Zum ersten mal bei ihm zu Hause

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"Nein, das passt nicht...", überlege ich laut, während ich zum Radierer greife. Ich radiere meine letzten Sätze weg und denke nach, was ich stattdessen schreiben könnte. Doch mir fällt nichts ein. Unbewusst fange ich an auf dem Ende meines Bleistifts herum zu kauen. "Na? Gehen dir langsam die Ideen aus?", lächelt Nathaniel mich von der Seite an und reißt mich damit aus meinen Gedanken. "Irgendwie schon", antworte ich und lege meinen Kopf auf den Tisch und schaue zu Nathaniel. Er hingegen macht sich sofort wieder an die Arbeit und ich fange an ihn zu beobachten.

Wie er jeden einzelnen Strich zieht und wie ihm währenddessen seine Haare immer wieder ins Gesicht fallen. Mir gefallen seine langen Haare sehr, auch wenn Nath oft bemerkt wie sehr sie ihn beim Zeichnen stören. Ich hab versucht ihn davon zu überzeugen Haarklammern zu benutzen, aber er fände das zu peinlich. Er schaut er zu mir und ich bemerke, dass ich ihn die ganze Zeit angestarrt habe. "Ist was?", fragt er mich und streicht sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ich fühle mich erwischt, als hätte ich etwas unanständiges getan. "Hm? Ach. Ehm. Nein, alles gut.", werde ich rot und verstecke mein Gesicht in meinen Armen. Dann klopft es auf einmal an der Tür.

Unser Kunstlehrer kommt in den Kunstraum und sagt: "Hallo Jungs, es ist schon eine halbe Stunde nach Clubschluss. Ich denke ihr solltet euch langsam auf den Nachhauseweg machen." "Schon so spät?", sagt Nathaniel erschrocken und starrt auf die Uhr hinter sich. Ich schließe mein Notizbuch und sammle meine Schreibutensilien ein, stopfe sie dann in meinen Rucksack und steche auf. "Ein schönes Wochenende euch dann noch.", lächelt unser Kunstlehrer uns an und verlässt wieder den Raum. Ich gehe auch zur Tür, doch bleibe dann stehen um auf Nathaniel zu warten. Er fängt auch an sein Zeug in seine Tasche zu packen und sammelt die ganzen zusammen geknüllten Papierkugel auf, die er um sich herum verteilt hat.

"Du Marc", beginnt er und ich schau ihn an, doch er schaut nicht zurück, sondern weiter auf den Boden, "Hast du vielleicht Lust mal mit zu mir nach Hause zu kommen? Dann könnten wir da weiter arbeiten und du kannst sogar bei mir übernachten, es ist ja schließlich jetzt Wochenende." Er wird leicht rot und ich ebenso. Zu ihm nach Hause gehen? Und dann auch noch bei ihm übernachten? Das klingt super, aber ich mach mich sicher total lächerlich. Bisher haben wir immer nur nach der Schule zusammen an unserem Comicbuchprojekt gearbeitet und uns ab und zu mal getroffen um etwas zu unternehmen, doch bei ihm zuhause war ich noch nie. Das würde ich schon echt gerne, aber ich hab auch ziemlich Angst. Das hört sich irgendwie auch echt gruselig an. Ich meine alleine in seinem Zimmer und dann auch noch die ganze Nacht, bis wir am Morgen zusammen aufwachen? Ahhh, bei dem Gedanken fängt mein Herz an zu klopfen.

"Marc?" Nathaniel reißt mich aus meinen Gedanken und schaut mich besorgt an. Ich hab wohl zu lange nachgedacht und ihn zu lange auf eine Antwort warten lassen. "Ja klar gerne.", sage ich und lächle, was wohl ziemlich gequält aussieht. "Nur wenn du möchtest, natürlich.", entgegnet Nath und steht schließlich auf. "Natürlich möchte ich.", antworte ich und halte ihm die Tür auf. "Gut.", sagt er und wir verlassen den Kunstraum. "Es wäre nur gut, wenn wir vorher zu mir nach Hause gehen könnten, damit ich meiner Mutter Bescheid sagen kann und mir noch ein paar Sachen holen kann. Du weißt schon.", bemerke ich, während wir gerade die erste Stufe der Treppe nach unten nehmen. "Geht klar.", antwortet Nathaniel etwas kleinlaut.

Ich schau zu ihm und er starrt nur auf den Boden. Seine Wangen sind immer noch etwas rot. Denkt er etwa ich hab gezögert, weil ich eigentlich nicht möchte? Und dass ich nur ja gesagt habe, um nett zu sein und ihn nicht zu verletzten? Ich hoffe nicht, denn so ist es nicht. Ich möchte wirklich sehr gern, doch das ist das erste mal, dass ich jemanden bei ihm zu hause besuche. Es gibt einfach so viel, was ich falsch machen könnte und dann will Nathaniel vielleicht nichts mehr mit mir zu tun haben. Nein. Das stimmt nicht, Nath ist mein bester Freund und egal was ich tue er wird mich nicht alleine lassen. Und verlassen würde er mich auch n-
"Marc, hörst du mir überhaupt zu?", reißt mich Nathaniel ein weiteres mal aus meinen Gedanken.

Lass mein Herz explodierenWhere stories live. Discover now