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HYUNJINᵗʷ| Wie die letzten Briefe von Jeongin auch, faltete ich den kleinen Zettel zusammen und verließ das Schulgelände. Wie jeden Tag blieb ich kurz stehen, um meinen Blick dem sonderbaren Jungen zu schenken, dessen Beine an der Mauer hinunter baumelten und wie jeden Tag schlich sich ein sanftes Lächeln auf meine Lippen.

Doch dieses mal griff ich nicht zu meinem Fahrrad. Dieses mal fuhr ich nicht weg und dieses mal ging ich auch nicht in Gedanken an den Kirschbaum Jungen nach Hause.

Dieses mal stellte ich mich vor die Mauer und sah hoch.

Er schien mich bemerkt zu haben, denn er senkte seinen Kopf ein klein wenig, so dass er zu mir runter schauen konnte. Seine Kastanien braunen Haaren fielen ihm leicht gewellt über die Stirn und seine dunklen Fuchsaugen blickten mich intensiv an.

Als hielt er Bernstein in ihnen, welcher im Licht der Sonne honigfarbend schien.

Jeongins schmalen Lippen zierte ein dezentes Lächeln voller Freundlichkeit und ein Kirschblütenblatt fiel aus seinen Haaren heraus und glitt zu Boden, als er seinen Kopf schief legte. Dann, ganz langsam, streckte er seine Hand zu mir hinunter aus.

Gerade als auch ich meine Hand hob und sie zu ihm hoch streckte um sie zu greifen, zog ein starker Windzug vorbei und wirbelte all die rosa weißen Blütenblätter auf, welche uns wie ein kleiner Sturm um die Ohren flogen.

Nur wenige Centimeter und meine Fingerspitzen würde seine berühren. Die von Yang Jeongin, der besondere Junge, welcher seine-

,,Hyunjin, Hyunjin hey, wo bist du schon wieder mit deinen Gedanken?" Überrascht öffnete ich meine Augen und sah in das dunkle Augenpaar meiner Therapeutin, welche mich aus meinen Tagträumen riss und daher leicht seufzte.

,,Sehen Sie, er tut es schon wieder! Den ganzen Tag sitzt er nur in seinem Zimmer und hängt in seinen Fantasien und seinem Kopf fest, nicht mal zum Essen kommt er raus! Frau Doktor, mein Sohn ist krank. Bitte helfen sie ihm, er muss diese sinnlosen Träumereien weg bekommen. Sich auf mich, seine Mutter, und sein Leben konzentrieren! Die Realität!"

Ich schnaubte nach den Worten meiner Mutter genervt aus und verdrehte die Augen. Ich saß nicht das erste mal mit ihr hier, aber sie verstand ja einfach nicht, dass das keine Krankheiten war, die sie mal eben mit Medikamenten heilen konnte.

,,Bitte, ich bitte sie Frau Doktor." Meine Mutter faltete flehend ihre Hände zusammen und zwang sich dazu glasige Augen zu bekommen und den Tränen nahe zu stehen. Sie sollte Schauspielerin werden und nicht Mutter. Ihre falsche Maske hing mir schon zum Hals raus, echt.

,,Ich flehe sie an, heilen sie diese Krankenheit. Was habe ich nur falsch gemacht? Mein Leben lang habe ich mich um ihn gekümmert, mich um ihn gesorgt, ihn groß gezogen.. sie wissen ja nicht wie schwer ich es hatte, seit dem sein Vater verstarb." Sie fing an zu schniefen, weswegen ich erneuert genervt ausschbaubte.

,,Frau Hwang, ihr Sohn hat keine Krankheit." Meine Therapeutin lächelte meine Mutter an und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. Wenigstens eine vernünftige Person hier. Ich musste zugeben, sie war ganz cool und locker. Ich dachte schon ich müsste hier mit ner alten Oma sitzen.

,,Bitte! Es muss doch Medikamente dazu geben! Ganz sicher! Er redet kaum noch und hängt nur in seinem Zimmer rum, hört Musik oder ließt diese dämlichen Kunst Bücher! Seine Wände sind voll mit Zeichnungen und nie verlässt er das Zimmer! Was.. was habe ich nur in meiner Erziehung falsch gemacht..." Wieder schniefte sie.

,,Es ist doch was gutes, ihr Sohn hat Hobbys und kann seine Kreativität-" ,,NEIN!" Kreischte meine Mutter hysterisch und stand auf. ,,Frau Hwang, könnten sie vielleicht kurz den Raum verlassen?" Freundlich lächelte meine Therapeutin meine Mutter an, während ich daraufhin desinteressiert zu meinen Händen runter sah.

𝗠𝗔𝗟𝗔𝗗𝗔𝗣𝗧𝗜𝗩𝗘 HYUNINWhere stories live. Discover now