segel in den Wind und weiter. Wo war Ben? „Hey, Bec, alles klar?" kam es über Com. „Die kleine Woge hat Dich ja heiß erwischt?" Auch wenn's nicht so klang, er war doch besorgt gewesen. Und wieder einmal stolz, wie schnell seine Schwester wieder auf dem Board stand. Das machte ihr keiner so leicht nach. Jeder andere hätte etliche Minuten erst mal mit dem Treibsand zu kämpfen. „Wie kommst Du nur immer wieder so schnell auf das Brett? Denkst wohl noch immer an Omas Märchen vom Surfen im Wasser?" Ozeane und Seen, das gab's nur noch in den Erzählungen der Alten. Die Jungen kannten H2O nur noch aus den kleinen Ampullen, mit denen sie sich die tägliche Ration in die Hydrationskammern ihrer Anzüge injizieren mussten. Dafür hatte die Surferkids von heute mehr als ein Dutzend Namen für Sand. So wie den Gelbweichen, den der Passat in mehreren Meter hohen Wellen hier durch die Wüste fegte, die einst Europa war. Ben und Becca pflügten weiter mit ihren Sandboards durch die Dünen wie durch Wasser. Ihr Ziel für die Nacht schon vor Augen: die Oase von Paris.

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 22, 2019 ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Die WellenreiterWo Geschichten leben. Entdecke jetzt