[thirty four.two]

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Mingi PoV:

Ich stehe gerade vor dem Badezimmerspiegel, stütze mich auf beide Hände und starre in mein blasses Spiegelbild. Kai hat Recht, ich sollte wieder mehr essen. Meine Haut ist unglaublich trocken und meine Wangen leicht eingefallen, im Großen und Ganzen sehe ich schon ziemlich scheiße aus. Ungefähr so, wie ich aussehe, fühle ich mich auch. Es ist zum Kotzen.

Ich konnte die ganze Nacht nicht schlafen, Jongin kam immer wieder in das Zimmer und fragte, ob ich nicht schlafen könnte, was ich verneinte, und setzte sich dann wieder hinter das Türfenster. Dass ich mein Handy die ganze Nacht gehabt habe, hat ihn nicht gestört, vorerst. Irgendwann spürte ich nämlich, wie sich mein Griff um das Smartphone lockerte.

Mein Puls schoss in die Höhe und vor meinen Augen spielte sich etwas ab, was ich keineswegs zuordnen konnte. Ich bekam Panik und wurde hysterisch. Um ehrlich zu sein, kann ich mich nicht mehr ganz daran erinnern, was danach passiert war. Alles, was ich noch wusste, waren kleine Bruchteile der Nacht, ähnlich wie wenn jemand während einer Theatervorstellung immer wieder das Licht an und aus geschaltet hätte.

Die Aufführung wäre unvollständig und abgehakt. Man würde nur noch unzusammenhängende Teile des Handlungsstrangs mitverfolgen können. Die Darsteller würde plötzlich an anderen Orten auftauchen, ohne dass man die Bewegung zur nächsten Destination hätte mitbekommen. Nur war der Zuschauer in meinem Fall selbst mit eingebunden, tatsächlich sogar der Hauptakteur.

Ich weiß noch, wie sich eine unerklärliche Wut in mir aufgebaut hat und ich in vollkommener Verzweiflung Yunho geschrieben habe. Und ab diesem Zeitpunkt wirkt alles nur noch schwammig in meiner Erinnerung. Vereinzelte Sequenzen davon, dass ich mein Handy mit voller Wucht gegen die Wand warf, Kai in den Raum gerannt kam und wie ich daraufhin ihn beinahe angegriffen hätte, wenn ich nicht als Vorsichtsmaßnahme mit einem Bein am Bett festgemacht worden wäre.

Darauf folgte ein Nervenzusammenbruch der, wie soll ich formulieren, eher angenehmen Art, jedenfalls für meine Mitmenschen. Ich weiß nämlich noch, wie meine Beine nachgaben und ich mich so weit wie möglich unter das Bett begab. Danach bin ich mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, Kai und ein anderer Pfleger haben mich dann unter dem Bett hervorgezogen und wieder darauf gewuchtet?

Als ich vorhin aufgewacht bin, saß Kai im Raum und hat mich nur gefragt, ob es mir wieder besser gehe. Ich wusste keine passende Antwort und zuckte nur mit dem Schultern. Also stand er auf, verabschiedete sich und ließ sich von Xiumin ablösen. Dieser verriet mir, dass ich einen Zimmernachbar bekommen würde und ging dann wieder. Seitdem stehe ich nun hier im Gemeinschaftsbad und starre mein 'unglaublich attraktives' Spiegelbild an.

Ich komme schließlich zu der Erkenntnis, dass das, was ich gerade tue, nichts bringt. Also verlasse ich das Bad und mache mich auf den weg in mein Zimmer. Zufälligerweise läuft mir Sehun entgegen und lächelt mich freudig an: „Dein Zimmernachbar ist jetzt da, lern ihn doch etwas kennen!" Aufmunternd gibt er mir noch einen Klaps auf den Rücken, bevor er mich einfach im Gang stehen lässt.

Nun gut, da muss ich wohl jetzt durch. Innerlich hoffe ich ja, dass mein Mitbewohner sich einfach nicht mit mir unterhält und wir uns ignorieren können, aber ich denke, so viel Glück werde ich nicht haben. Mit einem letzten tiefen Atemzug greife ich nach der Türklinke und trete ein. Mit dem, was mich dann ereilt, hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Ich stehe nicht mal komplett im Raum, als ich auf einmal in eine enge, warme Umarmung gezogen werde. Überrascht rege ich mich zunächst kein Stück, doch dann erkenne ich, wer mich so stürmisch begrüßt. Der Junge, der seine langen Arme um mich geschlungen hält, ist kein geringerer als Yunho höchst persönlich.
„Ich dachte schon, dir ist was passiert und ich müsste hier drinnen alleine überleben", atmet der Ältere erleichtert aus, nachdem er mich ein Stück von sich drückt.

Das lässt mich, trotz meines nächtlichen Zusammenbruchs, über beide Ohren grinsen und ich kann es nicht lassen, ich muss ihn damit aufziehen: „Ach, hast du dir also Sorgen um mich gemacht?" Mokierend ziehe ich eine Augenbraue hoch. Ein leises Lachen verlässt seine Kehle, während er mich spielerisch schlägt: „Natürlich. Wozu sind Freunde denn da?"

Wir quatschen über alles Mögliche, beziehen dabei Yunhos Bett und räumen seine Sachen in einen der Schränke. Es fühlt sich so an, als würden wir uns schon ewig kennen und genau das macht mich in diesem Moment unglaublich Glücklich. Vielleicht wird nun alles einfacher.

Oder doch nicht?

Drapetomania || Yungi ✔Where stories live. Discover now