2. TWO

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Ich musste kurz schmunzeln und antwortete: „Nein nein, keine Angst. Ich weiß auch gar nicht, welche Band das sein soll. Ich bin lediglich ein paar Tage in Berlin, um meine Großeltern und ein paar Bekannte zu besuchen."

„Oh, und Ihre Großeltern zahlen Ihnen dieses Hotel? Nobel...", der Herr schaute mich vermeintlich anerkennend an und da war wieder das Klischee – jung und tätowiert, die wird nichts gescheites gelernt haben. Glücklicherweise war ich mit meinen 27 Jahren mittlerweile soweit, dass ich darüber stehen konnte, was Leute von mir dachten und ich mich nicht mehr schämte für meine berufliche Laufbahn, die natürlich auch aufgrund meiner Familiengeschichte so gut verläuft. Das Abitur sowie das Studium mit Master-Abschluss habe ich aus eigener Kraft gut abgeschlossen, lediglich die anschließende Jobsuche fiel bei mir weg, da ich dank des Familienunternehmens für die Zukunft quasi schon ausgesorgt hatte.

„Nicht ganz, ich verdiene schon mein eigenes Geld, mit dem ich mein Zimmer bezahle. Meinen Eltern gehört ein Hotel in der Nähe von München, das mein Bruder und ich in ein paar Jahren übernehmen werden, dementsprechend habe ich auf Reisen eben auch einen entsprechenden Standard."

Der Mann hob ungläubig die Augenbrauen und musterte mich noch einmal von oben bis unten. Wahrscheinlich dachte er, dass ich ihn veräppeln wollte, denn er antwortete nur einsilbig und brachte das Gespräch schnell zu einem Ende. „Na dann. Einen schönen Abend noch."

Kopfschüttelnd ging ich zurück ins Zimmer und schloss die Balkontür hinter mir. Es war traurig, dass man in der heutigen Gesellschaft immer noch nicht ernst genommen wurde, wenn man nicht dem klassischen Bild entsprach. Natürlich ließ ich auf Arbeit meine dunkle Schminke weg und die Tattoos wurden ohnehin durch die Arbeitskleidung verdeckt, aber in meiner Freizeit wollte ich mich einfach so kleiden wie ich mich wohl fühlte und das hatte doch nun wirklich nichts mit meiner Qualifikation zu tun.

Wenn ich so über meinen beruflichen Werdegang nachdachte, kam mir leider auch die unschöne Geschichte aus meinem Privatleben wieder in den Sinn. Bis vor gut einem Jahr war ich noch glücklich vergeben, ja sogar schon wenige Wochen verlobt, bevor es mit meinem langjährigen Partner auseinander ging. Als ich ihn damals auf meiner ersten Uni-Party traf, dachte ich nicht, dass wir so schnell ein Traumpaar wurden. Er machte ein Jahr vor mir seinen Abschluss, wir zogen zusammen in eine wunderschöne Wohnung und das wichtigste – er wurde von meinen Eltern als Partner an meiner Seite und damit auch als weiterer potentieller Geschäftsführer des Hotels akzeptiert. Die Verlobung und die damit anstehende Hochzeit machte das Glück perfekt. Und dann passierte etwas, wovon ich bis dato dachte, dass es das nur in Filmen gibt. Ich kam einige Stunden früher von einer Fortbildung zurück nach Hause und wollte ihn überraschen. Und dann war er da, nackt, in unserem Bett, zusammen mit einer anderen Frau. Klar, dass ich die Beziehung sofort beendete und so schnell wie möglich auszog. Dass er sich die Wohnung allein nicht mehr leisten konnte und auch kündigen musste, obwohl es seine Traumwohnung war, war nur ein kleiner Trost für mich. Schließlich stand ich vor den Scherben der Beziehung, die mir in den letzten sieben Jahren so viel gegeben hatte. Es dauerte lange, bis ich wirklich darüber hinweg war, und manchmal ertappe ich mich heute noch dabei, wie ich an die vergangenen Zeiten dachte. Ich hatte mit diesem Menschen einfach alles geteilt, sodass er zu vielen Erinnerungen leider einfach dazu gehörte.

Ich bin damals dann in eines der Hotelzimmer bei meinen Eltern gezogen, wo ich auch heute noch wohnte, und hatte es mir mittlerweile auch ein wenig persönlicher eingerichtet, sodass nicht mehr alles an dem großzügigen Zimmer „Hotel" schrie. Zurück in mein Elternhaus wollte ich mit damals 26 Jahren keinesfalls und zu dem Zeitpunkt war auch sonst keine passende Wohnung in der Umgebung frei, sodass es nahe lag, einfach ins Hotel zu ziehen.

Da ich mich im letzten Jahr von Zeit zu Zeit auch sexuell etwas auslebte und mehrere verschiedene Männer mit nach Hause nahm, war es auch ein Vorteil, dass ich im Hotel wohnte. So ersparte ich den Kerlen den „Walk of Shame", da ich sie am nächsten Morgen einfach über den Kellerausgang hinaus begleitete und sie so nicht durch die Lobby mussten, wo gegebenenfalls meine Eltern bereits arbeiteten, und ich kam ebenfalls nicht in Erklärungsnot, ‚wer das denn schon wieder war, den kennen wir ja noch gar nicht'. Glücklicherweise war ich meinen Eltern keine Rechenschaft schuldig, wohin ich in meiner Freizeit ging und wann ich wieder nach Hause kam etc., aber die elterliche Neugier war natürlich trotzdem da.

Seufzend ging ich ins Bad und frischte meine vom Liegen etwas zerzauste Frisur wieder auf – ich trug meine langen dunkelroten Haare offen und hatte lediglich die vorderen Strähnen ein wenig nach hinten gesteckt – und atmete tief durch. Ich musste dringend auf andere Gedanken kommen, das schrie doch nach dem versprochenen Gratis-Cocktail und vielleicht fand sich in den gängigen Kontakt-/Dating-Apps ja noch eine Beschäftigung für heute Abend.

Statt der Strickjacke von vorhin zog ich mir meine schwarze Biker-Lederjacke über und stopfte Handy, Zigaretten und Zimmerkarte in die Jackentaschen. Ich verließ mein Zimmer, lief über den mit Teppich ausgelegten Flur zu den Aufzügen und fuhr nach unten. Im Erdgeschoss steuerte ich zielstrebig auf die Bar zu. Am Tresen saßen keine Gäste mehr, nur an einem Tischchen hatte es sich ein Mann im mittleren Alter mit einem Glas Rotwein gemütlich gemacht. Das helle Hemd mit der gelockerten Krawatte sowie der zugeklappte Laptop auf dem Tisch ließen vermuten, dass er geschäftlich unterwegs war. Ich setzte mich auf einen Barhocker in der Ecke und studierte die Cocktailkarte. Trotz all der lecker klingenden fancy Cocktails entschied ich mich klassisch für einen Caipirinha, den mir der Barmann zügig mixte und mir dann zusammen mit einem Schälchen Nüsse hin stellte.

Nach einer halben Stunde swipen und schreiben gab ich es auf, spontan noch Bekanntschaften zu finden. Bei keinem der paar Chats sprang der Funke über, die meisten Kerle wollten in sehr plumper Art und Weise nur auf das Eine hinaus und dafür war ich mir nun wirklich zu schade. Auch wenn es nur um einen One Night Stand ging, so wollte ich mich dennoch anständig mit dem Kerl unterhalten können und ein gewisses Maß an gegenseitigem Respekt sollte eigentlich auch selbstverständlich sein. Ich steckte das Handy weg und schlürfte den letzten Rest meines Cocktails, bevor ich aufstand und mich mit einem kurzen Handgruß vom Barmann verabschiedete. Ich wollte noch kurz eine rauchen und dann in meinem Zimmer vielleicht noch einen Film schauen.

Im Außenbereich des Hotels waren die Stühle der Restauranttische schon hoch gestellt und die Beleuchtung am Haus war so hell, dass ich einige Schritte über die Terrasse ging und an einem der Tische, auf dem ein Aschenbecher stand, stehen blieb. Ich zog das Zigarettenpäckchen aus meiner Jackentasche, steckte mir eine zwischen die Lippen und nahm das Feuerzeug aus der Schachtel. Als es nach mehrmaligem Betätigen nicht ansprang, schüttelte ich das Feuerzeug und versuchte es noch einmal. Immer noch keine Flamme.

„Fuck", fluchte ich leise und wollte die Zigarette gerade wieder wegstecken, zuckte jedoch erschrocken zusammen, als plötzlich eine dunkle Gestalt neben mir auftauchte und ihr Feuerzeug entzündete.

FOR YOUR LOVE - Eine Damiano David FanfictionWhere stories live. Discover now