Kapitel 25

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Als ich das erste Mal aufwachte befand ich mich nicht mehr an der Stelle wo ich eingeschlafen war. Links von mir brannte ein Feuer an dem Lan Zhan in einer meditativen Haltung saß und vor sich her summte, während er auf seiner Guqin zupfte. Es war das Lied, das er damals in der Hölle mit der Schildkröte gesungen hatte und von dem ich immer noch nicht den Namen kannte.

Das nächste Mal als ich aufwachte war der Morgen angebrochen und einzelne Sonnenstrahlen kämpften sich durch das dichte Blätterdach. Lan Zhan war schon wieder wach - wenn er überhaupt geschlafen hatte - und packte unsere Sachen zusammen. Laut gähnend streckte ich mich, versuchend ein wenig Wärme in meine ausgekühlten Glieder zu bekommen. "Wie sind wir gestern hier hin gekommen? Ich bin mir sicher bei der Steinwand eingeschlafen zu sein." Fragte ich ihn. "Ich habe dich hergetragen." Ich musste ziemlich verdattert reingeschaut haben, da Lan Zhan mir eines seiner schönen, aber seltenen Lächeln schenkte. Ein angenehmes Kribbeln, wie wenn man eine Rolle macht machte sich plötzlich in meinem Bauch breit und löste eine unerwartete Nervositöt aus. Die aufkommenden Gefühl unterdrückend stand ich hastig auf und sortierte meine verrutschte Kleidung. "Der Aufstieg befindet sich da drüben." Er zeigte auf die näherliegende Wand, bei der man so etwas wie eine Treppe erkennen konnte. "Kannst du jetzt schon los oder brauchst du noch ein wenig?" Da ich immer noch ein wenig überfordert war stimmte ich einfach zu, dass wir jetzt losgingen. Diesmal kletterte ich vor, was mich, wie ich bemerkte, ungemein beruhigte, wenn jemand hinter mir war.

Gefühlte Stunden später erreichten wir die andere Seite der Schlucht, die überraschenderweise aus einem Abhang enstand. Der ganze Abhang war mit saftig grünem Gras bedeckt und bunten Blumen. Ein kristallblauer See lag am tiefsten Punkt des Tales, der von einem Wasserfall mit frischem Wasser versorgt wurde. Eine Gebirgskette erstreckte sich hinter dem Wasserfall und dem knochigem Wald, der am Fuße des Berges wuchs. Ein Weg führte von unserm Standpunkt aus zu einem Fischerdorf, welches zwischen den Bergen und dem See gebaut worden war. "Sollen wir dort nach der Xueshan-Akademie fragen?", wand ich mich an Lan Zhan. Schweigend nickte er.

Auf dem Weg zu dem Dorf fiel mir der betörende Geruch der Blüten auf zusammen mit der kühlen Brise, die von dem See ausging. Das zwitschern eines Kleibers war Stellenweise zu höhren und ließ den Ort noch idyllischer wirken. Ich war zuvor noch nie in Yunnan gewesen, da mir der Weg über Meishan zu umständlich erschienen war, doch jetzt bereute ich es nicht schon früher hier gewesen zu sein. Anderseits freute sich ein Teil von mir, dass ich diese Erfahrung zusammen mit Lan Zhan machen konnte. Ich erinnerte mich an die letzten drei Jahre zurück, wo ich mit dem Gedanken gelebt hatte, dass wir nie wieder so nebeneinander laufen würden, weil ich schlaues Wesen als Tod galt und ihm jeglichen Kultivisten, eingeschlossen ihm, aus dem Weg gegangen war.

Bei dem Dorf angekommen trafen wir als erstes auf die Frauen, die am Steg saßen und die Wäsche wuschen. "Entschuldigung.", machte Lan Zhan auf uns aufmerksam. Sofort hielten die Frauen in ihrer Bewegung inne und sahen ihn aus goßen Augen an. Kein Wunder, er war das perfekte Schwiegersohn-Material und wahrscheinlich malte sich jede der Frauen, die eine heiratsfähige Tochter hatte, gerade aus, wie sie ihn in ihre Familie holte. "Wie können wir euch helfen?" Eine ältere Frau - wahrscheinlich die Dorfälteste - trat vor uns. "Wir suchen die Xueshan-Akademie. Könnten sie uns sagen, wie wir sie finden?" Augenblicklich steckten die Frauen ihre Köpfe zusammen und fingen an zu tuscheln. Erst nach wenigen Minuten antwortete man uns. "Bis zu der Akademie ist es noch ein weiter Weg. Ihr müsst über den Abstieg gekommen sein und deshalb sicherlich hungrig und erschöpft sein. Warum bleibt ihr nicht für einen Tag hier und ruht euch aus?" "Danke, aber wir würden es vorziehen weiterzuziehen." Sagte Lan Zhan mit einem Blick auf das Mädchen, dass mich neugierg beobachtete. Es war eigentlich nicht seine Art so gerade aus und für seine Verhältnisse unhöflich zu sein und irgendwie triggerte es etwas in mir. "Wir können sicherlich noch einen Tag hier verbringen. Ich bin sehr müde..." Gab ich gedehnt von mir, wenn auch mehr zu Lan Zhan der nicht gerade begeistert von meiner Antwort aussah. Mein Grinsen versteckend sah ich zu den Frauen die freudig in die Hände klatschten.

"Folgt mir." Forderte uns die Älteste auf. Sie führte uns zu einem kleinen Häuschen. "Wir können euch leider nur das heir anbieten. Es stört euch doch nicht die Nacht im gleichen Haus zu verbringen?" Vorsichtig sah sie uns an, worauf ich abwehrend die Hände hob und mir schon wieder einen dieser höchst verwirrten Blicke von Lan Zhan einhandelte. "Ihr könnt euch hinter dem Haus frisch machen und dann bei uns mitessen." Mit einer angedeuteten Verbeugung verschwand sie wieder zu den anderen Frauen, die die Wäsche zum Teil aufgegeben hatten und sich an die Vorbereitungen für das Essen machten.

"Wei Ying." Ein wolliges Gefühl machte sich bei dem Klang seiner Stimme und wie er meinen Namen aussprach breit. "Lan Zhan?" Belustigt grinste ich ihn an. Es fühlte sich schon fast wieder so an, wie als wäre die alte Vertrautheit zurück. "Was machst du? Du kannst immer noch nicht richtig essen. Wie willst du das machen ohne sie zu beschämen, weil du dich übergibst."  "Ich überleg mir schon was." Redete ich mich raus, obwohl seine Bedenken nicht unbegründet waren. Damit sah ich die Unterhaltung als beendet und machte mich zu der Rückseite von dem Haus auf. Ich bemerkte, wie Lan Zhan mir eher unfreiwillig folgte, aber wahrscheinlich fühlte auch er sich nach vier Tagen nicht richtig waschen ziemlich eklig und musste seinem Hygienebedürfniss nachgehen.


The Yang-Dragon-SealWhere stories live. Discover now