Unterrichten für Dummies

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Dazu, meine stille Drohung wahr zu machen und dem großen All Might die Leviten zu lesen, weil er zugelassen hatte, dass mehrere Schüler verletzt worden waren - nämlich sein eigener Schützling Deku und mein Küken Erenya - kam ich vorerst nicht. Immerhin wollte ich den Rest der Stunde, der noch geblieben war, nutzen, um der Klasse 1-A ein bisschen theoretisches Wissen zu vermitteln. Außerdem wusste ich ja genau, dass noch jemand in der Krankenabteilung bei Recovery Girl saß, nämlich All Might selbst, wenn auch vor allem, um seine wahre Gestalt zu verbergen. Wie lange plante er, dieses Schauspiel auch vor mir durchzuziehen? Die anderen Lehrer wussten doch sicher längst alle Bescheid. Sollte ich beleidigt sein, weil man mir nicht genug vertraute, um mich einzuweihen, oder schloss man mich nur aus, weil ich als einzige keine Superheldin war? Beide Möglichkeiten ärgerten mich, also schob ich diese Überlegungen beiseite, um mich stattdessen meiner Klasse zu widmen, die nun endlich den Weg ins Klassenzimmer gefunden hatte. Mein Blick glitt über die Schüler. Außer Deku und Erenya waren alle da, also begann ich mit dem Unterricht.
Mir wurde ziemlich schnell klar, dass ich heute wohl nicht mehr mit wirklich wichtigen Inhalten aufwarten musste. Abgesehen von Momo und Shouto, schien niemand wirklich zuzuhören. Immer wieder erreichten Gesprächsfetzen mein Ohr, die preisgaben, dass die gesamte Klasse noch ganz in der letzten Stunde festhing. Die Kämpfe hatten einiges an Emotionen aufgewirbelt und beschäftigten die zukünftige Helden-Elite eindeutig mehr als die Taten von Ramses II. oder Herakles. Stumm seufzte ich, ehe ich der Form halber die Anwesenheitsliste durchging. Dass ich sie alle schon mehr oder weniger kannte, würde nur seltsam wirken. Ich war gerade beim letzten Namen auf der Liste angelangt und bereit, meine Einführung zu beginnen und aufzuzeigen, womit wir uns in den kommenden Wochen beschäftigen würden, als es an der Tür klopfte. „Herein", forderte ich auf, da schob sich die Tür auch schon auf und gab den Blick auf Erenya preis. Ich hätte nicht leugnen können, dass ich mich sofort etwas ruhiger fühlte. Wenn sie schon hier war, dann hatte Recovery Girl ihre Wunden sicher gut versorgt. „Scheint als würde nur Midoriya-kun fehlen. Er-, ich meine Okamoto-san, setz dich bitte auf deinen Platz", forderte ich Erenya auf und fuhr dann direkt fort: „So, da wir fast vollständig sind und ein gewisser Held uns unsere wertvolle Zeit reduziert hat, fangen wir heute keine schwierigen Themen an. Ich werde euch heute sagen, wie der Lehrplan für die nächsten Monate aussieht und wenn die Zeit reicht, fangen wir mit Heldengeschichte an."
Ohne weiteres Zögern fing ich an, den Plan in groben Zügen an die Tafel zu schreiben. Damit hätte jeder, der gewissenhaft mitschrieb, auch schon einen Überblick darüber, welche Themen in den Tests und Klassenarbeiten drankämen. Am liebsten hätte ich zwar direkt Erenya bestürmt, um herauszufinden, ob sie wirklich meine Eri war, aber das konnte ich im Unterricht wirklich nicht bringen. „Wie ihr seht, fangen wir mit den etwas eingestaubteren, aber nicht ganz unwichtigen Helden an. Ich weiß, der Stoff klingt trocken, aber wie bei allem im Leben, können wir aus der Vergangenheit lernen und ich bin mir sicher, dass der eine oder andere Held für jeden von euch eine wichtige Lektion beitragen kann." Das gleiche galt zweifellos auch für einige Lehrer hier, doch die Bemerkung verkniff ich mit geflissentlich. Mit Aizawa wollte ich auch noch das eine oder andere Hühnchen rupfen. Wie dessen erste Stunde ausgesehen hatte, wusste ich immerhin auch und man musste wirklich kein Genie sein, um zu erahnen, wie er mit seinem Verhalten auch Erenya mitgespielt hatte. Meine arme Kleine. Hoffentlich war sie nicht zu entmutigt. Mit ihrer Fähigkeit war Aizawas komischer Sporttest ala Bundesjugendabzeichen - wusste Gott, ich hatte diesen Mist jedes Jahr gehasst wie die Pest - sicher keine Kleinigkeit gewesen.

Meine Versuche allerdings, mit der Klasse darüber zu sprechen, welche Helden sie kannten, hätte ich mir vielleicht sparen können. Momo gab zwar ihr Bestes und war, wie erwartet, ein Musterbeispiel einer gebildeten jungen Frau, doch schon die zweite Antwort auf meine Frage nach den Helden der Geschichte, ließ mich mental die Hand vor die Stirn schlagen. Mineta hielt also Hugh Hefner für einen Helden? Oh man, dann hatten wir hier wirklich einiges zu tun. Demonstrativ begann ich mit einem Beispielhelden, von dem ich genau wusste, dass bei seinem Namen bei meiner Erenya alle Alarmglocken schrillen würden: Gilgamesh. Er bot sich ohnehin an, immerhin war sein Epos der erste, schriftlich festgehaltene Heldenepos der Menschheitsgeschichte. Das allein war schon beeindruckend genug, aber ich glaubte, in Erenyas Mimik zu erkennen, dass bei ihr noch ein anderer Groschen fiel. Kaum jedoch hatte ich meinen Einstieg gefunden, hörte ich schon Denki, dessen Aufmerksamkeit eindeutig nicht meinem Unterricht galt, denn er sah zu Kirishima und fragte leise nach Deku. Anstatt jedoch die Frage zu ignorieren und mitzuschreiben, ging das Getuschel da auch schon weiter, denn Kirishima wandte sich an Erenya. Binnen Sekunden war die halbe Klasse involviert. Glaubten sie wirklich, ich würde das nicht merken? So würde aus dieser Geschichtsstunde jedenfalls nichts. Seufzend gab ich auf.
„Ich glaube, ich muss mit diesem Nummer Eins-Helden den Unterricht tauschen", murmelte ich und wandte mich dann in Richtung der Klasse. „Na schön, reden wir über eure erste Stunde bei All Might. Ich hab zwar nicht alles erlebt, aber da Midoriya-kun noch im Krankenzimmer ist, weiß ich, dass einige von euch es übertrieben haben. Es ist zwar gut, dass ihr nun eure Fähigkeiten austesten konntet und so auch die eurer Kameraden kennengelernt habt, aber es bringt euch nichts, wenn ihr euch überanstrengt." Diese Lektion hätte eigentlich auch Deku hören sollen, denn der musste die eindeutig auch lernen. Und sein Mentor auch. Vielleicht sollte der sich mal hier in den Unterricht setzen, er könnte noch so einiges lernen. „Ein Held muss auch in der Lage sein, seinen Stolz runterzuschlucken und den Rückzug anzutreten. Es bringt niemandem etwas, wenn er sich verausgabt und dabei stirbt", fuhr ich ernst fort und konnte nicht umhin, dabei besonders Erenya anzusehen. Wenn das hier meine Eri war, dann sollte besonders sie sich das zu Herzen nehmen. Ich kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie ihr eigenes Wohl viel zu schnell aus den Augen verlor. Aber auch wenn sie nicht meine Erenya war, hatte sie sich offensichtlich Bakugo gestellt und dazu gehörten schon ein paar Eier, besonders wenn man keinen offensiven Quirk hatte wie sie. Gerade wollte ich fortfahren, als auch schon die Klingel ertönte, die das Ende der Stunde ankündigte. Missmutig dachte ich an meinen Plan für die heutige Stunde. Danke, Mr. All Might. Erst überzieht er ohne Ende und jetzt hat sein Unterricht auch meinen komplett übernommen - oder zumindest den kleinen Rest, der mir übrig geblieben war.

Together through timeless justice (Pausiert)Where stories live. Discover now