Nicht wie geplant

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„Schon wieder? Was wollen diese Aasgeier nur immer hier?", war das Erste an diesem Morgen, das ich von meinen Kollegen hörte. Mit erhobener Hand grüßte ich still in die Runde, um die Unterhaltung nicht zu stören. Himeno, die Chemielehrerin hatte die Arme verschränkt und starrte grimmig zu Hizashi, der kaum weniger genervt dreinsah. „Bad Media. Du weißt doch, wie die sind", meinte er abfällig. „Was ist denn los?", wandte ich mich flüsternd an Nemuri, die ein Stück abseits stand. „Die Presse belagert mal wieder das Fronttor", erklärte sie mir leise und seufzte dann. „Das kommt häufiger vor, aber dieses Mal ist es besonders schlimm. Dass der berühmteste aller Helden, All Might, nun hier unterrichtet, sorgt für allerlei Furore. Es würde mich nicht wundern, wenn es draußen schon wild hergeht, weil jeder ein Interview mit ihm möchte", fuhr sie fort, nickte dann aber in Richtung Fenster. Fragend hob ich eine Braue, doch da hörte ich schon Hizashi, der unsere Unterhaltung wohl mitbekommen hatte. „Aasgeier, sag ich doch", zischte er mit Blick zum Fenster, an das ich nun herantrat, um mir selbst einen Überblick zu verschaffen. Das erwies sich als ziemlich leicht, denn von hier aus hatte man eine hervorragende Sicht auf das Eingangsportal, an dem sich gute zwei Dutzend Reporter drängelten. Daran musste man sich wohl gewöhnen, wenn man mit so vielen bekannten Profi-Helden zusammenarbeitete, wie ich es nun tat. Zum Glück interessierte sich die Presse nicht für Archäologen. Dieser Presserummel war nur ein Grund mehr, wieso das Leben als Superheld absolut nichts für mich gewesen wäre.
„Hast du denn gar nichts mitbekommen? Sie sind schon in aller Frühe hier aufgelaufen", ließ mich Nemuris Stimme meinen Blick wieder von den Reportern abwenden. Fragend blickte ich zu meiner Kollegin und schüttelte den Kopf. „Nein, überhaupt nicht", gab ich unumwunden zu. „Ich war heute Morgen auf der Ausgrabung", erklärte ich schulterzuckend. „Ah, das neue Gebäude. Ich habe davon gehört. Und? Schon was gefunden?", schmunzelte Nemuri, wohl nicht ahnend, dass sie mit dieser Bemerkung bei mir offene Türen einrannte. „Ja und es ist wunderschön!", ereiferte ich mich enthusiastisch. „Ich habe einige Tonscherben einer Kanope gefunden, die sich sehr wahrscheinlich in der der 9. Dynastie einordnen lassen. Eine genaue Analyse muss natürlich im Labor vorgenommen werden, doch die Vermutung liegt angesichts der Nähe zum Fundort der Helden-Tafel nahe, dass die Tafel entweder zu Zeiten Sethos' I. oder Ramses II.", plauderte ich munter weiter. „Kanopen dieser Qualität müssten zu einem sehr bedeutenden Grab gehören. Es ist also gut möglich, dass es nicht allzu weit entfernt liegt."
Nemuris Grinsen wurde breiter, was mich nur umso mehr dazu verführte, weiterzuerzählen. „Mit etwas Glück finden wir auch die anderen Kanopen des Sets. Nicht auszudenken, wenn man sie intakt finden könnte." „Ist das denn wahrscheinlich?", unterbrach Nemuri mich kichernd. Was war denn daran so lustig? Ich fand das Ganze eher unglaublich aufregend. „Nein, leider nicht", seufzte ich entmutigt, „eher im Gegenteil. Wenn die Kanope sich außerhalb des Grabes befand, hat sie vermutlich ein Grabräuber aus dem Grab mitgenommen. Das ist nicht unüblich. Die allermeisten bedeutsamen Gräber wurden bereits vor Jahrhunderten oder Jahrtausenden geplündert." „Was ist überhaupt eine Kanope?" Entgeistert sah ich Nemuri an. „Du weißt nicht, was eine Kanope ist?", rutschte mir die Frage heraus, ehe ich darüber nachdenken konnte. Entschuldigend grinsend zuckte die Profiheldin mit den Schultern.

Noch während ich vollauf damit beschäftigt war, Nemuri nicht nur zu erklären, was eine Kanope war, sondern auch, welch immense Bedeutung sie für die Begräbnisriten der alten Ägypter hatten, tröpfelten nach und nach auch die anderen Lehrer ins Lehrerzimmer, pünktlich zum Ende der ersten Doppelstunde. Irgendjemand hatte sich auch etwas aus der Cafeteria geholt, dem Geruch nach geschmolzenem Käse nach zu urteilen. Doch nicht einmal der war verführerisch genug, um mich vom Thema ablenken zu können. Wenn ich nicht gerade einen meiner ehemaligen Kollegen aus Ägypten am Telefon hatte, hatte ich ja sonst hier niemanden, den ich zum Thema Ägypten vollblubbern konnte. „Du liebst dieses Land wirklich, oder?", meinte Nemuri unvermittelt und ließ mich damit innehalten. Verdattert nickte ich. „Ja, natürlich. Ägypten ist... na ja... Seine Kultur hat mich schon als kleines Mädchen fasziniert. Es ist voller Wunder, voller Geheimnisse und unglaublicher Geschichten!" Wie von selbst war ich wieder in meine Begeisterung verfallen und erntete von Nemuri ein unverhohlenes Kichern.
Gerade, als sie sich anschickte, etwas zu sagen, schob sich Nezu durch die Tür herein, was ein allgemeines Begrüßungsgemurmel nach sich zog. „Hallo. Schön, dass alle hier sind. Was ich zu sagen habe, sollten besser alle hören", ergriff Nezu das Wort. „Ab heute beginnen unsere neuen Vertrauenslehrer offiziell mit ihrer Arbeit, die natürlich auch unseren Schülern vorgestellt wird. Bitte erinnert unsere Studenten daran, dass wir für sie da sind und ihnen bei ihren Problemen beistehen. Die freien Termine unserer Vertrauenslehrer können sowohl im Sekretariat als auch online einseh- und buchbar. Selbstverständlich werden alle Gespräche vertraulich behandelt." Nezus Lächeln ließ mich schaudern. Er verkaufte diese Sache, als wäre es von langer Hand geplant gewesen. „Offenbar haben die ersten Schüler sogar schon von eurer Einsetzung gehört", plauderte der Direktor munter weiter, während sein Blick erst zu All Might glitt, dann zu mir. „Der erste Schüler hat sich sogar schon entschieden, sich dir anzuvertrauen, Daelis." Ach, echt? Etwas ungläubig sah ich den Direktor an, der mir aufmunternd zunickte. „Du findest die Login-Daten in deinem E-Mail-Fach", merkte Nezu noch an, ehe er sich Aizawa zuwandte, der dem Direktor etwas zuraunte, das ich nicht hören konnte.

Together through timeless justice (Pausiert)Where stories live. Discover now