1 | Let's begin at the beginning

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„Fuck!", fluchte Marlon, als es genau jetzt an der Tür klingelte. Hilflos hob er seine pechschwarzen, gummibehandschuhten Hände nach oben und stand umständlich auf. Wer klingelte bitte um diese Zeit? Es war Dienstagmittag!

Entnervt ging er zu seiner Wohnungstür und versuchte ächzend, die Klinke mit dem Ellbogen zu betätigen. Wieder klingelte es.
„Jaa!", schrie Marlon genervt. „Ich bin doch schon da, verdammt."
Beim vierten Versuch zog er die Tür nun mühevoll mit dem Ellbogen auf und verzog schmerzvoll sein Gesicht. Der blaue Fleck war ihm jetzt schon garantiert, das konnte er fühlen.

Vor seiner Tür stand Gott. Oder Jesus. Oder dieser andere Typ. Wie hieß er doch? Amor? Nein, der andere. Adonis.
Verdattert starrte Marlon den göttlichen Schönling mit seinen chaotischen dunklen Haaren in seiner abgewetzten Jeans und dem verdreckten schwarzen T-Shirt an und fragte sich, warum das Schicksal ihn so hasste. Er selbst sah sonst auch nicht schlecht aus, aber in diesem Moment trug er eine lila Jogginghose aus diesem rascheligen Polyesterstoff, wie man sie nur in schlechten Musikvideos aus den 80ern kennt, dazu ein altes Band T-Shirt der Backstreet Boys und ein Haarband, das seine sonst nach oben gestylten Haare aus seinem Gesicht hielt.

Adonis hob amüsiert eine Augenbraue, musterte ihn von oben bis unten und sagte dann: „Wir stellen jetzt mal das Wasser ab."
„Was?", krächzte Marlon.
„Das Wasser wird abgestellt. Die nächsten drei Stunden mal bitte nicht duschen oder aufs Klo gehen, Waschmaschine anstellen, Aquarium reinigen-"
„Das geht nicht!", unterbrach Marlon ihn entsetzt.
Adonis hob nun beide Augenbrauen und erwiderte langsam, als würde er mit jemandem sprechen, der beim Thema Intelligenz nur Zuschauer ist: „Doch. Wir drehen einen Hahn zu und dann ist das Wasser weg."

„Aber ich bin mitten in-", plusterte sich Marlon auf.
„Einer Sache?", ging Adonis nun dazwischen und zeigte amüsiert auf seine schwarzen Handschuhe. „Das sehe ich. Sie haben noch etwa fünf Minuten, also husch husch!"
Damit drehte er sich um und flitzte die Treppen hinunter, bevor Marlon auch nur irgendetwas zu seiner Verteidigung sagen konnte.

Vollkommen perplex nach Luft schnappend stand Marlon einige Augenblicke da, bevor er aus seiner Starre erwachte und panisch ins Badezimmer zurücklief. Er sah sich das ganze Ausmaß des Chaos an und überlegte fieberhaft, wie er in fünf Minuten so viel Wasser zusammenbekommen sollte, dass seine gesamte Arbeit nicht umsonst gewesen war.

In Windeseile rannte er in die Küche, suchte sämtliche Eimer, die er finden konnte und musste feststellen - er besaß nur einen. Welcher normale Mensch besitzt auch mehr als einen Eimer? Schnell stellte er ihn in die Spüle und drehte das Wasser auf. Während der rote Eimer sich füllte, flitzte er ins Schlafzimmer, packte seine giftgrüne Gießkanne vom Fensterbrett und rannte in die Küche, um auch diese zu befüllen.

Zuletzt suchte er sogar noch Salatschüsseln - auch davon hatte er nur zwei - und Kochtöpfe hervor, sodass seine Küche sich allmählich mit wasserbefüllten Behältern füllte. Gerade, als er sogar noch eine Thermoskanne fand und den Hahn erneut aufdrehte, versiegte die Flüssigkeit mit einem blubbernden Geräusch aus dem Hahn und Marlon stöhnte leidig auf.

~*~*~

„Und? Wieviele hast du unter der Dusche hervorgeholt?", lachte Rick, als Liam wieder in den Keller kam. Dieser rollte mit den Augen und winkte ab. „Nur eine zum Glück!"
„Und? Was Heißes dabei?", frotzelte Rick und begann, den Wasserfilter der Hauptleitung abzuschrauben.

„Äh", brummte Liam. „Wenn du auf Ü60 und UHus stehst, dann ja. Alternativ könnte ich dir noch einen Massenmörder mit lila Jogginghose und Backstreet Boys-Shirt anbieten."
Rick hob verblüfft seine Augenbrauen und nickte kurz mit dem Kopf, damit Liam den bereitgestellten Eimer unter den Filter halten konnte.

„Viele Fragen", ächzte Rick, während er den Filter mühevoll entfernte.
„Welche Wohnungen? Ob sie Interesse hätten?", witzelte Liam und hielt den Eimer weiter fest, um das kontinuierlich weiterlaufende Wasser aufzufangen.
„Eher, was ein UHu ist und.. fuck!", fluchte Rick.
„Rick?", fragte der große Dunkelhaarige. „Hast du das Wasser auch für hier unten abgedreht?"

In Windeseile drehte Rick an dem Rad der Hauptleitung, während Liam verzweifelt versuchte, mit dem Fuß nach einem weiteren Eimer zu angeln. Der Behälter in seinen Händen wurde sekündlich schwerer und das Wasser darin schwappte gefährlich hin und her.
Gerade als er den zweiten Eimer mit seiner Fußspitze erwischte, rutschte der in seinen Händen aus seinen feuchten Fingern und fiel polternd zu Boden, so dass beide Männer eine unfreiwillige Dusche abbekamen und auch das Kellerabteil, in dem sie sich befanden unverhofft geflutet wurde.

*~*~*

„Was ist denn jetzt schon wieder?!", schrie Marlon genervt. Er war den Tränen nahe, denn natürlich reichte das Wasser, das er zuvor gesammelt hatte, nicht ansatzweise aus. Seine ganze Arbeit war hinüber. Wütend stapfte er zu seiner Wohnungstür, an der es wieder geklingelt hatte. Schwungvoll riss er sie auf und schrie: „Was?!"

Adonis stand wieder davor und dieses Mal wollte das Universum Marlons letzten Funken Verstand offenbar verpuffen lassen, denn Adonis war.. feucht. Oder nass vielmehr. Marlon dankte still sämtlichen Göttern, die ihm einfielen, dass Adonis ein schwarzes und nicht noch ein weißes T-Shirt trug, aber auch so konnte er durch den durchtränkten Stoff dessen wohldefinierten Oberkörper und sogar seine harten Nippel sehen. Dass seine vorher zerzausten Haare nun tropfend in seine Stirn hingen, verbesserte die Situation ganz und gar nicht für Marlon.

„Hi", brummte der Schönling. „Ich bräuchte mal einen Schrubber."
Oh, dir helfe ich gern beim Schrubben, dachte Marlon und riss verdattert die Augen auf, als Adonis antwortete: „Oh super, wir sind im Keller. Und schnell wäre gut, sonst haben wir gleich ein Problem wegen der Elektrik."
Offenbar hatte Marlon laut gedacht. Ehe er seine unbedachte Aussage revidieren konnte, war der nasse Mann schon wieder die Treppen hinuntergesprungen.

Das durfte doch alles nicht wahr sein!

Wütend kaute Marlon auf seiner Unterlippe. Er hatte keine Zeit zum Putzen. Er hasste Putzen! Er hatte sogar eine Putzfrau, die einmal die Woche kam, weil er Putzen hasste! Und jetzt sollte er den Dreck von anderen wegmachen? Und wo war überhaupt dieser Scheißschrubber?

*~*~*

„Wo ist der Schrubber?", fragte Rick, der vollkommen sinnlos versuchte, das Wasser mit den Händen in den Eimer zurückzubefördern.
„Bringt der Massenmörder gleich", erwidere Liam atemlos und zog sich kurzerhand sein T-Shirt über den Kopf, um damit das Wasser wie mit einem Lappen vom Boden aufzunehmen und in den Eimer zu wringen.
„Wir sind in der Scheiße und du holst einen Massenmörder?", kreischte Rick schon fast. „Was ist mit dem UHu?"
„Die hätte nicht mal durch den Kellereingang gepasst, jetzt hilf lieber!", pampte Liam ihn an.

Rick tat es ihm gleich und benutzte nun ebenfalls sein T-Shirt als Wischlappen. „Sag das bloß nicht dem Boss", murmelte er und Liam schüttelte verschwörerisch den Kopf.
In dem Moment kam ein sichtlich genervter Mann in lila Jogginghosen, Backstreet Boys T-Shirt und schwarzbefleckten Gummihandschuhen, die einen Schrubber hielten, in den Keller und starrte die beiden halbnackten Männer an.

„Backstreet's back, alright", sang Rick leise.

Wechselreiz | ✓Where stories live. Discover now