Kapitel 15

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Am nächsten Morgen war ich zwar übermüdet, aber glücklich. Ailin war wieder soweit genesen, dass sie mit unserem Zug laufen konnte ohne zurückzufallen oder ihn aufzuhalten. Milluk hatte sich einen komplizierten Plan ausgedacht, wie wir uns der Festung nähern konnten, ohne gleich von den Spähern und Wachen entdeckt zu werden. Wir sollte uns in kleinen Gruppen bewegen, in einem großen Halbkreis auf die Festung zulaufen, dabei aber oft den Schutz von Bäumen, Hügeln oder Gesteinsformationen suchen. Dementsprechend langsam kamen wir voran. Ailin blieb die ganze Zeit über an meiner Seite, sagte jedoch nicht viel. Unsere Kommunikation beschränkte sich auf das Notwendigste und meine Stimmung sank zusehends. Überhaupt, was machte ich mir Hoffnungen? Ich wusste genau, dass Ailin mit ihrer Tätigkeit als Magierin einer partnerschaftlichen Beziehung entsagt hatte. Sie hatte geschworen, ihrem Land, ihrer Religion und vor allem ihrem Vater zu dienen.

Langsam aber sicher rückte die Festung der Elementarier näher. Auf unserer Wanderung hatten wir sie inzwischen fast zur Hälfte umrundet. Seltsamerweise war uns währenddessen keine Menschenseele begegnet, geschweige denn irgendwelche Mutanten. Ich fragte mich, welchen Grund dies haben konnte. Im Nachhinein wäre es wohl gut gewesen, wenn ich mich mit dieser Frage damals ein wenig intensiver beschäftigt hätte. Doch Under, ich hatte herausgefunden, dass der Mutant so hieß, hielt es für normal und durchaus nicht gefährlich. Allerdings drängte er uns zur Eile.

"Wenn so wenig Wachen zu sehen sind, bedeutet das, dass sie ein Großereignis vorbereiten und alle verfügbaren Arbeiter brauchen, um alles herzurichten. Die Hinrichtung muss kurz bevorstehen", führte Under eines Abends aus. "Morgen werden wir uns die Festung schleichen, ich kenne einen versteckten Eingang, der bei dieser Unterbesetzung sicherlich nicht bewacht wird. Dann sehen wir weiter. Hoffen wir mal, dass wir dann nicht zu spät kommen."

Nach dieser Ansprache kam Ailin auf mich zu, nahm mich am Arm und führte mich ein Stück vom Lager weg. Die Sonne ging gerade unter, sie schickte ihre letzten warmen Strahlen auf das Land, doch viel mehr als die Strahlen der Sonne fühlte ich Ailins Hand an meinem Arm, warm trotz des Stoffes meines Hemdes zwischen uns.

"Ich möchte mit dir sprechen", begann sie und öffnete damit bei mir ein Fass voller Gefühle. Ich konnte mir genau vorstellen, was sie jetzt sagen wollte.

"Wir haben in den letzten Wochen viel Zeit zusammen verbracht", würde sie sagen, "und das geht nicht spurlos an einem vorüber. Ich habe gemerkt, dass du mich magst." Daraufhin schaue ich zu Boden. "Und ich möchte nicht, dass das so ungeklärt zwischen uns steht, bevor wir die Festung betreten." Sie holt tief Luft, wie sie es in letzter Zeit oft vor wichtigen Worten getan hat. "Ich kann nicht mit dir zusammen sein, und das weißt du auch. Ich bitte dich, mach diese Unternehmung nicht noch schwieriger damit, sie ist schon kompliziert genug." Dann dreht sie sich um und geht zu Milluk, der schon auf sie wartet...

"Hörst du mir überhaupt zu?" Mit einem Blinzeln kehrte ich zurück und sah Ailin an, die noch immer vor mir stand. Ich nickte und schluckte, doch der Kloß in meinem Hals wollte nicht weichen. Die Vorahnung war zu erdrückend.

"Also... ich will mit dir reden... weil..." Nun sag es schon, dachte ich, geh wieder zu Milluk, das ist doch der einzige Grund, warum er überhaupt hier ist.

"Ich habe die letzte Zeit mit dir sehr genossen. Und... ich möchte, dass du es weißt, bevor wir die Festung betreten." Sie holte tief Luft. Ich wusste es. "Wenn das hier vorbei ist, würde ich für dich meine Stellung als Magierin im Dienste des Königs aufgeben." Es war für mich, als würde ich nach endloser Zeit unter Wasser auftauchen und das erste Mal wieder Luft holen.

"Ich habe bei Amea und Jandal gesehen, wie schön es ist jemanden zu lieben und geliebt zu werden. Allerdings... ich weißt nicht, ob du es genauso siehst?" Ihre letzten Worte endeten in einer leisen Frage und sie schaute zu Boden. Ich konnte nichts sagen, nichts erwidern. Ich zog sie einfach nur an mich heran und nahm sie in die Arme. Sie schmiegte sich an mich und fühlte ihre zierliche Gestalt unter meinen Händen, spürte wie sich ihr Brustkorb hob und senkte, wie sie sich langsam entspannte. Ich neigte meinen Kopf zu ihr hinab und murmelte in ihre Haare: "Ich will den Rest meines Lebens mit dir verbringen."

NeulandWhere stories live. Discover now