Wieder auf der Flucht

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Meine Arme zitterten. Ich war noch lange nicht so fit, wie ich es mir gewünscht hätte. Aris war schnell. Er zögerte nie, bevor er um eine Ecke verschwand. Er wusste genau, wo man auf die Gitter im Boden aufpassen musste und ließ mich anhalten, damit uns keiner hörte. Ich fragte mich, wie oft er das System erkundet hatte, bevor wir aufgetaucht waren.
„Warte hier.", zischte er, kroch voraus und sah um die Ecke. Dann kam er zurück, warf ein rotes Haargummi soweit er konnte hinter mir in den Gang und setzte sich hin.
„Wir warten hier bis die anderen kommen. Da vorne geht es raus."
Ich nickte, froh über die Pause und lehnte mich schwer gegen die Wand. „Woher hast du all die Haargummis?", fragte ich, um die Stille zu durchbrechen.
Aris lächelte traurig. „Rachel. Sie war mit mir im Labyrinth und hat alle Haargummis die ANGST ihr jemals geschickt hat, aufgehoben."
„Wo ist sie jetzt? Wird sie mit uns kommen?" Mir fiel wieder ein, dass er immer alleine am Tisch gesessen hatte.
„Nein. Sie ist im sicheren Hafen." Er starrte wütend den Boden an.
„Das tut mir leid.", murmelte ich.
„Bis vorhin dachte ich tatsächlich das sie in Sicherheit wäre. Ich habe gar keine anderen Gedanken zugelassen. Doch sie ist nicht sicher. Sie hängt in diesem Apparat, während ANGST ihr literweise Blut abzapft und irgendetwas daraus extrahiert." Er fuhr sich durch die hellen, blonden Haare. „Aber das spielt jetzt keine Rolle. Zuerst müssen wir hier raus. Wie gehts dir?"
„Ich bin müde."
„Verständlich. Meinst du du schaffst das?"
Ich nickte. „Auf keinen Fall werde ich hierbleiben."
Ein Rascheln unterbrach unser leises Gespräch. Ich sah in Richtung Ausgang, während Aris in die Richtung sah, aus der wir gekommen waren. Wir verharrten in unserer Position, jederzeit bereit zur Flucht. Langsam drehte ich den Kopf, so dass ich in die gleiche Richtung, wie Aris sah. Schweißtropfen rannen mir über die Wangen. Plötzlich schob sich ein brauner Haarschopf um die Ecke.
„Thomas!", zischte ich.
Er sah auf und kam dann mit erleichtertem Blick zu uns. Hinter ihm folgten die restlichen Lichter. Ihre Gesichter zeigten alle verschiedene Gefühle. Angst, Verwirrung, Unglaube, Erleichterung, Wut.
„Gehts dir gut?", fragte Pfanne, der direkt hinter Thomas war.
„Ja ich bin okay. Wie geht es euch? Habt ihr noch viel abbekommen?"
„Nein, sie haben uns direkt in unser Zimmer gebracht. Was machen wir hier?"
„Keine Zeit zum erklären.", fuhr Aris dazwischen. „Kommt mit." Er kroch weiter und verschwand um die Ecke. Schnell folgten wir ihm. Aris hatte uns nicht zu einem der Gitter gebracht, die sich in der Decke befanden, sondern jetzt waren wir auf Bodenhöhe und das Gitter war direkt vor uns, so groß, dass wir uns aufrichten konnten. Wir stolperten hinaus und sahen uns im Gang um. Es war niemand zu sehen und außer unserem Atem war es unglaublich still.
„Wohin?", fragte Winston.
„Wir müssen Teresa finden.", flüsterte Thomas.
Aris wollte ihm widersprechen, doch Thomas ließ ihn gar nicht zu Wort kommen. „Ich lasse sie nicht hier." Sein Tonfall ließ keine Widerrede zu.
„Ich habe nur eine Vermutung, wo sie sein könnte. Das heißt nicht, dass wir sie dort finden.", gab Aris zu bedenken.
„Na los führ uns endlich dort hin. Ich dachte wir hätten keine Zeit.", verlangte Minho.
Aris betrachtete uns noch kurz und lief dann los. Auf leisen Sohlen liefen wir ihm hinterher. Wie konnte er sich zurechtfinden? Jeder Gang war so gleichförmig, dass ich bereits nach zwei Abbiegungen den Überblick verlor. Ich hatte wirklich einen furchtbaren Orientierungssinn. Ich lief hinter den Jungen. Meine Kraft kehrte zwar langsam, aber sicher zurück und trotzdem wollte ich sie mir aufsparen. Das hier würde bestimmt nicht so glatt ablaufen, wie wir es uns wünschten. Immerhin hatten wir es hier mit ANGST zu tun.
Plötzlich blieben die Jungen vor mir stehen. Weil ich damit nicht gerechnet hatte, prallte ich gegen Jeff. Vorsichtig schaute ich über seine Schulter und sah die Ärztin vor uns stehen, die Teresa untersucht hatte.
„Sie muss wissen, wo Teresa ist.", flüsterte ich Jeff zu.
„Wieso seid ihr draußen? Wo sind eure Wachen?", fragte sie und sah uns misstrauisch an. Genau in dem Moment ging die Alarmanlage an. Orangene Lichter an den Wänden blinkten und ein hoher Signalton füllte den Gang. Thomas und Minho sprangen gleichzeitig nach vorne und hielten die Ärztin fest. Thomas sagte irgendetwas zu ihr, doch ich konnte ihn nicht hören. Sie sah ihn missmutig an und tat nichts.
„Achtung!", schrie Minho und zeigte hinter mich. Eine Wache kam um die Ecke gestürmt, in der Hand hatte sie ein Gewehr. Jeff schob mich hinter sich.
„Wir sollten laufen!", schlug ich vor.
Doch bevor jemand auf meine Worte reagieren konnte, stürmte Minho vor und lief genau auf die Wache zu. Bevor der Mann verstand, was Minho vorhatte, hatte dieser ihn so heftig gegen die Wand geschubst, dass die Wache bewusstlos zu Boden sank. Dann nahm er die Waffe an sich und richtete sie ohne zu zögern auf die Ärztin.
„Nur damit sie es wissen: Ich kann mit den Dingern nicht umgehen. Eine falsche Bewegung und ich könnte aus Versehen schießen. Jetzt führen sie uns endlich zu Teresa."
Wir hasteten durch die Gänge. Immerhin sorgte der Alarm dafür, dass wir nicht mehr leise sein mussten, wobei ich mir sicher war, dass wir über Kameras beobachtet wurden. Ich hatte zwar keine gesehen, aber das musste ja nichts heißen. Auf der Lichtung hatte es auch welche gegeben und dort war ich anderthalb Jahre gewesen, ohne es zu bemerken.
Trotzdem liefen uns keine Wachen über den Weg. Entweder waren keine Wachen in unserer unmittelbaren Nähe oder sie hatten gesehen das wir eine Waffe hatten und waren deshalb vorsichtiger. Vielleicht wollten sie abwarten, was wir vorhatten? Oder war das offensichtlich? Mein gebrochener Zeh pochte schmerzhaft und mittlerweile humpelte ich. Die Jungen hatte mich in ihre Mitte geholt und ich musste mich anstrengen, um mit der Geschwindigkeit mithalten zu können, die Thomas und Minho vorgaben. Wieso mussten auch die Läufer vorne sein?
„Dort drin.", sagte die Ärztin plötzlich und zeigte auf eine Stahltür. Sie zog eine Karte durch den Scanner, der an der Wand hing und die Tür sprang auf. Minho betrat den Raum zuerst und drängte alle, die sich darin befanden, in eine Ecke. Thomas schubste die Ärztin in die ungefähre Richtung und lief dann zu dem abgetrennten Teil des Raumes. Es war genauso ein Krankenzimmer, wie das in dem ich gewesen war. Klappernd zog Thomas den Vorhang zur Seite und dort lag Teresa auf dem Bett. Schlafend oder bewusstlos, aber noch am Leben. Minho hielt mit der Waffe immer noch die Leute in Schach. Ich ging zu Thomas, um ihm zu helfen Teresa von den Apparaten zu befreien, an denen sie angeschlossen war. Die anderen versuchten die Tür zu verbarrikadieren. Sie warfen einen Metalltisch um. Medikamente und Flaschen fielen klappernd zu Boden. Winston und Jeff schoben mit Aris Hilfe den schweren Tisch vor die Tür. Newt kam zu mir gelaufen und nahm mich kurz fest in den Arm.
„Geht es dir gut?"
Ich nickte, dann halfen wir Thomas Teresa aufzuwecken. Wir würden später hoffentlich Zeit zum reden haben. Doch zuerst mussten wir das hier überleben.
„Teresa." Thomas schüttelte sie leicht. Blinzelnd schlug sie schon kurz darauf die Augen auf. Verwirrt sah sie von einen zum anderen.
„Was...?"
„Ich erkläre es dir später, in Ordnung? Komm, wir müssen hier weg." Thomas nahm ihre Hand und half ihr hoch.
Kurz betrachtete ich die Art, wie er sie berührte. Wie er mit ihr sprach. Wie sanft er mit ihr umging. Ich hatte da so eine Ahnung und obwohl es jetzt keine Rolle spielte, obwohl so viele andere Dinge wichtiger waren, konnte ich nicht anders, als mich kurz darüber zu freuen.
Ein lautes Poltern holte mich aus meiner Trance. Jemand schlug heftig auf die Tür ein. Der Tisch rutschte, langsam aber stetig weiter in den Raum. Eine Wache schob die Tür ein Stück auf und streckte ihren Arm in den Raum.
„Was machen wir?", fragte Newt und sah zu Thomas. Dieser sah sich im Raum um und sein Blick blieb an der großen Glasscheibe hängen, die einen Großteil der Wand vor Teresas Bett einnahm.
„Marie, hilf ihr mal." Er übergab mir Teresa. Langsam zog ich sie mehrere Schritte zurück, während Thomas und Newt sich jeweils einen Stuhl nahmen.
„Beeilt euch!", rief Pfanne, der gegen den Tisch drückte, in der Hoffnung die Wachen am Eindringen zu hindern.
Newt und Thomas warfen sich kurz einen Blick zu und holten dann mit den Stühlen aus. Krachend schlugen sie gegen das Glas, welches in tausend Scherben zerbrach. Klirrend fielen sie zu Boden, flogen auf die andere Seite. Manche rutschten über den Boden bis zu uns. Mit hektischen Bewegungen kletterte Thomas über die hüfthohe Halbwand und winkte uns dann zu.
„Kommt! Beeilt euch!"
Sofort war Pfanne neben mir und übernahm Teresa. Ich ergriff Newts Hand, die er mir hinhielt und kletterte mit seiner Hilfe auf die andere Seite. Thomas fackelte nicht lange, streckte seine Hände in den Raum, hob Teresa hoch und brachte sie so auf die andere Seite. Hinter uns krachte es und der Metalltisch schob sich quietschend über den Boden. Die anderen Jungen folgten uns und bevor ich mich versah, rannten wir.
„Wo müssen wir hin?", rief Thomas Aris zu und dieser zeigte geradeaus. Am Ende des Ganges befand sich nur eine Tür. Minho, der die Führung übernommen hatte, riss sie auf und stand einem Mann in schwarzer Uniform gegenüber. Kurz waren beide wie erstarrt, dann hob Minho seine Waffe und schoss auf den Mann. Elektrizität erfüllte die Luft, hinterließ einen metallischen Geschmack auf meiner Zunge. Der Mann fiel zitternd zu Boden. Kleine Blitze jagten über seinen Körper. Es dauerte kurz, bis wir unseren Schock überwunden hatten, doch als wir die Stimmen anderer Wachen hörten, rannten wir an dem Mann vorbei und liefen in eine Lagerhalle.
Aris rief uns Anweisungen zu. „Vorne links ist eine Tür. Sie führt in einen Gang. Dort müssen wir wieder nach links und dann kommen wir in die Eingangshalle, in die jeder zu Beginn reingebracht wird."
Ich lief so schnell ich konnte, ignorierte meinen schmerzenden Zeh. Newt war direkt neben mir. Er blieb auch bei mir, gab mir Kraft zum weiterlaufen. Körperlich war ich am Ende. Teresa ging es auch nicht besser. Thomas zog sie mit, hielt ihren Arm umklammert. Ohne seine Stütze, wäre sie wahrscheinlich schon längst zusammen geklappt.
Wir erreichten die Tür. Minho drückte den Türgriff nach unten, doch die Tür blieb geschlossen. Natürlich, wie alle anderen Türen hier auch, war sie abgesperrt. Die schnellen Schritte der Wachen hinter uns kamen näher.
„Was machen wir jetzt?", rief Jeff.
Frustriert trat Minho gegen den Scanner neben der Tür. Das Gerät bog sich unter der Kraft die von dem Tritt ausging, doch die Tür konnten wir dadurch trotzdem nicht öffnen. Panik ließ mich von einem Fuß auf den anderen treten. Was passierte, wenn sie uns erwischten?
„Bleibt sofort stehen!", schrie ein Mann hinter uns. Ich warf einen Blick zurück. Die Wachen waren nur wenige Meter hinter uns.
Minho trat erneut nach dem Gerät. Es piepste kurz und gab dann den Geist auf. Hektisch zog er an der Türklinke und jetzt schwang die Tür tatsächlich auf. Vor Schreck ließ Minho die Tür los. Krachend schlug sie gegen die Wand.
„Los!", rief Thomas und rannte vor.
Newt schubste mich nach vorne, damit ich mich in Bewegung setzte. Zusammen mit den anderen drängte ich mich durch die Tür und rannte hinter Thomas den Gang entlang.
Bitte...bitte...lass uns in die richtige Richtung laufen.
„Wir müssen da vorne nach rechts. Dann sind wir an der Tür."
Ich trieb mich an.
Nur noch ein paar Meter. Wir können es schaffen. Wir können...
Beinahe wäre ich über meine eigenen Füße gefallen. Newt packte mich am Oberarm und zog mich weiter. Hinter uns hörte ich immer noch die Schritte der Wachen. Vor mir lief Winston. Schwer atmend, aber er ließ sich nichts anmerken. Wir stürmten um die Kurve. Ich hatte mit mehreren Wachen vor der Tür gerechnet, doch der Weg war frei. Der Scanner neben der Tür leuchtete rot, so als würde er uns verhöhnen. Minho wurde noch schneller, kam als erstes an dem Gerät an und trat dagegen. Im Gegensatz zu dem anderen, gab dieser hier nicht nach. Minho versuchte es erneut, doch nichts passierte.
„Lasst uns darüber reden.", hallte es plötzlich durch den Gang.
Diese Stimme ließ mich erschaudern. Ich fuhr herum. Janson kam, umgeben von Wachen, durch den Gang langsam auf uns zu. So als hätte er jede Zeit der Welt. Thomas stellte sich ,mit der Waffe in der Hand, schützend vor uns alle.
„Hört auf mit dem Unsinn. Kommt mit uns und wir können über alles reden."
Seine Stimme klang freundlich, aber sein Gesichtsausdruck blieb steinhart.
„Wir wollen nur das Beste für euch. Wir brauchen euch."
Er versuchte uns einzulullen, uns zu überzeugen. Vielleicht wäre ich darauf hereingefallen, wenn er mich heute nicht schon betäubt hätte. Jansons Worte prallten an mir ab. Ich ignorierte sie. Stattdessen stürmte ich zu Thomas, nahm ihm die Waffe aus der Hand und zielte genau auf Janson.
Er lachte. Es war diese Art von Lachen, von denen man wusste das sie nicht so gemeint waren. „Marie. Du wirst nicht auf mich schießen."
„Achja und wie kommen Sie darauf?", fragte ich herausfordernd und richtete die Waffe aus.
Die Wachen sahen beunruhigt zwischen uns beiden hin und her. Sie waren jederzeit dazu bereit in den Weg zu springen.
„Auch du warst mal auf unserer Seite. Lass mich dir deine Erinnerungen wiedergeben und du wirst alles verstehen."
Ich zögerte. Konnte er das? Würde ich mich dann an alles erinnern? An meine Eltern? An mein Zuhause? Ich spürte die Blicke der Jungen auf mir. Mit einem Kopfschütteln verwarf ich meine Gedanken. Nicht jetzt...
„Ich brauche meine Erinnerungen nicht. Ich weiß auch so das ich euch hasse. Mich interessiert nicht, was vor dem Labyrinth passiert ist."
Lügen, alles Lügen. Janson wusste das. Das hier war Zeitverschwendung. In einer Bewegung drehte ich mich um, zielte mit der Waffe auf den Scanner und drückte den Abzug. Mit einem Zischen flog das Geschoss durch die Luft und elektrisierte den Scanner. Funken stoben aus dem Gerät. Es piepste ein paarmal kläglich und dann erlosch das Licht. Aris riss die Tür auf und die Jungen begannen hindurchzulaufen. Gleichzeitig stürmten die Wachen nach vorne. Ich schoss auf einen. Er konnte ausweichen, aber dabei lief er gegen jemand anderen und beide fielen zu Boden. Janson betrachtete mich wutentbrannt.
Thomas packte mich am Arm und zog mich mit sich.
„Marie komm endlich!"
Er nahm mir die Waffe aus der Hand. Ich riss mich von Jansons kalten Augen los und sprintete durch die Tür in die große Halle. Thomas war direkt hinter mir. Ich hörte ihn schießen, doch da niemand zu Boden fiel, verfehlte er wohl.
So schnell, wie wir konnten rannten wir zwischen Gabelstaplern, Vorräten und Blechplatten hindurch, bis wir das große Tor sehen konnten. Die Lücke wurde immer kleiner. Langsam, aber sicher fuhren die riesigen Tore immer weiter aufeinander zu. Doch sie waren nicht schnell genug. Wir konnten es schaffen. Einer nach dem anderen lief durch den Durchgang und verschwand draußen in der Dunkelheit. Hinter mir hörte ich Janson und die Wachen schreien. Es schienen wesentlich mehr zu sein. Vermutlich hatten sich die Mitarbeiter in der Halle ihnen angeschlossen. Genugtuung erfüllte mich.
Sie waren zu langsam. Wir waren schneller.
In dem Moment verließen meine Füße den Asphalt. Der Boden unter meinen Sohlen wurde weicher. Um mich herum war es dunkel.
Wir waren entkommen.

Die Lichter in der Wüste [Maze Runner Fanfiction]Where stories live. Discover now