Prolog

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Die Wolken lagen schwer am Himmel, hier und da zuckte ein heller Blitz, dessen Donner die Erde zum Beben brachte. Schwere Wassertropfen fielen auf die Erde und der starke Wind ließ die Äste der Bäume tanzen.

Auf einem freien Feld, welches an einem großen Wald grenzte, lief ein junger Mann, der eine junge Frau an seiner Hand hielt. Beide hielten jeweils eine ihrer beiden Töchter in den Armen und kämpften sich durch das Unwetter.

Hinter ihnen leuchteten Scheinwerfer auf und laute Motorengeräusche waren zu hören. Sie näherten sich schnell und der Mann zog die Frau ohne zu zögern in den Wald hinein. Er war dunkel und es gab keinen Weg der sie sicher durch das Gestrüpp führte. Also rannten sie durch die Büsche und an den Bäumen vorbei, die sich ihnen in den Weg stellten.

Die Geräusche der Autos, die sie verfolgten wurden leiser, dennoch wurden die beiden jungen Menschen nicht langsamer. Erst als sie den Waldweg erreichten, der sich in zwei verschiedene Richtungen teilte, kamen sie zum stehen.
Der Mann sah sich keuchend um und wandte sich an seine Frau, die ihr Kind zitternd an ihre Brust gedrückt hielt. Das kleine Mädchen in ihren Armen blieb ganz ruhig und schaute vorsichtig unter dem Arm ihrer Mutter hervor.

„Ihr müsst weiter. Folge diesem Weg, er wird dich zu meinem Bruder führen", sagte der Mann und gab seiner Frau ihr zweites Kind, welches sich weinend an der Jacke ihrer Mutter festkrallte. In seinen Augen lag Angst und große Verzweiflung, aber auch die Entschlossenheit seine Familie in Sicherheit zu bringen.

„Nein, ich lasse dich nicht alleine!", schluchzte seine Frau und schüttelte wild mit dem Kopf.

„Wir werden es nicht überleben, wenn wir weiter zusammen bleiben", hauchte der junge Mann und Tränen liefen über seine Wangen. Seine Hand löste sich von ihrer Schulter und strich über die Wangen seiner beiden Töchter, die ihn mit großen Augen ansahen. Bei dem Anblick spannte sich sein Kiefer an und die Tränen in seinen Augen häuften sich. Ihm war bewusst, dass er sie mit dieser Entscheidung nie wieder sehen wird.

„Nein ... Bitte ... Ich kann nicht ..."

„Doch du kannst.", unterbrach er seine Frau, die verzweifelt nach einer anderen Lösung suchte. „Wir wussten auf was wir uns einlassen und ... die Zeit ist nun mal gekommen. Es ist in Ordnung."

„Nein ist es nicht!", schrie sie, woraufhin er seine Arme um sie schlang und sie an sich drückte. Mit Bedacht, seine Töchter nicht zu erdrücken.

„Ich liebe dich, aber du musst jetzt gehen. Sonst haben sie uns eingeholt und wir sind alle verloren ..." Er wollte sie nicht gehen lassen, aber um sie zu beschützen musste er diesen Weg wählen. Sein Blick fällt auf seine ältere Tochter, deren nasses rotes Haar an ihrem Kopf klebte. „Pass gut auf deine Mutter und deine Schwester auf ..."

„Mach ich Papa.", versprach die Kleine und gab ihrem Vater einen Kuss auf den Mund. Sie war noch zu jung um diese Situation richtig zu verstehen.

„Ich habe dich so lieb mein kleiner Schatz. Denk immer dran, ich werde immer für dich da sein. Genau hier." Er legte seine Hand auf ihre linke Brust in der ihr kleines Herz schlug. Dann gab er ihr einen Kuss auf die Stirn und wandte sich an seine jüngere Tochter, die ihn ebenfalls aus großen Augen ansah. Jedoch waren diese mit Tränen gefüllt. „Für dich gilt das selbe kleiner Engel. Ich habe dich so lieb." Auch ihr gab er einen Kuss auf die kleine Stirn ehe er sich wieder an seine Frau wandte, deren Tränen wie ein Wasserfall aus ihren Augen liefen. „Ich liebe dich. Versprich mir, dass du zu meinem Bruder laufen wirst und dich nicht umdrehst. Egal was passiert."

„Björn ..."

„Versprich es mir ..."

„Ja ... ich verspreche es dir.", gab seine Frau nun nach und biss ihre Zähne zusammen um ihr Schluchzen zurück zu halten. Ihr Mann nickte und hob ihr Kinn etwas an um ihre Lippen miteinander zu vereinen. Schlagartig wurde der Regen heftiger. Dennoch konnte dieser den Schuss, der in der Ferne erklang nicht übertönen. Die Beiden zuckten erschrocken zusammen.

„Schnell! Lauf und drehe dich nicht um." Hektisch schob er seine Frau von sich weg und rannte los. Er nahm den Weg der in die andere Richtung führte und verschwand hinter den Bäumen. Seine Frau sah ihm geschockt hinterher. Doch als ein lautes Brüllen ertönte, machte sie auf den Absatz kehrt und folgte den Weg der sie zum Bruder ihres Mannes führen sollte.

In der Ferne waren Männer die schrien und ein gewaltiges Brüllen zu hören, Granaten die explodierten und ausgestoßendes Feuer das zischte. Ihre Töchter, die sie immer noch in den Armen hielt krallten sich vor Angst in ihr Shirt und drückten ihre Gesichter an ihre Brust. Ihre Mutter hielt sie fest und rannte weiter. Sie drehte sich nicht um, auch wenn es schwer war.

Mit einem Mal ertönte ein Schuss und die junge Frau fiel mit einem Aufschrei zu Boden. Beim Fallen drückte sie ihre Töchter fester an sich und rollte sich so ab, dass sie auf der Seite lag. Ein stechender Schmerz ließ sie wissen, dass sie getroffen wurde. Dennoch rappelte sie sich auf und ließ ihre älteste Tochter los. Mit zitternden Händen gab sie ihr ihre drei Jahre jüngere Schwester und sah sie aus tränenreichen Augen an. „Geh meine Kleine ... Du hast gehört was dein Vater gesagt hat. Folge einfach diesen Weg ... er wird dich zu deinem Onkel führen ..."

„Was ist mir dir?", fragte ihre Tochter und schaute sie verwirrt an.

„Mach dir um mich keine Sorgen. Versprich mir nur das du so lange rennst bis du das Haus erreicht hast und dich nicht umdrehst. Versprich es mir bitte."

„Ich verspreche es ..."

„Gut." Die junge Frau nickte und holte eine silberne Kette aus ihrer Jackentasche. „Hier ... die wird euch für diesen Weg beschützen.", sagte sie, während sie die Kette um den Hals ihrer ältesten Tochter legte. Ihr Blick wirkte beim Anblick dieser Kette eher weniger begeistert. „Und nun lauf." Sie schob ihre Tochter von sich weg und forderte sie mit ihrem Blick auf los zu rennen. Das kleine Mädchen zögerte, doch dann ließ sie ihre Schwester runter, nahm ihre Hand und rannte los. Ihre Mutter sah ihnen so lange nach bis sie nicht mehr zu sehen waren. Dann stand sie mit letzter Kraft auf und stellte sich ihren Verfolgern in den Weg, die ihr Mann nicht von ihnen fernhalten konnte.

Schüsse, ein Aufschrei, Stille.

Die beiden Mädchen rannten weiter durch den dunklen Wald, und folgten den Weg. So wie ihre Mutter es verlangt hatte. „Viktoria. Viktoria!"

Vollmond - Das große Geheimnis (*alte Version*)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt