Die Ankunft

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„Endstation: Münchner Hauptbahnhof.“
Schläfrig öffnete ich meine Augen und zog mir die Kopfhörer vom Kopf.
„Sehr geehrte Fahrgäste, wir danken ihnen, dass sie mit uns gereist sind und bitten sie nun darum, bei der nächsten Haltestelle auszusteigen. Der Zug hält dort.“
Ein Klacken hallte durch die Leitung, dann war es wieder still.
Inzwischen hatte sich eine gewisse Hektik um mich herum ausgebreitet, welche mich jedoch kaum beeindruckte.
In aller Ruhe nahm ich mein Handy langsam von dem Ladekabel, zog dieses aus der Steckdose, die praktischerweise direkt neben meinem Sitz platziert war, und verstaute es in meiner übergroßen Reisetasche, die nur zur Hälfte gefüllt war und welche ich schon auf der Hälfte der Strecke unter meinen Sitz gehievt hatte, damit sie beim großen Gerammel nicht mehr oben in den Taschenhaltern lag.
„Gute Idee, Rick“, lobte ich mich selbst, als mein Blick auf den vollen Gang neben meinem Sitz viel, worauf nun fast alle Fahrgäste standen um sich ihre Taschen zu suchen.
„Sehr gute Idee“, sagte ich grinsend, als der Zug mit einem kurzen Ruck schließlich zum Stillstand kam.
Nun breitete sich auch in mir so etwas ähnliches wie Hektik aus, doch keinesfalls wegen des Zuges oder der Tatsache, dass alle Menschen eilig nach draußen drängten, als die Türen unten geöffnet wurden. Nein, bei mir lag es wohl eher daran, dass zu 101% Prozent eine gewisse Person draußen auf dem Gleis stand, welche ich seit Anbeginn des Jahres nicht mehr gesehen hatte.
Also seit genau einem Monat.
Rasch griff ich nach der Lederjacke die ich, frech wie ich war, zu Anbeginn der Reise auf den Sitz neben mir gelegt hatte, und zog sie mir schnell über.
Hektisch sah ich mich nach meinem schwarzen Cap  um, stülpte es mir schließlich geschickt über meine kurze, schwarze Mähne und strich mir danach noch vereinzelte Türkise Strähnen aus dem Gesicht, bevor ich endlich aufstand und meine Tasche mit dem Fuß auf den Gang schob.
In der Zwischenzeit hatte sich dieser, zum Glück, relativ geleert und nur noch vereinzelte Personen eilten an mir vorbei an die frische Luft.
Mit einem leisen Seufzer auf den Lippen schulterte ich meine Tasche, die trotz des relativ wenigen Inhaltes schwer war, und bewegte mich ächzend auf den Ausgang zu.
Endlich draußen an der frischen Luft wurde ich dann erst einmal von einem heftigem Luftstoß fast umgeworfen, der mit einem leisen Pfeifen über den Überdachten Bahnsteig pfiff, und rettete mich rasch zu den Treppen.
Jedoch bekam ich nicht die Chance um hinunter zu gehen, da plötzlich ein lauter Schrei über den Bahnsteig hallte, der, leider Gottes, wahrscheinlich an mich gerichtet war.
„OH GOTT! RICK! HIEEER BIN ICH!“
Kurz schloss ich die Augen, doch dann drehte ich mich langsam um und sah eine, mir sehr bekannte Person, mit wedelnden Armen auf mich zurennen.
Das alleine verwirrte mich nicht sehr.
Luke und ich hatten uns seit einem Monat nicht mehr gesehen, wir waren seit dem Kindergarten befreundet und hatten schon so einige Veränderungen miteinander durchgestanden, die andere Freundschaften nicht geschafft hatten.
Wir waren eine Herz und eine Seele, auch wenn  das eine oder andere Mal die Fetzen flogen, und oft wurden wir von anderen gefragt, ob wir zusammen wären.
Doch das war ausgeschlossen. Luke war schwul und ich Lesbisch, was also eine Hetero Beziehung vollkommen ausschloss.
Doch jedoch wussten dass natürlich nicht alle.
Luke und ich hatten uns damals darauf geeinigt, dass wir es nicht jedem unter die Nase rieben, schließlich musste nicht jeder über unsere sexuelle Orientierung Bescheid wissen. Klar, gute Freunde von uns wussten es natürlich, doch flüchtige Bekanntschaften im Zug würde ich es niemals erzählen.
Schließlich brauchte es diese ja auch nicht zu interessieren.
Mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht empfing ich Luke mit einer Umarmung und taumelte ein wenig, als sein Muskulöser Körper auf meinen traf, und ordentlich Schwung mitbrachte.
„Endlich bist du wieder da. Ich hab dich unglaublich vermisst.“
Seine Raue, warme Stimme kitzelte an meinem Ohr und ein warmes Kribbeln erfüllte mich.
Wie ich dieses tiefe Band der Freundschaft nur liebte…
„So lange war ich dann auch nicht wieder weg“, erwiderte ich nur, obwohl ich genau wusste, dass ich länger als üblich in meiner alten Heimatstadt gewesen war.
„Doch warst du“, meinte Luke nur, befreite sich wieder von mir und trat ein paar Schritte zurück, um mich zu mustern.
„Türkis steht dir“, meinte er schließlich und ich grinste doof.
„Ich weiß“, meinte ich nur lachend und versuchte mir, meine kurzen Haare überschwänglich nach hinten zu werfen… was natürlich nicht ging.
Einerseits durch die kurzen Haare, anderseits auch wegen dem Cap, welches dabei jedoch fast wegflog, das meiner schwarzen Mähne einiges an Bewegungsfreiheit nahm.
„Boa, man bist du sexy. Wär ich nicht schwul, würde ich dich sofort um ein Date bitten!“
Verblüfft sah ich zu Luke, doch als ich sah wie ‚schwul‘ er dastand, brach ich in lautes Gelächter aus.
Sein Bein war angewinkelt, er hatte seinen Arsch heraus gestreckt und seinen einen Arm erhoben, von wo aus er seine Hand hochnäsig nach oben gereckt hatte.
„Jap, ich hab überhaupt keine Zweifel daran, dass du Schwul bist“, sagte ich kichernd und betatschte ihn kurz an der Schulter.
„Ey! Was willst du den von mir, man ey!“
Ich kicherte vor mich her als ich hörte, wie Luke mit einer absoluten Schwulenstimme mich versuchte dumm anzumachen.
Für die Leute musste es schon komisch aussehen.
Zwei junge Leute standen mitten auf dem Bahnsteig, der Typ hampelte schwul vor sich her und die Frau stand nur lachend und kichernd gegenüber, wobei sie immer noch eine Tasche auf dem Rücken hängen hatte.
„Entschuldigen sie?“
Leicht zuckte ich zusammen als ich die leise, schüchterne Stimme hinter mir hörte.

Forever? (Girlxgirl)Where stories live. Discover now