KAPITEL VI | Mission: Nadel im Heuhaufen

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Skalli traf sich nach dem Mittagessen im Büro von Rieka mit den Van Loons. Die ehemalige Königin saß auf ihrem Stuhl an einem kleinen Tisch in der Ecke. Ihr gegenüber saß Vanessa. Die Tochter sah ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten aus. Sie beide hatten dunkelbraune Augen, die immer so undurchschaubar wirkten und im Gegensatz dazu auffällig blondes Haar mit leichten Wellen. Riekas Haare waren jedoch schon zum Großteil ergraut, nur noch an einzelnen Strähnen konnte man ihre einst blonde Pracht erkennen. Aber dennoch, die beiden waren sich so ähnlich. Sie hatten sogar die gleiche, schmale Nase.

Skalli ließ sich auf einem dritten Stuhl am Tisch nieder und legte dann Ginas Fundsache auf die Mitte der Holzplatte. „Das hat Keniston an der Oberwelt am Fluss gefunden. Es wurde aus dem Gebirge angespült", kam er gleich zur Sache.

Die Van Loons wechselten erschrockene Blicke.

Ehe einer von ihnen etwas sagen konnte, fuhr Skalli fort: „Solche Waffen tragen unsere Soldaten nicht. Es muss einem Fremden gehören, der in den Bergen lebt und somit sind die Mitglieder unseres Erkundungstrupps nicht mehr die Hauptverdächtigen für das Verschwinden der Karte."

„Ich verstehe, dass du deine Kameraden verteidigen möchtest, Lecon", erhob Rieka ihre Stimme. Nach all den Monaten sträubten sich bei Skalli immer noch alle Haare, wenn er mit diesem Namen angesprochen wurde, aber die Van Loons wollten partout nicht seinen ihm selbst gegebenen Namen anerkennen. „Aber glaubst du wirklich, dass es realistisch ist, dass da draußen jemand lebt?"

„Wieso nicht?", entgegnete er unbekümmert. „Ich habe dort draußen vier Jahre gelebt. Wieso sollte es nicht ein anderer vor mir bereits geschafft haben und es sich in den Bergen gemütlich gemacht haben?"

Die beiden Frauen schwiegen daraufhin für einen Moment, um über seine Worte nachzudenken. Erst nach einer ganzen Weile sinnlos verstrichener Lebenszeit durchbrach Vanessa endlich die Mauer der Stille und fragte an ihn gerichtet: „Bist du dir ganz sicher, dass deine Leute nicht die Karte gestohlen haben, so wie Mulder es vermutet hat?"

„Ich bin mir sehr sicher. Welchen Grund sollten sie auch dafür haben?"

„Welchen Grund sollte Mulder haben, uns anzulügen?", konterte Vanessa.

„Nun, er hat nur eine Vermutung geäußert. Er war sich nie sicher. Ich hingegen bin mir sehr sicher", entgegnete Skalli, wobei er sich demonstrativ in seinem Stuhl zurücklehnte, um so gelassen wie nur möglich zu wirken. „Wir sollten Mares, Dimer und Eggleston nicht wegsperren. Sie sollten mit dem Rest des Trupps lieber nach richtigen Beweisen suchen, sonst führt das hier zu nichts. Unvollständig kann der Trupp nicht weiterarbeiten und an Informationen bezüglich des Verschwindens der Karte gelangen wir so auch nicht."

„Wieso schicken wir nicht einen anderen Trupp. Freyning hat viele Männer und Frauen", kommentierte Vanessa.

„Sie können sich alle nicht verwandeln und haben keine Ahnung, was an der Oberwelt vor sich geht. Ich wette, sie werden keinen Tag da oben überleben, wie viel schätzt ihr?" Er warf den beiden einen provokanten Blick zu. Sie würden es niemals wagen, sein Urteil bezüglich der Oberwelt anzuzweifeln, das wusste er. Deshalb war es nun auch etwas gemein von ihm, sie so herauszufordern, aber er musste in diesem Fall einfach seinen Willen durchsetzen. Mares musste mit den anderen zurück an die Oberwelt und herausfinden, was zur Hölle vor sich ging. Ansonsten würden sie nie eine Antwort erhalten.

„Gut", sprach Rieka endlich nach einer schier endlosen Ewigkeit, in der sie Skalli nur kalkulierend angestarrt hatte. „Nehmen wir an, es war ein Fremder, der die Karte genommen hat. Was würde die Person damit wollen?"

Kurz grübelte Skalli, dann antwortete er: „Wenn diese Person es auf unsere Baupläne abgesehen hat, können wir davon ausgehen, dass sie unsere Stadt angreifen will oder zumindest verhindern möchte, dass wir uns bis an die Oberwelt ausbreiten."

Dragontale - Etappe IIWhere stories live. Discover now