8. Kapitel: Angst

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Noch immer nicht wissend, wo ich hinsollte, rannte ich weinend die Straßen entlang. Immer wieder versuchte ich die Tränen wegzuwischen, aber es funktionierte nicht. Es wurden einfach immer mehr.

Aber nicht nur ich weinte, sondern auch der Himmel. Regen prasselte auf mich nieder und erdrückte mich fast, so viel war es. Dennoch fühlte sich dieses Wetter merkwürdig vertraut an, wahrscheinlich weil ich schon so oft geweint hatte.

,,Mary?", hörte ich plötzlich eine besorgte männliche Stimme fragen. Schnell drehte ich mich zur Seite und schaute in das bekannte Gesicht eines freundlichen alten Mannes. Konnte das sein? Ja, doch das war er bestimmt. Das musste einfach Friedrich sein.

,,Friedrich", rief ich glücklich, bevor ich auf ihn zurannte und ihn in eine Umarmung schloss. Ich hatte ihn so vermisst und außerdem gab er mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit, was mich sehr freute. Es war schön, so jemanden zu kennen.

Langsam löste ich mich von ihm und setzte mich neben den älteren Mann, der mir eine Decke reichte, die ich dankend annahm. Diese breitete ich über mir aus und legte meinen Kopf auf Friedrichs Schulter ab.

,,Was ist denn passiert?", wollte Friedrich wissen. ,,Nichts", antwortete ich ruhig. Was anderes blieb mir sowieso nicht übrig. Immerhin konnte ich es ihm nicht sagen, er würde mich hassen und verachten.
Schließlich hatte ich jemanden verletzt.

Verstehen, warum ich das getan hatte, wusste ich nicht. Warum war ich nur zu so etwas fähig? Warum verletzte ich einen Freund und warum verdammt nochmal war ich so aggressiv? Ich hätte doch nicht direkt körperlich werden müssen. Nein, ich hätte es ihm anders sagen müssen. Das, was ich getan hatte, war falsch.

,,Das sieht mir aber ganz anders aus", erwiderte Friedrich mit einem leichten Lächeln. ,,Selbst wenn etwas passiert wäre, ist es doch egal oder nicht?", gab ich zurück. ,,Das würde ich so nicht sagen. Reden hilft manchmal sehr", sprach der alte Mann, woraufhin ich langsam meinen Kopf von seiner Schulter entfernte und zum Reden ansetzen wollte, doch ich brachte es einfach nicht übers Herz ihm das zu sagen.

Aber vielleicht hatte er ja Recht? Vielleicht würde Reden mir helfen und alles würde wieder gut werden. Doch da konnte ich mir einfach nicht sicher sein. So einfach würde es niemals sein.

,,Erzähl es mir", schlug Friedrich vor und warf mir einen ermutigenden Blick zu. Ich atmete einmal tief ein, bevor ich dem alten Mann in die Augen schaute und versuchte die richtigen Worte zu finden.

,,Ich habe mich mit einem Freund gestritten", meinte ich knapp. ,,Gestritten? Warum das denn?", fragte Friedrich nach. ,,Naja, es ging um meine berufliche Zukunft und um...", redete ich, bis ich stockte. Sollte ich ihm das wirklich erzählen? Ich wusste nicht, ob das so eine gute Idee war.

,,Und um?", wiederholte der alte Mann die letzten Worte, die ich gesagt hatte, wobei das Fragezeichen deutlich rauszuhören war. Okay, er wollte es anscheinend wissen, also würde ich ihm es auch sagen und zwar die Wahrheit. Noch jemanden konnte ich einfach nicht anlügen.

,,Alkohol", piepste ich vorsichtig und leise, da ich nicht wusste, wie Friedrich reagieren würde. Vielleicht würde er enttäuscht oder sauer sein oder aber auch froh, dass ich es ihm gesagt hatte. Aber das war unwahrscheinlich oder?

,,Ich verstehe. Aber warum habt ihr euch darüber gestritten?", hakte der alte Mann nach. ,,Naja, ich weiß auch nicht. Er wollte mir eigentlich nur helfen, aber irgendwie wollte ich das nicht oder so", druckste ich mit zittriger Stimme herum, da ich einfach nicht wusste, wie ich es ihm erklären sollte.

,,Sag es mir einfach, Kindchen. Einfach frei heraus", sagte Friedrich lächelnd und schaute mich mit einem erwartungsvollen Blick an. Okay, frei heraus, Mary! Das würde ich ja wohl sowas von hinkriegen. Ha ha. Diese Ironie!

Mary Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt