»zuckєrwαttєrσѕα«

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Er ging - bessergesagt schlich - bedachten vorsichtigen Schrittes die dunklen Seitengassen entlang. 
Versteckt. Vermied es, dass er gesehen wurde. 

Der Mann mit dem leichten Dreitagebart und den dunkelbraunen, zurückgekämmten Haaren war auf einer Mission.

Ein Leben nehmen. Jemanden töten. 

Für Nesbitt, seinem Boss. 

Der sich - natürlich - die Hände nicht schmutzig machte.

Ein kräftiger Zug an der Zigarette und der Rauch erfüllte seine Lunge. 
Er atmete tief ein und aus. 

Seine rehbraunen Augen musterten die verdreckte Hauswand vor ihm. 
Der Hintereingang war ihm leider unzugänglich und Schlösser knacken war einfach nicht sein Stil. 
Er würde einfach kurz abwarten. Es war ja jeden Augenblick soweit. 

Er hatte den Glimmstängel in dem gerillten Gulli entsorgt,
das Gebäude mit einen nachdenklichen Blick bedacht.

Bestimmten Schrittes, aber noch immer vorsichtig, ging er zur Front des Gebäudes.
Zur Eingangstür. Sie war nur angelehnt. 
Jackpot!
Sein Griff um die Pistole verstärkte sich. 

Nesbitt hatte ihm gesagt, dass sich die Zielperson alleine in der Bar befinden würde, da sie ja gerade erst geöffnet hatte.
Sein Ziel war der Besitzer der Bar, zugleich auch der Barkeeper.
"Was'n Glück..." dachte sich der Braunhaarige missmutig und trat in das Gebäude. 

Zu seiner Rechten befanden sich die Toiletten, zu seiner Linken die Garderobe. Vor ihm erstreckte sich der Eingangsbereich. 
Es war rustikal gehalten. Fast schon schäbig, könnte man meinen.
Aber die teuren Spirituosen sprachen für Sich.

Schnellen Blickes sah er sich um. Der Raum war leer, die Bar noch unbelebt. 

Doch plötzlich vernahm er leise Schritte. Vermutlich vom Hintereingang ausgehend.

So leise wie es ihm nur möglich war duckte er sich und schlich vor den Tresen.
Sein Herz klopfte, das Blut pulsierte in seinen Adern. 


Tap.
Tap.
Tap.
Tap.


Die Schritte näherten sich ihm, waren nun in seiner unmittelbaren Nähe.
Gegenüber. 
Auf der anderen Seite des Tresens.

Verdammt, wäre sein Ziel nicht der Besitzer der ihm sogesehen direkt gegenüberstand, sondern ein Besucher der Bar, so hätte er noch schnell 'nen Whiskey gekippt.
Noch kurz die Ruhe vor dem Sturm genossen.
Einmal tief durchatmen.

Grazil wie ein Luchs schoss er plötzlich aus seinem Versteck empor, löste den Abzug seiner Pistole und erschoss sein Gegenüber.
Mission erledigt. Zielperson ausgelöscht. Ansehen geerntet und Vertrauen gestärkt.

Schnelle kurze Atemzüge und ersticktes Gurgeln waren zu hören, bezeugten ihm den Erfolg seines Tun.
Während er zielstrebig um diesen ging, lud er seine Pistole nach. 
Er fuhr sich gerade durch seine braunen Haare, als er wie versteinert inne hielt, den Blick starr auf die um sein Leben kämpfende Person gerichtet.

Das war nicht sein Ziel. 
Nicht der Barbesitzer.
Und zur Hölle noch eins, das war definitiv kein Kerl.

Tatsächlich war es eine junge Frau. 
Vielleicht so um die zwanzig, fünfundzwanzig maximal.


"Scheiße!" schoss es ihm durch den Kopf.
Seine Augen geweitet, geschockt. 
Verwirrt.
Wütend. 


Es war seine süße Nachbarin, die da vor ihm auf dem Boden lag, nach Atem rang und mit Tränen in den Augen zu ihm emporblickte.
Der Schock und Schmerz stand ihr ins Gesicht geschrieben.
"FUCK!" fluchte er laut. 
Nach so vielen etlichen erfolglosen Versuchen, sie zu einem Date zu überreden, hatte sie gestern Mittag einem Date mit ihm zugesagt. Am Wochenende sollte es stattfinden. 

Seine Augen füllten sich mit Tränen.
Sein Kopf war wie leergefegt. 
Sein Herz klopfte unerträglich laut, schmerzte bei dem Anblick. 

Die raue Hand strich stark zitternd über die weiche, empfindliche Haut am Hals. 
"Es tut mir leid... so leid... so leid... verdammt..." murmelte er immer und immer wieder vor sich hin. 
Unaufhörlich bahnten sich die Tränen ihren Weg über sein Gesicht. 

Er wagte einen letzten Blick auf ihr so wundervolles Gesicht. 
Obwohl ihre Augen vor Schreck weit aufgerissen, die blanke Panik in ihnen gestanden hatte, so erinnerte er sich daran, wie sie neugierig gefunkelt hatten.
Neugierig auf Abenteuer.
Neugierig auf neue Erinnerungen.
Neugierig... auf ihn. 

Schnell riss er sich von dem Anblick los, streichelte ihr über ihre Haare.
Das warme Blut benetzte seine Handschuhe. 

Er senkte seinen Kopf, legte ihn in seine Armbeuge und schrie. 
Er schrie sich die Wut aus dem Bauch, sein Versagen. 
Die Trauer. Den Schmerz. 
Sein Herz zog sich zusammen und ihm war, als würde es jeden Moment aufhören zu schlagen.

Sie hatte es damals zum stolpern gebracht. 
Hatte sich mit ihrem süßen charmanten Lächeln einen festen Platz in seinem Herz reserviert.
Seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er eine neue Lieblingsfarbe. 

Die Farbe ihrer Haare.


Zuckerwatterosa.

»zuckєrwαttєrσѕα«Where stories live. Discover now