Kapitel 20

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Wir beide hatten nie wirklich mit einander geredet, außer wenn es innerhalb der Gruppe etwas zu besprechen gab. Doch ich war nie so froh gewesen, ihn zu sehen.

Wenn er hier war, waren auch die anderen in Sicherheit und bald würden wir in Distrikt 13, in Sicherheit eintreffen. Von dort aus könnten wir weitere Schachzüge gehen das Kapitol planen. Und irgendwann, ja in nicht allzu ferner Zukunft, würde Panem ein freies Land sein.

Niemand würde versklavt werden, niemand würde grundlos getötet werden. Und natürlich das wichtigste, es würden nicht jedes Jahr 23 Kinder in den Hungerspielen draufgehen.

„Peeta!", entwich es meinen Lippen. „Wo sind die anderen?" Er machte keine Anstalten mir zu antworten und schien völlig neben sich zu stehen.

War er verletzt?

„Alles in Ordnung?", fragte ich und kroch weiter auf ihn zu.

Genau wie ich saß er auf dem wankenden Boden des Hovercrafts. Ich wäre ja aufgestanden, doch die Verletzung an meinem Unterschenkel machte es unmöglich. Hinter mir lag die Luke, durch die ich und Enobaria ins Hovercraft gelangt waren und die, obwohl Enobaria nicht mehr in dem Greifer hing, immer noch offen war.

Komisch, ich hatte gar nicht bemerkt, wie Enobaria aus dem Greifer gehoben wurde. Wo war sie eigentlich? Konnte mir egal sein, sie war bis zum letzten Moment in der Arena meine Feindin gewesen. Selbst wenn sie aus dem Hovercraft gefallen wäre, würde sie mich nicht interessieren.

Also kroch ich auf Peeta zu und winkte mit einer Hand vor seinem Gesicht. Seine Augen fixierten irgendetwas neben mir. Ich runzelte die Stirn.

„Peeta?", fragte ich mit einem zweifelnden Unterton.

Da hörte ich das Klicken einer Schusswaffe, die entsichert wurde.

„Waffen aus dem Hovercraft fallen lassen und mit erhobenen Händen umdrehen", befahl eine tiefe Stimme hinter mir.

Ich brauchte gar nicht hinsehen, um zu wissen, zu wem sie gehörte.

„President Snow", stellte ich fest und machte keinerlei Anstalten, seinen Anweisungen zu folgen. Ich nahm nun auch den unfassbaren Geruch nach Rosen wahr, in den das ganze Hovercraft gehüllt war. Verdammt, das hätte mir eher auffallen müssen.

Meine beiden Äxte blieben auf meinem Rücken wo sie waren und ich drehte mich um. Peeta war immer noch wie zur Salzsäule erstarrt.

„Johanna", flötete der Mann mit weißem Bart, der die Quelle des Rosengestanks war. „Schön dich und Mr. Mellark wiederzusehen."

„Ich freue mich nicht, sie wieder sehen zu müssen, Snow", zischte ich.

Er hatte meine Familie ausgelöscht. Er wollte mich prostituieren. Er sorgte jedes Mal aufs Neue dafür, dass junge Menschen zuhauf in der Arena starben. Dieser Mann war abgrundtief böse. Sogar böse genug um mich nicht einfach umzubringen.

Da ich ein halbwegs funktionsfähiges Gehirn besaß, wusste ich, dass Snow mich nicht einfach so auf sein Hovercraft gebracht hatte.

„Ich habe nichts anderes erwartet", seufzte er und tat so, als wäre er enttäuscht.

„Wo sind die anderen!?", fragte ich. Ich hoffte, dass Finnick und meinetwegen auch Katniss nicht hier im Hovercraft waren.

„Das müsstest du doch eigentlich wissen, liebe Johanna. Ich selbst weiß es nicht. Würdest du es mir verraten?"

Also waren sie nicht hier. Zum Glück. Wahrscheinlich waren sie schon auf dem Weg nach Distrikt 13.

„Wenn ich es wüsste, hätte ich sie vermutlich nicht gefragt", grummelte ich.

„Oh, Johanna, ich bin mir ziemlich sicher, dass du es weißt. Denkst du ich bekomme von euren dreckigen Plänen nichts mit?"

„Welche Pläne meinen sie?", tat ich auf dumm.

„Eure Pläne, meine Herrschaft vorzeitig zu...beenden", sprach er gepresst.

„Hm, davon weiß ich nichts."

„Und wie du es weißt! Ich lese es dir von deinem hinterhältigen Gesicht ab! Also sprich!", brüllte er mich an. Mit jedem Satz kam er näher. Wenn er den Mund öffnete, konnte ich zwischen dem der Rosen, in denen er vermutlich täglich badete, den Geruch von Blut wahrnehmen. Es war eine ekelhafte Kombination, die mir übel werden ließ.

„Ich weiß nicht was sie meinen", blockte ich weiterhin ab und drehte meinen Kopf zur Seite, um seiner Blutfarne zu entgehen.

Daraufhin schlug der Präsident mir ins Gesicht. Er packte mich an den Haaren und zog mich hinter sich her. „Peeta!", schrie ich um mein Leben, doch Peeta saß weiterhin einfach nur da.

Mit einem lauten Rumms landete ich auf dem harten Metallboden und schlitterte mit einem weiteren gegen die harte Wand. Mein Kopf schlug hart auf das Eisen auf und ich verabschiedete mich unfreiwillig in eine Ohnmacht.

Wo war ich? Alles tat mir weh. Allem voran mein Unterschenkel. Ich wollte mir die Hände an die Schläfen legen, doch ich konnte sie nicht bewegen. Genauso wenig wie meine Beine. Ich war festgekettet.

„Eine Zelle", flüsterte ich ungläubig. An der Wand neben mir klebte mein eigenes Blut. Ich wand mich in meinen Fesseln und setzte mich auf. In der Mitte der gegenüberliegenden Wand war ein Gitterfenster eingelassen.

„Aaaaahhh!"

Ein schmerzerfülltes Schreien kam aus dem dahinterliegenden Raum. Ich robbte zum Gitter und setzte mich mit aller Kraft auf. Nun konnte ich durch das Gitter sehen.

Dort stand Peeta an eine Wand gelehnt. Er wurde ausgepeitscht und war gerade ohnmächtig geworden. Die Auspeitschung wurde gestoppt und ihm wurde ein Mittel injiziert, welches ihm anscheinend noch mehr Schmerzen bereitete, denn sein Körper zuckte.

Da blickte der Friedenswächter, der Peeta quälte in meine Richtung. Er ließ von Peeta ab und kam in meine Zelle.

Johanna Mason- Die Rache (Hungergames FF)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant