Im Licht des Mondes

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Der Bass vibrierte. Die laute Musik dröhnte mir in den Ohren. Die blinkenden bunten Lichter ließen mir kaum eine Chance zu erkennen wo sie hingegangen war. Noch immer hatte ich einen gefüllten roten Becher in der Hand. Der wievielte es war, weiß ich nicht mehr. Um mich herum unzählig tanzende Jugendliche und Studenten. Ich versuchte mich durch die Menschenmenge hindurch zu schlängeln, doch niemand machte mir Platz. Heftig rempelte mich jemand im Vorbeigehen an. So ging das also. Das war überhaupt nicht meine Art. Trotzdem drückte ich mich durch die Leute durch. Meine Hände, sowie meine Hose klebten vom verschütteten Bier. Irgendwo musste sie doch sein. Wut stieg in mir auf. Warum war ich immer diejenige, die sich zu ihr stellte? Warum war ich immer diejenige, die sofort allein dastand, wenn ich nicht den Leuten hinterherlief. Meine Wut verwandelte sich langsam in Verzweiflung. Und da waren sie wieder. Diese Stimmen in meinem Kopf. „Du wirst sie nicht mehr finden. Warum verstehst du nicht, dass sie keine Lust auf dich hat. Sie ist von dir weggelaufen. Wer will schon etwas mit dir machen. Sie hat es doch selbst gesagt „Lerne neue Leute kennen. Amüsiere dich und vergiss nicht, schau nicht immer so düster." Sie will, dass du neue Freunde findest, weil sie keine Lust mehr auf dich hat. Selbst in der Schule will sie nichts mehr mit dir machen. Sie hat ihre eigenen Freunde und du stehst nur nebendran. Du wirst sie nicht mehr finden. Sie hat gerade einmal Spaß, weil du nicht dabei bist, also ruiniere ihr das nicht." Die Stimmen in meinem Kopf wurden lauter. Immer lauter. Die dröhnende Musik hatte sich wie eine Schallglocke um mich gelegt, sie war dumpf. Meine Stimmen laut. Ich spürte das Blut durch meinen Kopf pumpen. Ich musste hier raus. Wie aus dem Nichts ließ ich den Becher fallen und rannte los. Es war mir egal, wen ich rempelte. Ich bekam das alles gar nicht mehr mit. Ich rannte durch die Menschenmenge, das weiße Licht flackerte immer schneller. Da war sie, die Tür. Ich rannte raus. Ich hatte gedacht, dass draußen mein Ziel wäre. Doch da war es nicht. Die Musik pochte immer noch in meinen Ohren. Die Stimmen schrien immer noch. Ich rannte immer weiter. „Wohin läufst du? Du hast kein Ziel. Kein Lebensziel. Wie immer. Machst alles, ohne zu denken. Guck dich doch mal an. Allein, wie du läufst. „Wie eine verkrüppelte Ente", hatte sie dir mal aus Spaß gesagt. Damit wollte sie dir etwas sagen. Nicht mal mehr das kannst du. Was kannst du überhaupt?" Ich rannte schneller. So schnell, wie ich noch nie in meinem Leben gerannt bin. Ich atmete heftig, doch das hörte ich nicht mehr. Immer weiter. So weit, wie es geht. Weg von hier.

Ich blieb stehen. Meine Beine zitterten. Ich stützte mich mit meinen Armen auf den Oberschenkeln ab und versuchte so meinen Atem zu beruhigen. Die Musik war verstummt. Die Stimmen in meinem Kopf auch. Ich setzte mich auf einen großen Felsblock und spürte eine Träne die Wange herunterlaufen. Ich schaute mich um. Hinter mir der Wald. Vor mir der große See. Rechts von mir der lange holprige Weg, der zum Ferienhaus führte, welches ich mittlerweile nicht mehr sehen konnte. Es war schon dunkel. Nur der Mond schien hell und ließ das Wasser Silber glitzern. Ich weinte immer noch. Mir war das alles zu viel. Eigentlich wollte ich das alles gar nicht. Schon seit einer ganzen Weile habe ich keine Lust mehr auf das Ganze hier. Ich bin nur wegen Klara mitgegangen. Sie selbst hat gesagt, dass das die Chance ist, sich in die Gesellschaft einzugliedern, Freunde zu finden und einfach mal wieder richtig Spaß zu haben. Wie konnte ich nur so unfassbar leichtgläubig sein, das auch nur für eine Sekunde lang glauben. Ich habe nun einfach diesen Charakter und dieses Aussehen, woran ich nie etwas ändern werden kann. Die Leute mögen mich nicht, wollen nichts mit mir zu tun haben. Das ist halt einfach so. Ich selbst kann das ja verstehen. Ich würde auch nichts mit mir zu tun haben wollen. Ich rede nie etwas. Stehe einfach nur lost nebendran. Schau traurig. Vermiese jedem die Stimmung. Ich kann selbst Klara verstehen, dass sie lieber mit anderen Leuten etwas macht. Sie hat immer dieses Freundliche an sich. Sie will mich nicht komplett allein lassen. Wie kann man nur so eine liebe Person sein? Sie ist immer nett zu mir. Manchmal frage ich mich, wie es wäre, sie zu sein. Ich möchte schon immer ein bisschen mehr wie sie sein, doch mittlerweile merke ich, dass so wie ich bin, seit ich mich verändert habe, ich immer bleiben werde. Vor zirka einem halben Jahr habe ich angefangen mich zu verändern. Hatte keine Lust mehr auf Gesellschaft, mit Leuten etwas zu machen. Die einzige Zeit, in der ich etwas spüre, ist nachts. Die Trauer, die Unzufriedenheit über mich selbst. Jeden Abend habe ich geweint, habe versucht mich selbst zu verstehen, warum ich so bin wie ich bin, doch habe nie eine Antwort gefunden. Menschen verändern sich. Ich bin erst 17. In einem halben Jahr bin ich volljährig, erwachsen. Oft frage ich mich, was es noch für einen Sinn ergibt, hier zu sein. Jeden Morgen aufzustehen, dieselben Sachen zu machen und sich jeden Tag der immer schwieriger werdenden Aufgabe zu stellen, den Tag zu überwältigen. Dann manchmal, ganz plötzlich fühle ich mich gut, lache und verstehe diese Gedanken selbst nicht mehr. Doch danach wirft es mich nur noch tiefer in das Loch hinein. Und es ist, wie als würde mir jemand meine Leiter wegnehmen, mit der ich aus diesem endlos tiefen Loch herausklettern könnte. Dann eines Tages erscheint sie wieder. Ich klettere so schnell wie möglich hoch, immer weiter, sehe schon das Licht von oben hereinscheinen und ganz plötzlich, falle ich. Ich falle immer tiefer. Und bin noch tiefer von dieser Leiter, als dort, wo ich überhaupt angefangen habe. An manchen Tagen blicke ich über meine Schulter hinunter in dieses Loch und sehe etwas, was ich mir weiter oben von der Leiter niemals hätte denken oder glauben können, das einmal zu sehen. Ich sehe den Tod. Ich sehe mich, wie ich so tief gefallen bin, dass ich die Kraft diese Leiter hinaufzuklettern nicht mehr habe. Ich sehe das Licht, die andere Seite dieses Loches nicht mehr. Mir ist der schwarze Boden des Loches näher als das helle Licht. Ich stand auf und zog mir meine Schuhe und Socken aus. Ich ging mit den Füßen in das Wasser. Es war kalt. Besonders tief noch nicht. Ich könnte tiefer reingehen. Den Grund konnte ich nicht erkennen. Die Wasseroberfläche glänzte. Ich könnte alles hier beenden. Hier und heute. Für immer und ewig. Ich ging weiter hinein. Das Wasser berührte meine Hose bis zu den Knien. Wie in Trance ging ich weiter. Immer weiter... Tzzzzz tzzzzz tzzzzz. Ich zuckte zusammen. Mein Handy klingelte. Ich holte es aus meiner Tasche. „Eingehender Anruf von MeinEinUndAlles". Ich zögerte, trocknete meine Hände an meinem T-Shirt ab und wischte mit meiner Hand die Tränen aus meinem Gesicht. Ich lächelte einmal kurz und versuchte mich zusammenzureißen. „Hallo?". Ich hielt das Telefon weiter weg von meinem Ohr, denn die Musik war zu laut. Klara musste schreien, damit ich sie verstehen konnte. „Eyyy wo bist du? Ich habe dich überall gesucht", sie lachte kurz. „Ähm ich bin kurz rausgegangen." „Wir wollen jetzt zelteeen", sie lachte laut. Das letzte Bier war eindeutig eins zu viel. „Ja ok, ihr könnt ja schonmal das Zelt aufbauen, ich mach mich dann auf den Weg." Sie lachte wieder und ich legte auf. Erschreckt von mir selbst rannte ich aus dem Wasser. Ohne mich noch einmal umzudrehen, nahm meine Schuhe und machte mich auf den Weg.

Ich lag im Schlafsack und schaute nach oben. Mittlerweile erhellten auch tausende Sterne den ganzen Himmel. Eigentlich wollten wir ja Zelten, aber Klara hatte sich umentschieden. Sie lag direkt neben einem Jungen, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Beide schliefen schon. Nur ich war noch wach. Ich starrte in den Himmel und dachte über vorher nach. Ich bin mittlerweile ziemlich gut im Schauspielern. Klara hatte nichts bemerkt. Niemand hatte etwas gemerkt. Niemand wusste etwas davon. Von nichts. Ich schaute in den Himmel. Der Mond schien hell und schaute auf mich hinab.


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⏰ Ultimo aggiornamento: Aug 23, 2019 ⏰

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