111. Vergangenheit und Zukunft

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Eragon schraubte sein Tintenfass zu und warf noch einen letzten Blick auf das Dokument welches vor ihm auf dem Tisch lag. Noch einmal überflog er den Text, dann nickte er. Er war zufrieden mit dem Wortlaut nun war es an der Zeit für den offiziellen Teil.
Mit sicherer Hand fand er den Siegellack in den Tiefen seines Schreibtisches, verflüssigte ihn mit einem schnellen Zauber und bestätigte die Echtheit des Dokumentes mit dem Siegel des Reiterordens.
Anschließend zog er einen großen Lederumschlag heran indem sich bereits etliche Dokumente befanden.
Morgen würde dieser Umschlag mit einem der Handelsschiffe auf die Reise nach Alagaesia gehen. Inzwischen nahm praktisch jedes Schiff, dass die Ostmark ansteuerte einen solchen Umschlag mit zurück in die alte Welt.
Es handelte sich um notwendigen Schriftverkehr mit den Herrschern der alten Welt. Der Orden der Drachenreiter hatte mehr und mehr an Bedeutung gewonnen, in allen Bereichen der Gesellschaft. Daraus ergaben sich Verpflichtungen!
Fast wehmütig dachte Eragon an die Zeit als er gemeinsam mit Arya die ersten Schüler unterwiesen hatte. Damals hatte es keine Stadt gegeben, keine Festung und keinen Handel mit den Reichen der alten Welt. Nur ihn, seine Gefährtin und ein paar Hütten.
Eragon ließ vor seinem Geistigen Auge vorbeiziehen wie sich alles entwickelt hatte:
Es war nach Shruikans Angriff gewesen. Einige Urgals, Verwandte von Tar hatten für sich um das Recht gebeten in den Osten übersiedeln zu dürfen. Einige menschliche Familien hatten den selben Wunsch geäußert. Hauptsächlich handelte es sich um Familien aus Surda. Orrins dunkles Bündnis mit Shruikan hatte Opfer gefordert. Hunderte waren unter fadenscheinigen Anschuldigungen nach Vreongard geschafft worden. Die Familien dieser Unglücklichen sahen keine Zukunft mehr für sich in Surda. Ihr Vertrauen in die Obrigkeit des Landes war erschüttert . Wie hätte Eragon sie abweisen können?
Da bereits Elfen im Osten lebten und nun auch die anderen Völker dorthin strebten wollten auch die Zwerge nicht hinten anstehen. So waren schließlich Pläne für die Reiterstadt entstanden.
Als diese Pläne mehr und mehr Gestallt gewannen äußerten die Seelenhorte der alten Drachen jedoch Bedenken. Sie sagten, dass es nicht gut sei wenn die Siedler und junge, noch unfertig ausgebildete Reiter zu eng zusammenlebten.
Eragon hatte ihnen recht geben müssen. Was die jungen Reiter erlernten war aufregend und zu schnell verplapperte sich ein halbstarker Novize.
Sicher hätte man den Schülern Schwüre in der alten Sprache abnehmen können aber der Gedanke gefiel Eragon nicht. Er wollte Seelen nicht in ketten legen sondern seien Schülern beibringen die Tragweite ihrer Handlungen zu begreifen und selbst Verantwortung zu tragen.
Die Antwort war einfach: Die Festung Mon'ranr.
Ursprünglich hatte Eragon nur ein kleines Bollwerk im Sinn gehabt. Sein erster Entwurf glich sehr dem, was heute die Kaserne der Krieger der Drachen sind. Umaroth und die anderen hatten ihn überzeugt in etwas größeren Dimensionen zu denken.
Zunächst hatte Eragon erschreckt was die alten Drachen vorschlugen. Er hatte argumentiert, dass sie doch gar nicht so viel Platz bräuchten. Er wolle sich nicht selbst ein protziges Denkmal setzen während andere hungerten.
Glaedr hatte mit fast väterlichem Stolz auf seinen ehemaligen Schüler reagiert und ihm erklärt, dass es darum nicht ginge. Der Orden würde weiter wachsen. Das war so sicher wie der Sonnenaufgang am nächsten Tag. Es wäre doch ebenso eine Verschwendung alle fünf Jahre eine neue Burg in Auftrag zu geben weil die alte zu klein geworden sei! Außerdem: Ein beeindruckendes Gebäude am Ufer des Sees würde von der eher unscheinbaren Ratsinsel ablenken und damit dem Eldunarí dort zusätzliche Sicherheit geben.
Ein schlagendes Argument, wie Eragon fand.
Das übrige Wachstum des Ordens war durch die neuen Mitglieder und die Herausforderungen von statten gegangen die die Zeit an die Drachenreiter gestellt hatte.
Und nun stand der ehemalige Bauernjunge aus Carvahall in ständigem Kontakt mit allen gekrönten Häuptern! Der Gedanke amüsierte Eragon.
Wer hätte gedacht, dass er eines Tages ein Dokument aufsetzen würde wie das, welches er gerade in der Hand hielt.
Narie und Marek, die zu seinen ersten Schülern gezählt hatten, schrieben inzwischen ihre eigene Legende. Sie waren zu den Entdeckern des Ordens gereift.
Mit großer Begeisterung hatte es die beiden in die weiten, unerforschten Gebiete gezogen. Im Süden hatten sie schließlich fruchtbares Land entdeckt. Fremdartige Pflanzen brachten dort wundersame Früchte hervor. Sie hatten Proben mitgebracht und nun war der Plan gefasst worden eine Kolonie zu errichten die unter dem Schutz der Drachenreiter stehen sollte. Lange hatte der Rat darüber beraten. Vieles hatten geplant und organisiert werden müssen, doch nun war es soweit: Der Aufruf an die Völker konnte erfolgen!
Eben dieses Dokument hatte Eragon gerade verfasst. Sein Aufruf würde nun mit dem Segen der Herrscher in ganz Alagaesia verkündet werden.
Noch Einmal schüttelte er ungläubig den Kopf. Wer hätte das gedacht!
Als er den Aufruf schließlich in den Reiseumschlag schob und diesen verschloss Klopfte es an der Tür zu seinem Arbeitszimmer. Er blickte auf und verlor sich sofort in dem grünen Ozean den zwei wohlbekannte Augen bildeten.
Zwei Atemzüge lang genoss er einfach nur den Anblick, dann fragte er mit einem leisen Seufzen in der Stimme: "Was bedrückt dich mein Stern?"
Ein verräterisches Zucken umspielte Aryas Lippen als sie um den Schreibtisch herumkam und lautlos und geschmeidig auf Eragons Schoß platz nahm.
Saphiras Reiter liebte diese kostbaren Augenblicke. Jene Momente in denen es nur ihn gab und die wunderschöne Elfe die er sanft an sich zog.
Pflichtbewusstsein war Arya heilig. In der Öffentlichkeit legte sie stets wert auf ein würdevolles Auftreten. Sie war niemand mit dem man kichernd, Hand in Hand über den Marktplatz schlendern konnte. Er war der Arget Un, sie war seine Stellvertreterin. Stets achtete sie darauf, dass ihr Verhalten die Würde dieser Positionen nicht gefährdete.
In Augenblicken wie diesen jedoch waren sie sich nahe. Da gab es keinen Orden, keine Pflichten sondern nur sie und ihn.
"Du siehst mich einen Wimpernschlag an und weißt, dass mich etwas bedrückt?"
"Du klopfst nur an, wenn du mein Arbeitszimmer betrittst wenn es etwas offizielles ist." erklärte Eragon schmunzelnd.
Auch Arya gestattete sich ein Lächeln, dann wurde sie ernst.
"Es geht um Darus und Harkor."
Eragon nickte und machte seiner Gefährtin so klar, dass er zuhörte und ihre Worte ernst nahm.
"Ich habe mit Naja gesprochen. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht unsere "Gäste" im Auge zu behalten- Die beiden versuchen Unfrieden unter den Reitern zu stiften."
"Inwieweit?" erkundigte sich Eragon.
Arya legte kurz den Kopf in den Nacken und suchte nach den richtigen Worten.
"Er legt kein großes Feuer. Sondern viele kleine. Erzählt jungen menschlichen Reitern von den Hornjagden und dem Ruhm die sie mit sich brachten. Oder, Ishaha zum Beispiel, der Reiter von Joto?"
"Ich weiß wen du meinst." bekräftigte Eragon.
"Nun, Ishaha ist ein Wüstennomade. Darus hat ihm erzählt, dass der alte Orden einmal den Plan hatte die Wüste Hadarrac in einen blühenden Garten zu verwandeln! Sie hätten auch die Technologie und die notwendige Macht gehabt, aber die Elfen hätten das verhindert. Angeblich seien Sie stets darauf bedacht die anderen Völker klein zu halten. Ein Verhalten, dass sie auch dem Orden aufdiktieren würden. Eragon, dass ist einfach nicht wahr. Ja, es hat damals Pläne für ein Kanalsystem gegeben, das teile der Wüste für den Ackerbau nutzbar gemacht hätte. Aber...."
"Aber sie wurden verworfen. Aus gutem Grund!" unterbrach Eragon." Kanäle erschaffen kein Wasser! Leitet man es von einem Ort weg macht man vielleicht einen Teil einer Wüste urbar aber dafür wird dieser andere Ort zur Wüste. Außerdem ist der Boden in der Wüste nicht geeignet für denn Ackerbau! Die oberste Bodenschicht ist zu dünn. Der Boden laugt aus! Das hat man den Nomaden auch erklärt und der Orden hat ihnen statt dessen den Weg zu den reichen Erzvorkommen der Wüste gezeigt. Das weiß Ischaha aber auch. Er gibt doch nichts auf dieses Geschwätz oder?"
Arya schüttelte den Kopf.
"Zum Glück nicht. Er wurde gut von uns ausgebildet und kennt die Geschichte."
Eragon überlegte kurz.
"Darus und Harkor testen uns. Wie bei einem Schwertkampf. Man greift nicht sofort an sondern studiert den Gegner erst. Testet seine Verteidigung mit schnellen Schlägen bevor man wirklich angreift."
Arya nickte stumm dann sagte sie:
"Noch ist das kein Grund zur Sorge aber auf die Dauer. Niemand ist vollkommen Eragon, auch wir nicht. Die beiden werden Schwächen finden und sie ausnutzen."
"Ich wünschte ich wüsste was wir tun können mein Stern." murmelte Eragon. "Wir können den Beiden ja nicht den Mund verbieten. Auch können wir die Mitglieder des Ordens nicht zwingen die Dinge auf unsere Art zu sehen. Wir müssen wohl einfach Vertrauen haben. Vertrauen in die Reiter die wir ausgebildet haben und Vertrauen in das was wir aufgebaut haben. Handeln wir anders spielen wir Darus und Harkor letztlich in die Hände."
"Wir müssen sie aber beobachten!" beharrte Arya. "Wir müssen verfolgen wohin ihre Schläge zielen."





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