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Freitag, 20:15

Der Prunk, welcher ihm entgegenrauschte, verschlug ihm den Atem.
Jimin war sich nicht sicher, wo er zuerst hinschauen sollte. Auf die wunderschönen, filigranen Stuckwände, oder doch die zeitlosen Gemälde von Jacob van Hyusum , welche die Wänden zierten, oder lieber die goldenen Geländer, an denen unterhalb Weinreben in das Mauerwerk eingearbeitet wurde. Für Jimin stand eins fest: Er war im Paradies. Dieses riesigen Anwessn glich einem kleinen Museum, dessen Wert unschätzbar war. Er konnte gar nicht alles realisieren. An jeder Ecke fand man neue architektonische Meisterwerke, sei es ein altes, vergoldetes Uhrwerk, oder glänzende Kerzenständer, die aussahen, als würden sie direkt aus der Renaissance stammen. Den nächsten Gang, welchen sie durchquerten, entlockte dem Lilahaarigen beinahe ein Kreischen. An den Wänden befanden sich alteingesessene Waffen von Morgenstern bis Lanze war alles vertreten. Man sollte meinen, als Kunststudent würde sich Jimin nur über Gemälde und Skulpturen erfreuen. Doch ihm hatten es die Waffen angetan. Vor allem Äxte fand er faszinierend, sodass er, wann immer er eine sah, nicht aus dem Staunen herauskam. Die kindliche Freude und Neugier nistete sich bei ihm ein, wogegen er nichts tun konnte. Nur strahlend und voller Begeisterung durch die Gänge schlendern. Jimin war sich allerdings nicht bewusst, dass sechs Augenpaare ihm lächelnd folgten, während er von einer Ecke zur nächsten spazierte und fast immer einen Freudensprung vollführte, um sich seiner überschüssigen Energie zu entledigen.
"Der Hausherr, welchen wir gleich treffen werden, hat ein Faible für westliche und europäische Kultur", erklärte ihm Jin, als sie sich dem weitläufigen Ballsaal näherten. Auch wenn Jimin dachte, er habe alles schon gesehen, irrte er sich diesmal gewaltig. Das Ausmaß des Raumes, nein, das Saals, welchen sie betraten war gigantisch. Von einer Seite zu anderen erstreckten sich atemberaubenden Deckenfresken. Sie wurden durch kleine Lampen beleuchtet, damit ihre Schönheit noch mehr zur Geltung kam. Es war atemberaubend, grandios, fantastisch und er war Jungkook so dankbar, dass er dies sehen durfte. Er musste ihm das unbedingt sagen.
"Komm!", ertönte Jungkooks Stimme, welcher ihm die Hand entgegenstreckte. Jimins Finger fanden den Weg in die des Schwarzhaarigen und er unterdrückte ein Seufzen. Erst jetzt bemerkte der Lilahaarige die ganzen Menschen. Sie scharrten sich in kleinen Grüppchen, unterhielten sich, tranken alkoholische Getränken, genossen das Ambiente. Mit einem Mal besann sich Jimin seiner Lage und er schluckte schwer. Er spannte die Schultern an und drückte unbewusst Jungkooks Hand. Dass sie ihn und den Rest anstarrten, ließen ihn nicht unbedingt besser fühlen in seiner Haut. Jungkook lehnte sich, als sie Treppe hinunter schritten zu ihm hinüber.
"Ich bin an deiner Seite. Du brauchst keine Angst haben."
Einerseits beruhigten ihn seine Worte, doch andererseits hatte er das Gefühl auf Watte zu schweben. Vielleicht würde er gleich hinfallen und das Gespött des Abends werden. Denn wenn man jeden hier betrachtete, merkte man, dass sie alle teure Kleidung trugen, Schmuck in Millionenhöhe. Und inmitten all der Pracht empfand sich Jimin als unwichtig, als kleiner Asteroid zwischen all den Sternen und Planeten. Sie traten gerade die geschwungene Wendeltreppe hinunter, als er ein Ziehen an seinem Mantel nach unten Blicken ließ. Zwei große, braune Iriden starrten ihn lächelnd an.
"Bist du ein Engel?"
Jimin traf Jungkooks Augen. Er grinste ihn schief an und nickte stumm. Vielleicht lag es an der Tatsache, dass er das atemberaubende Outfit trug, welches der Schwarzhaarige ihm geschenkt hatte. Die weiße Bluse schmiegte sich an seinem Körper, doch durch ihre luftige Weite war ihm keineswegs warm. Auch wenn die stickige Luft ihm zusetzte. Die Ketten, welche sich vorne über seine Brust und seiner Magengegend präsentierten, ließen ihn funkeln und glitzern, als wäre er der Mond selbst. Er hatte schon, seit er mit dem anderen im Auto saß, dass Gefühl, Jungkook habe ihn mit Absicht so gekleidet. Er trug nicht wieder der Rest der Anwesenden einen Anzug und dadurch stach er hervor. Um ehrlich zu sein, wollte er das nicht. Er mochte es unscheinbar zu sein.
Der Lilahaarige verdrehte die Augen und bevor er zu einer Antwort ansetzte, kam ihm Taehyung zuvor.
"Er ist ein Engel und beschützt alle, die seine Hilfe beanspruchen."
Der Kleinere blickte zu dem mittlerweile Blondhaarigen, der scheinheilig an die Deckenwölbung schaute. Jimin stieß ihm in die Rippen, ehe er sich zu dem Mädchen wandte. Doch sie war schon wieder weg.
"Das war die eine Tochter vom Veranstalter dieser Feier", erläuterte Yoongi und zog ihn mit sich. Sie spazierten durch die Gäste, denen Jungkook alle entweder in eine Umarmung schloss oder nur höflich zunickte. Jimin versuchte derweil höflich zu wirken, dabei wollte sein Inneres die Beine ihn die Hand nehmen und weglaufen. Nur blöd, dass Jin und Namjoon hinter ihm liefen. Zu den Sternen, was hatte er sich dabei gedacht mitzukommen? Das hier war nicht seine Welt, sondern Jungkooks.
"Ihr seid spät", ertönte eine Stimme, die den Lilahaarigen von seinen Schuhen aufblicken ließ. Der große, braunhaarige Koreaner, welcher erst Jungkook in eine herzliche Umarmung schloss und ihm danach neugierige Blicke zuwandte, wirkte auf ihn sympathisch. Sein Lächeln war es auf jeden Fall.
"Dann musst du wohl der berühmt, berüchtigte Park Jimin sein, von dem mir Jin erzählt hat."
Der Kleinere wusste nicht so recht, wie er mit der Situation umgehen sollte, und sendete hilfesuchende Blicke zu Jungkook und Yoongi, wobei letzterer ihn nur hämisch angrinste. Keine zwei Sekunden später befand er sich in einer wärmenden Umarmung wieder. Jimin nahm das Aftershave des Größere in sich auf und, warum auch immer, fühlte er sich geborgen.
"Willkommen in der Familie!"
Jimin zog die Augenbrauen hoch und schielte zu Jungkook. Der Schwarzhaarige starrte stur gerade aus, als wolle er ihm nicht erklären, was das zu bedeuten hatte.
"In welcher Konstellation steht ihr zu einander?", fragte der Lilahaarige und sah sich nebenbei um. Hinter dem Braunhaarigen, dessen Namen er noch immer nicht kannte, standen weitere sechs Männer. Alle in schwarzen Anzügen gekleidet, außer einer. Seine leuchtend roten Haare passten perfekt zu seinem lockeren schwarzen hemdartigen Shirt. Jimin merkte ihm an, dass er sich hier unwohl fühlte. Sein Blick glitt nervös hin und her, als wolle er die Lage stets im Augen behalten, als würde er sich schützen wollen. 
"Wo sind denn meine Manieren. Freut mich dich kennenzulernen, ich bin Kim Yugyeom? Jungkooks Halbbruder."
Also da wehte der Wind. Jimin fand es schon merkwürdig, dass sie einander so nahe standen. Bevor jedoch irgendwer weitersprechen konnte, ertönte eine Stimme von dem Podium zu ihrer Linken. Ein Mann mittleren Alters stand vor dem Mikrofon. Seine Augen wirkten Müde, geschafft, doch seine Haltung war souverän. Er würde stets seine Schäfchen beschützen, ja selbst in den Krieg ziehen.
Zumindest schloss Jimin das daraus.
"Es ist mir eine Ehre, euch alle heute hier willkommen zu heißen! Es ist lange her, dass wir uns zusammengefunden haben, aber umso wichtiger, dass es erfolgt, denn die Umstände zur Zeit sind nicht gerade rosig. Darum bitte ich die Chefs der jeweiligen Gruppierung in den nächsten zwei Stunden mit mir in den Konferenzsaal zu gehen! Bis dahin, genießt das Buffet und die Musik!"
Und just in diesem Moment setzte ein Klavier ein, mitsamt einem kleinen Orchester, welches vor der großen Glaswand spielte, wo es hinunter in den Garten ging. Das Buffet stand zu ihrer rechten und als Jimin einen Blick schweifen ließ, begann sein Magen zu Knurren. Aber er war nicht der Einzige! Zwei von Yugyeoms Freunden, einmal der Rothaarige und ein breitschultriger, gut durchtrainierter Mann, dessen Haare mehr Gel, als alles andere zu sehen schien, liefen das Wasser auf im Mund zusammen.
Jimin errötete, während Jungkook und Yugyeom lachenden Gesichter tauschten.
"Komm Jimini, wir gehen uns was zu essen suchen", sagte Taehyung und hakte sich bei ihm unter.
"Wir kommen mit!", bestimmte der Weißhaarige und zog den Mann, dessen Körper aus mehr Beinen als dem Rest bestand mit ihnen.
"Im Übrigen", begann der Größere, nachdem sie beim Buffetessen angekommen waren.
"Ich bin Jackson und das neben mir ist Bambam!"
Jimin schenkte ihnen beiden ein Lächeln und stellte sich ebenfalls vor. Der Lilahaarige bemerkte im Nachhinein, dass Bambam eine wirklich gute Gesellschaft bot. Da sie beide, so wie der Rothaarige es erzählte, nicht aus diesem Millieu stammten, verstanden sie sich bestens. Zusammen saßen sie etwas abseits auf einer Fensterbank und beobachteten das Geschehen, dass sich vor ihnen abspielte. Jungkook sprach gerade mit Yugyeom und zwei Frauen, welche atemberaubende Kleider trugen. An sich fand Jimin es großartig, dass hier so viele Frauen vertreten waren, sie schienen stark und souveränen zu sein, unabhängig und machtvoll. Unglaublich.
Doch es waren Bambams Worte, die ihn ablenkten.
"Ich habe, warum auch immer, dass Bedürfnis mich dir zu öffnen, komisch oder?", lachte der Rothaarige peinlich berührt und kratzte sich nervös an der Wange. Jimin schüttelte den Kopf. Das war es überhaupt nicht. Es gab viele Menschen, denen es so erging, und er war der Letzte, der Nein zu dem Thailänder sagen würden. Demzufolge forderte er ihn auf, dass zu sagen, was er sagen wollte, er ermutigte den Größeren. Ihm war es egal, dass sie sich erst eine Stunde kannten, auch wenn es sich amfühlte wie zehn Jahre.
Ihre Synergie war erstaunlich.
"Weißt du, ich habe viele schlimme Dinge gesehen, Familien, die in Stücke gerissen wurden. Tote, die neben mir verwesten, Kinder, welche die Leichen ihrer Eltern festhielten, um noch etwas von ihnen zu haben, um sich an ihnen festzuklammern, da sie wussten, die Welt würde sie zerbrechen."
Jimin blickte Bambam in die Augen und sah den Schmerz, den Kummer und das Leid, erblickte alles, was ihm widerfahren waren. Dem Lilahaarige kroch eine Gänsehaut über den ganzen Körper, während er den Worten Bambams folgte. Er war eine Sklave gewesen. Diese Aussage erschütterte Jimin so sehr, dass sein Herz sich schmerzhaft zusammen zog. Er konnte nicht anders, als die Hand des Rothaarigen zu nehmen und sie zu umklammern. Er hatte das Gefühl sein Leben hinge davon ab. Der Lilahaarige spendete ihm Trost, ob er es wollte oder nicht. Manchmal tat er das einfach. Er sendete unterschwellig dieses Gefühl von Geborgenheit ab, von Liebe, von seinem Dasein. Auch wenn er Bambam nicht kannte, sie hier zum ersten Mal sprachen, so hatte sich Jimin vorgenommen dem Thailänder zu helfen, bei ihm zu sein, eine zweite Anlaufstelle für seine Schmerzen zu haben, wenn das Team von Yugyeom mal nicht ausreichte. Denn auch Bambam merkte, dass er eine gebrochene und geschundenen Seele besaß, die um Hilfe rief. Und er merkte an dem Griff des Rothaarigen, dass er ihn ebenfalls halten würde.
"Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, auf jemanden zu warten, der weiß, dass du mit deinem Kopf manchmal in den Wolken hängst und das er sieht, dass es nichts ist, was man reparieren müsste. Jemand, der weiß, dass du oftmals völlig von der Rolle bist, aber stets die Arme für dich offen hält, um zurück in die Realität zu finden. Lass dich auf niemanden ein, der engstirnig ist, der dich nur von einer Seite sieht. Finde jemanden, der einen Schritt zurück macht, um die Tage, die Wochen, Minuten oder Sekunden von einem anderen Standpunkt aus betrachtet. Warte auf jemanden, der dich inspiriert, der deine Kreativität fördert, sie leitet, sie zum explodieren bringt. Warte auf jemanden, der dich Du selbst seien lässt, in jeglicher Form, die es gibt. Denn du solltest niemals für weniger zu haben sein."
Seine Worte brachten Jimins Herz zum Beben. Es war Bambams Stimmlage, der Ton, der ihn erschaudern ließ. In gewisser Weise hatte der Lilahaarige das Gefühl, der Thailänder sprach über Yugyeom und er fand es unbeschreiblich, wie viel Gefühl er in seine Worte steckte.
"Durch Yugyeom und Jackson, und Mark und Youngjae und Jaebum und Jinyoung habe ich wieder Freude am Leben gefunden. Freude an den Dingen, die die Welt uns schenkt."
Bambams Augen begannen zu lächeln und dieses Lächeln, welches er Jimin schenkte, war entwaffnend.
"Wir sind Mosaike, Stücke aus Licht, aus Liebe, aus Geschichte. Zusammen geschweißt durch Magie, Musik und Worte."

Canary [JiKook]Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum