[7.] »Dancing Queen«

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Das unschöne Geräusch seines Weckers riss Louis aus dem Traum, in dem er bis gerade eben noch verweilt hatte. Er träumte von Jay, von der Busfahrt, die sie zusammen hatten, wie er seinen Kopfhörer mit ihm teilen durfte, wie er ihn nach Hause begleitet hatte. Nichts weiter. Und trotzdem wollte Louis am liebsten gar nicht aufwachen. Geschweige denn aufstehen.

Er drückte auf das orange leuchtenden "Ausschalten"-Feld auf seinem Handydisplay, worauf das Gerät verstummte.
Grummelnd richtete er seinen Blick auf die rote Uhr auf seinem Nachschrank.-10:30 Uhr.
Unzufrieden drehte er sich noch einmal um und zog sich seine Decke über den Kopf.
Ehe er jedoch überhaupt seine Augen schließen konnte, hörte er, wie es gedämpft an seiner Tür klopfte. Ohne auf eine Antwort zu warten, betrat Josephine das Zimmer.

„Du weißt, dass es schon halb elf ist, oder?", fuhr sie ihn an. „Ich hatte eigentlich geplant mit dir schön zu frühstücken, bevor ich auf Arbeit gehe"
Louis streifte sich die Decke langsam von seinem Kopf. Die Augen kniff er leicht zusammen, seinem Mund entwischte ein leises Gähnen.
„Gib mir fünf Minuten, okay?", antwortete er in seiner grummligen Morgenstimme.
Die Brünette seufzte leise, nickte dann jedoch einverstanden und verließ das Zimmer ihres Bruders wieder.

Widerwillig richtete sich der Junge auf, ehe er sich sein Handy nahm und an diesem seine folgenden Wecker ausstellte.
Auf seinem Nachschrank lag noch immer der Schokoriegel, den er gestern von Jay bekommen hatte. Aus irgendeinem Grund, konnte sich Louis nicht dazu überwinden, ihn zu essen. Für ihn war er, so dumm das auch sein mag, besonders.
Ihn einfach so zu essen, gefiel ihm nicht.

Louis streckte sich ausgiebig und sprang anschließend von seinem Bett, um sich aus seinem Schrank neue Klamotten zu holen.
Als er diese dann auch angezogen hatte, putzte er sich im Bad die Zähne, ging sich mit dem Kamm grob durch sein rotes Haar und tapste, als er mit all dem fertig war, hinunter in die Küche.
Dort fand er einen bereits gedeckten Frühstückstisch vor, im Hintergrund trällerte das alte Radio, was die Geschwister bei ihrem Einzug vor ein paar Wochen von Josephine's bester Freundin geschenkt bekommen hatten.
Louis setzte sich zu seiner Schwester an den Tisch, die ihn daraufhin breit anlächelte und ihm den Korb mit warmen Brötchen reichte.
„Und? Gibt es schon was Neues von deinem Jay?"

Josephine war jemand, der sehr hartnäckig bleiben konnte. Sie war unglaublich neugierig und hasste es, wenn ihr Bruder etwas vor ihr verheimlichte.
Gestern Abend war es also nur eine Frage der Zeit, ehe Louis ihr von Jay erzählt hatte. Er erzählte von dem Vorfall auf der Toilette, das Gespräch im Bus und der Nummer, die er von dem Jungen bekommen hatte.

„Was soll es da denn Neues geben?"
Louis zuckte mit seinen Schultern, sein Blick war auf das Marmeladenbrötchen in seiner Hand gerichtet.
„Na, ob er dir vielleicht mal zurückgeschrieben hat?"
Der Blick des Rothaarigen hob sich zu seiner Schwester. „Ich hab ihn ja noch nicht einmal angeschrieben", antwortete er murmelnd.
„Was?", verließ es darauf verständnislos die Lippen seines Gegenübers. „Aber worauf wartest du denn?"
„I-Ich weiß ja nicht mal, wie ich ihn überhaupt anschreiben soll..."
Josephine nickte kaum merklich und hielt einen kurzen Moment inne. „Du... brauchst irgendwas Persönliches,... irgendwas, woran er sofort erkennt, dass du es bist. Einfach "Hey" zu schreiben, ist viel zu langweilig. Es muss was sein, was ihn dich nicht vergessen lässt"
Louis richtete seinen Blick grübelnd auf seinen Teller.

Etwas Persönliches?
Er kannte Jay ja gerade mal seit gestern.
Und wie konnte er wissen, was das Richtige war?
Vielleicht schrieb er ihn ja an und Jay wusste nicht, dass Louis es war. Vielleicht hatte er es vergessen.
Oder noch schlimmer: Vielleicht wusste Jay, dass er es war und ihm gefiel die Nachricht aber nicht oder er fand sie komisch.
„Na komm schon", spornte ihn seine Schwester an, als sie sein Grübeln bemerkte.
„Von was hat er dir so erzählt?"
Louis sah wieder hinauf, erwiderte den Blick seiner Schwester. „Er...", wollte er beginnen, hielt dann jedoch noch einmal inne.
„Er mag Abba", sagte er.
„Und gestern im Bus... da haben wir auch Abba gehört...", erzählte er zögerlich.
„Denkst du, ich könnte ihm vielleicht die Lyrics von seinem Lieblingslied schicken? Er... hat's mir gestern gezeigt. Oder... ist das komisch?"
Josephine nickte schmunzelnd.
„Das hört sich ganz gut an"

Sofort holte der Rothaarige sein Handy aus seiner Hosentasche. Die Nummer hatte er gestern schon eingetippt, weshalb er sofort in den Chatverlauf der beiden hinein konnte.
Louis konnte das Lied "Dancing Queen" recht gut, außerdem hatte er es sich gestern sogar noch einmal angehört.
Leise summend, sodass er ja keine Textstelle verdrehte, tippte er den Refrain ein.
Als er fertig war, zögerte er jedoch wieder.
War das auch wirklich nicht zu kitschig?
Wusste Jay wirklich, dass Louis es war, der ihn da anschrieb?

Josephine seufzte, lehnte sich rasch über den Tisch, um sich sein Handy zu schnappen und klickte anschließend auf die Taste zum Senden.
„Hey!", protestierte Louis sofort, allerdings war er eigentlich erleichtert, dass sie ihm geholfen hatte.
Wer weiß, ob er am Ende die Nachricht überhaupt abgesendet hätte.

Die Brünette legte das Handy wieder vor den Jungen. „Was jetzt?", fragte dieser und starrte zu dem noch immer geöffneten Chatverlauf.
Josephine kicherte kurz.
„Warten", antwortete sie nur.
Louis nickte und schaltete das Handy aus.
„Wie lange?", fragte er, den Blick wieder zu seiner Schwester gerichtet. „Na, bis er antwortet"
Wieder begann sie zu lachen.
Unzufrieden ließ Louis ein Grummeln von sich.
Ehe er sich jedoch darüber beschweren konnte, vibrierte sein Handy.
Rasch schnappte er es sich und schaltete es an.

„Sehr kreativ", las er die Antwort von Jay laut vor.
Ein Lächeln zuckte auf die Lippen des Rothaarigen.
„Und gut gemerkt", hieß es in der zweiten Nachricht.
Stolz sah er hinauf zu seiner Schwester. Diese lächelte ebenfalls breit und nickte ihm anerkennend zu. „Da ist Mike, richtig? Wegen dem Stoff?", las Louis wieder vor, wobei sich seine Stirn runzelte und sein Lächeln verschwand.
„Was?", sagte er verwirrt und sah Hilfe suchend zu seiner Schwester. „Stoff? I-Ich will kein Stoff!" Er schüttelte seinen Kopf.
„Sicher, dass das die richtige Nummer ist?", fragte Josephine. Auch ihr Lächeln hatte wieder abgenommen.
„Viel zu sicher! I-Ich hab die bestimmt fünf mal überprüft, bevor ich sie bestätigt hab..."
Louis kratzte sich unsicher an seinem Hinterkopf.

„Eigentlich nicht... Bist du Jay? Hier ist Louis", schrieb er der Nummer zurück, wobei er sich unruhig auf seine Unterlippe biss.
Es dauerte einen Moment, ehe eine Antwort zurück kam, wobei Louis kurz schon mit der ganzen Sache abgeschlossen hatte. Sein Bein wippte unruhig auf und ab, den Blick wie paralysiert auf das Handy gerichtet.

„Ich weiß, tut mir leid, das war Noah's Schuld", bekam er dann jedoch zurückgeschrieben.
„Hier ist Jay. Ich bin gerade mit der Gruppe von gestern zusammen und die hatten mein Handy"

Erleichtert ließ Louis ein Seufzen von sich, sein Gegenüber begann wiederholt zu lachen.
Der Rothaarige sah zu seiner Schwester.
„Sei bloß leise", murmelte er, wurde jedoch kurz darauf ebenfalls mit einem kleinen Grinsen von ihr angesteckt.
„Die wollen dich gern nochmal sehen. (Falls wir dich gestern nicht zu sehr abgeschreckt haben.) Hast du heute Zeit, um was zu machen?
Ich würde mich darüber übrigens auch freuen.. :)"

Louis hielt kurz inne. Die wollen ihn wirklich nochmal sehen? Freiwillig? Nachdem er gestern diesen Zusammenbruch vor ihnen allen gehabt hatte? „Die... wollen sich mit mir treffen?", teilte er seine Gedanken mit seiner Schwester, die grinsend ihre Augenbrauen in die Luft hob.
„Und das ist schlecht weil?", fragte sie kopfschüttelnd. „Die wollen dich kennenlernen, Louis. Und Jay übrigens auch"
Wieder grinste sie ihren Bruder an.
„Wenn du das ablehnst, wirst du es bereuen. Außerdem hockst du sowieso den ganzen Tag hier nur rum. Also schreib ihm, dass du kommst. Ganz egal, wohin"
Louis seufzte, nickte dann jedoch.
„Du... hast ja recht", gab er murmelnd von sich.
Er griff wieder zu seinem Handy.

„Bin dabei. Wann muss ich wo sein?", schrieb Louis Jay zurück. Wieder musste er ein paar Minuten warten, ehe er eine Antwort bekam. Als sein Handy vibrierte, begann er jedoch zu lächeln.

„Wir holen dich um zwei ab, bis nachher"

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