Prolog

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Prolog

Ich drehe den Kopf ein wenig und betrachte das Mädchen vor mir. Es sieht nicht gesund aus, kränklich und fahl im Gesicht. Sie bleckt die Zähne und ich schnaube spöttisch zurück. Ich finde sie hässlich, weil ihre Augenringe so tief und dunkel sind und ihre Haut die graue Farbe Pappmaschees hat. Das Mädchen grinst mich an was ihrem Gesicht einen gehässigen Ausdruck verleiht.

„Du bist hässlich", sagt sie ruhig und ihr Grinsen verwandelt sich in ein mitleidiges Lächeln. Ich zwinge mich, ihr weiter in die Augen zu sehen, ich darf den Blick nicht abwenden. Ich halte dem Drang noch ein paar Minuten stand, doch schließlich wandert er langsam über ihre Stirn, die sich warnend in Falten legt als wollte sie mir sagen: „das wirst du bereuen", und hinauf zu dem kahlen Schädel. Hier und da taucht ein kleiner Flaum auf, einer über dem rechten Ohr und ein anderer direkt in der Mitte des Schädels. Das Mädchen sieht aus wie ein frisch geschlüpfter Aasgeier.

„Sieht ziemlich mies aus, was?", höre ich sie kichern und reiße mich von dem blonden Flaum los. Als ich ihr wieder in die Augen sehe, kommt es mir vor als wären die tiefen Schatten unter ihren Augen noch ein bisschen dunkler geworden. Das Lächeln um ihren Mund ist verschwunden und sie starrt mich an. Ihr kalter Blick fühlt sich an wie tausend Nadeln auf meiner Haut.

Langsam öffnet sie den Mund und ich warte drauf, dass sich die Risse in ihren trockenen Lippen noch tiefer Graben.

„Ich bin du", flüstert sie und doch kommt es mir vor, als würde sie mich anbrüllen. Ich schüttle langsam den Kopf und lache auf.

„Du lügst", schleudere ich ihr entgegen und würde ihr am liebsten in das bleiche Gesicht spucken. Sie sagt nichts, lächelt mich nur an und öffnet dann wieder den Mund. Ein leises Wispern, irgendwo tief hinten in meinem Kopf, quält (treibt) mir die Tränen in die Augen.

„Sieh doch genau hin, Ich bin du und du bist ich."

Ich schlage meine Faust in den Spiegel und sehe das Glas in tausend Stücke zersplittern.

AugenblickWhere stories live. Discover now