Nacht 18

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Gestern war ich sehr früh und heute spät. Ich sprinte die ganze Strecke, um noch rechtzeitig anzukommen, obwohl nichts geplant ist und ich für nichts verpflichtet bin.

Er sitzt auf der Mauer. Beobachtet die Straße, nicht den Himmel. Aber er schaut in die falsche Richtung. Er weiß nicht, woher ich komme, denn ich nehme nicht immer die gleiche Straße, um zu meiner Wohnung zurückzukehren. Oder er sucht nicht mich, sondern starrt einfach nur in das dunkle Weite.

Mein Unbekannter schüttelt den Kopf und will losgehen. Bleibt aber stockend stehen, weil ich in seinem Weg stehe.

"Heilige Scheiße!", ruft er und springt zurück. "Die Millisekunde, die ich dich nicht erkannt habe, dachte ich, dass es jetzt für mich das Ende ist und du mich umbringst."

Schuldgefühle kommen in mir hoch, aber ich weiß nicht, was ich sagen soll. Es wäre auch nur japsend, weil ich nach Luft ringe. Sprints mache ich sonst nie.

"Man, bist du okay?", fragt er.

Er mich. Er fragt mich, nachdem ich ihn fast zu Tode erschreckt habe.

"Ich bin... gesprintet."

"Den ganzen Weg von deinem Zuhause bis hier?"

Ich nicke. "Von meiner Wohnung bis hier."

Er kann nicht wissen, dass es ein ordentliches Stück ist, aber irgendwoher weiß er es trotzdem. Vielleicht merkt er es daran, dass ich nach Luft schnappe.

Wir sind still. Das ist für ihn ungewöhnlich und das macht mich nervös.

"Wegen gestern... du weißt schon. Weil du mir das von dem Polarstern erzählt hast", fange ich an, aber es ist mir verdammt unangenehm.

"Ich weiß", sagt er. "Ich habe es dir gerne erzählt und kann dir noch mehr erzählen."

"Warte, ich wollte mich-", starte ich den zweiten Versuch.

"Bedanken. Ich weiß. Du bist den ganze Weg von wer weiß wo hierher gesprintet, um mich zu sehen. Oder eher zu hören. Also, ich weiß. Du musst es mir nicht sagen."

Und ich bin ihm verdammt dankbar, dass ich es nicht aussprechen muss und auch das weiß er.

SternenhimmelWhere stories live. Discover now