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Als sie im Krankenhaus ankamen, wurde Hope sofort in den OP-Saal gebracht. Rea musste warten. Und das tat er auch. Zwei Stunden saß er völlig sinnbefreit im Flur des Krankenhauses, neben der Tür zum OP-Saal und tat nichts. Er saß dort, hatte den Kopf an die Wand hinter sich gelehnt und beobachtete die Wand vor sich. Nicht das dort etwas besonders spannendes gewesen wäre, es war einfach eine weiße Wand, aber etwas besseres, als diese zu beobachten, hatte er gerade nicht zu tun.
Als die Türe nach zwei Stunden dann endlich aufging, richtete Rea sich sofort auf und blickte zu der Tür. Doch zu seinem verdruss kam nur ein Arzthelfer heraus. "Mr Garvey, es dauert nicht mehr lange. Ich würde sie bitten, auf das Zimmer zu gehen, in das ihre Tochter verlegt wird." forderte er ihn auf und deutete den Gang entlang. Rea nickte schweigend und folgte dem jungen Mann. "Darf ich fragen, wie es ihr geht?" fragte er nach einer Weile mit tonloser Stimme. Der junge Mann drehte sich zu ihm und nickte. "Natürlich. Aber sie sollten sich das vom Doktor erklären lassen. Ich kann ihnen nur sagen, dass ihre Tochter wieder gesund wird." - "Okay. Danke." murmelte Rea und der Arzthelfer öffnete eine Türe. Mit einer Handbewegung forderte er den Musiker auf, das Zimmer zu betreten. Rea kam dieser Bitte natürlich nach und ging in das Zimmer, wo er sich sogleich auf einen der ungemütlichen Stühle sinken ließ. Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, verschwand der Arzthelfer wieder, doch Rea bekam das gar nicht mehr mit. Zu tief war er schon wieder in Gedanken versunken. Er erinnerte sich an den 34. Geburtstag seines drei Jahre jüngeren Bruders. Hope war damals vier Jahre alt gewesen... Wie Rea dort so saß, den Blick starr aus dem Fenster gerichtet, schien die Vergangenheit ihn wie eine kalte Hand wieder einzuholen. Alles spielte sich erneut vor seinem inneren Auge ab:

Es war ein wundervoller Juli Mittag und alle hatten sich an der Ruine eingefunden; Papa Garvey mit seiner Frau, Rea, der zu dem Zeitpunkt schon mit Doreen verheiratet war, Cadan mit Hope und Olivia. Sie feierten den Geburtstag von Cadan und es war ein wunderbarer Tag. Alles war friedlich. Für Hope hatten ihre Großeltern ein Schaukelpferdchen mitgebracht und seit inzwischen einer Stunde ritt sie mit >Sternschnuppe< durch die Prärie. Während alle sich an dem großen Tisch unterhielten, war Hope etwas abseits und schaukelte auf dem Pferdchen.
Nach einer Weile wurden Rea die Gespräche über das Essen für das Sommerfest zu viel, und er erhob sich. "Entschuldigt mich. Ich gehe mir ein wenig die Beine vertreten." sagte er, nickte der kleinen Festgesellschaft zu und ging in die Richtung des kleinen Mädchens. Als er neben ihr zum stehen kam, sah das kleine Mädchen auf und brachte das Pferdchen zum Stehen. "Hohh, Sternschnuppe. Ruhig. Das ist doch nur Onkel Rea." flüsterte sie dem Holztier ins Ohr und ein Lächeln schlich sich auf Reas Gesicht. "Wenn ich Sternschnuppe zu sehr beunruhige, dann gehe ich wieder." schmunzelte er doch Hope schüttelte den Kopf. "Nein, nein. Sternschnuppe muss sich daran gewöhnen, mit Menschen irgendwo zu sein." sagte sie todernst und Rea nickte verständnisvoll. Er kniete sich neben das Pferd und sah Hope aufmerksam an. Er fand es verwunderlich, wie viel Fantasie in diesem kleinen Köpfchen steckte. Es war sehr inspirierend. "Ich bin ein Cowgirl und Sternschnuppe ist mein Einhorn, mit dem ich die Kühe beisammen halte." erklärte Hope wichtig und ihr Onkel nickte interessiert. "Rea!! Wir brauchen einmal deine qualifizierte Meinung zum Essen!" rief Cadan und Rea erhob sich wieder. Doch ehe er sich umdrehte, blickte er noch einmal zu seiner kleinen Nichte. "Reite mit Sternschnuppe aber nicht zu weit weg. Ich habe gehört, es gibt zum Abendessen Pommes und Chicken Nuggets." zwinkerte er und die Augen des Mädchens fingen an zu leuchten. Dann drehte Rea sich um und ging in Richtung Tisch, als Olivia plötzlich aufschrie und hinter Rea deutete. Auch Cadan riss die Augen auf und verwirrt drehte Rea sich wieder zu seiner Nichte. Diese stand mit etwas wackeligen Knien auf dem Rücken des Holztieres und grinste ihren Eltern entgegen. "Guckt mal, was ich kaaan ahh!" sie verlor das Gleichgewicht und geriet ins Straucheln. Voller Schrecken sah Rea, wie das kleine Mädchen von dem Tier rutschte und mit dem Kopf in Richtung Mauer stürzte. Im Bruchteil einer Sekunde war er bei ihr und riss sie an ihrem Arm zu sich. Verzweifelt drückte Hope ihr Gesicht an seine Brust. "Ich... ich habe mich... so erschrocken." weinte sie. Erleichtert, dass ihr offenbar nichts fehlte, atmete Rea einmal auf. "Ist schon gut, Hope. Es ist nichts passiert." murmelte er und hob sie hoch. Genau dann kam Cadan und nahm ihm seine kleine Tochter ab. Rea ging wieder zurück zu seinem Platz, um den beiden etwas Freiraum zu geben. Dabei kam er an Olivia vorbei, die ebenfalls aufgesprungen war, um ihre kleine Tochter zu trösten. Als ihre Blicke sich trafen, lag in ihrem Blick etwas, dass er nicht deuten konnte. "Danke, Rea."

SEINE Tochter (Rea Garvey)Waar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu