Afraid of the Midnight

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Der laue Sommerwind braust durch den kleinen aber feinen Hafen Lappeenrantas. Es ist wiedermal ein wunderschöner Sommertag, der durch einen farbenfrohen Sonnenuntergang gekrönt wird. Ein leises seufzen kann sich Riku jedoch nicht verkneifen, als er sich auf die Steinmauer setzt. Noch bis vor ein paar Minuten hatte er einen Gig in der Bar Kasinoterassi. Es war wunderschön. Eine Menge Leute waren gekommen, um seine eigenen Songs zuhören. Nach der Final Tour mit Sunrise Avenue hat es der Lockenkopf im nächsten Jahr geschafft sein eigenes Album zu veröffentlichen. Lange war er nicht mehr so stolz wie jetzt. Und ausgerechnet etwas nach einem Jahr nach ihrem letzten Konzert mit Sunrise Avenue hat der ehemalige Gitarrist seinen aller ersten Gig, gefüllt mit seinen eigenen Songs. Seine ehemaligen Bandkollegen und Freunde waren alle gekommen. Alle bis auf einer. Ein erneutes seufzen verlässt Rikus Kehle. Diesmal viel lauter und verzweifelter als zuvor. Es gleicht schon fast einen melancholischem Schluchzen.
Monatelang hat Riku den Blondschopf nicht mehr zu Gesicht bekommen. Nach der Final Tour ging jeder seinen eigenen Weg, dennoch blieben alle in Kontakt. Nur Samu kapselte sich von allen ab. Keiner wusste mehr so wirklich, was in seinem Leben so vor sich ging. Selbst die Social Media Welt hat Samu abgeschrieben, so als wäre er für eine Weile einfach abgetaucht. Es versetzt Riku einen kleinen Stich ins Herz, obschon es ihm egal sein sollte, was der Halbfinne treibt. Sie hatten sich mit der Zeit gänzlich auseinander gelebt. Aus einer tiefgründigen Freundschaft wurde ein harmloses Verhältnis als Arbeitskollegen. Nicht mehr und nicht weniger und von jetzt auf gleich. Immer wieder kam es zu kleinen Nicklichkeiten und Streitereien, die immer weiter ausarteten. Der Lockenkopf konnte es Samu nie recht machen. Alles machte er laut Samu falsch; Stahl ihm die Show oder versuchte sich angeblich in den Mittelpunkt zu schieben. 'So ein Blödsinn' dachte sich der Lockenkopf und dennoch versuchte Riku sich immer wieder an den Sänger anzunähern. Er vermisste seinen ehemaligen besten Freund. Er vermisste den alten Samu, dessen Ego nicht halb so groß war, wie jetzt. Immer wieder startete der Gitarrist neue Anfänge, um die Lage zwischen ihnen zu beruhigen und besänftigen. Das Ganze ging so lang bis Samu mit einem Rauswurf aus der Band drohte. Danach startete Riku keinen einzigen Versuch mehr. Es kränkte ihn sehr, dass sie plötzlich so weit waren. Dass sie nichtmal eine normale Konversation starten konnten ohne aneinander zu geraten. Doch das ganze liegt nun eine Weile zurück und Riku hätte sich gewünscht, dass Samu wenigstens an diesem Tag gekommen wäre, so wie die anderen Jungs auch. Es war das erste Mal, dass Riku einen Gig nicht vollends genießen konnte, da sein Blick immer wieder hoffnungsvoll durchs Publikum schweifte. Doch er konnte nie diese außergewöhnliche blauen leuchtenden Augenpaare entdecken, die ihn immer so fesselten. ,,Da bist du ja Riku! Kommst du gleich zu uns? Wir wollten doch mit dir anstoßen zur Feier des Tages!". Es ist Osmo, der seine Hand auf Rikus Schulter legt und sofort bemerkt, dass ihn etwas belastet. ,,Es ist wegen Samu oder?" fragt er vorsichtig nach und setzt sich neben Riku auf die Steinmauer,die einen einzigartigen Blick auf das Meer bietet. Kaum merklich nickt Riku und schaut bedrückt auf das offene Meer, welches vor ihnen liegt. ,,Er ist ein Arsch, Riku! Und das weißt du genau... Bitte lass dir von ihm nicht deinen Abend versauen ja? Es ist dein Abend! Und hey, wir anderen sind alle da und eine Menge Fans erwarten dich und wollen dich bestimmt beglückwünschen. Vergiss den Idioten!". Langsam lässt sich Omso von der Mauer gleiten und lässt Riku einen Moment allein. Mittlerweile kennt er Riku so gut, dass er genau weiß, wann Riku Zeit für sich braucht. Durch ihre gemeinsamen Gigs sind sie sehr zusammen gewachsen und können sich aufeinander verlassen. Sie sind beide Vollblutmusiker. Während Riku über Osmos Worte nachdenkt, schlendert Osmo zurück zur Bar. Von weitem kann er einen großen Blondschopf erkennen. Den Gedanken, dass es Samu sein kann, legt er gleich beiseite. Doch als er nur noch mehrere Meter entfernt ist, kann er tatsächlich erkennen, dass es sich um Samu handelt, der in voller Pracht vor seinen Jungs steht. Seine Hände sind tief in seinen Hosentaschen vergraben, wie immer wenn er nervös und verlegen ist und nicht so recht weiß, wie er sich verhalten soll. Er trägt natürlich eine lässige Jeans mit T-shirt und Jeansjacke. Seine Converse dürfen bei dem Outfit selbstverständlich nicht fehlen. Seine blonden Haare sind länger geworden und stehen in alle Richtungen ab, da der Wind sie ganz zerzaust. Während sich Samu mit Raul unterhält, schaut er sich suchend um. ,,Er sitzt am Hafen!" kommt genervt aus Osmos Kehle. Schneller als er möchte, hat er die Aufmerksamkeit der Jungs auf sich gezogen. ,,Ähm, hey Samu!" Nun ist es Osmo, der verlegen da steht. Auch er hat lange nichts mehr von Samu gehört und begrüßt ihn nun mehr als unfreundlich. ,,Hey Osmo!" Samu räuspert sich und überlegt hin und her über seine nächsten Worte.
,,Danke! Ich werde gleich zu ihm gehen."  „Lass ihn noch ein, zwei Minuten allein. Er braucht das gerade!" erwidert Osmo, was Samu stutzig werden lässt. Wie gewohnt hebt er dabei seine Augenbraue an und mustert Osmo einen Augenblick lang. ,,Alles klar." sagt Samu mehr zu sich selbst als zu Osmo und ignoriert seinen Rat. Zu groß ist die Sehnsucht Riku wiederzusehen. Er ist ein vollidiot, dass er den Gig verpasst hat. Den ganzen Tag war er so nervös, dass ihn die Angst gepackt hat und er sich mehrmals übergeben musste. Samu wollte nicht mehr los fahren und den weiten Weg auf sich nehmen aber dennoch hat er es getan. Für ihn. Samus Schritte werden immer schneller und von weitem kann er den Lockenkopf sehen, wie er gedankenverloren auf der Steinmauer sitzt. Sein Blick ist starr auf das Meer gerichtet. Der Blonde ist sich sicher, dass Riku gerade wohl wieder in seiner eigenen Welt schwelgt. Auf den letzten Metern werden Samus Schritte deutlich langsamer. Im Gegenzug dazu, verdreifacht sich sein Herzschlag. Sein Puls steigt in die Höhe und es fühlt sich so an, als wurde sein Herz gleich aus seiner Brust hüpfen, so nervös ist der Halbfinne. Als er unmittelbar vor Riku steht, setzt sich Samu mit Abstand auf die Mauer und schweigt. Er möchte etwas sagen, doch seine Stimme versagt kläglich. Die Worte bleiben ihm im Halse stecken. Er weiß nichtmal, ob ihn Riku registriert hat. ,,Ist das dein Ernst?" fragt Riku irgendwann. Seine Stimme ist bedrohlich ruhig. ,,Was?" flüstert Samu. „Du bist zu spät! Außerdem setzt du dich hier schweigend neben mich, als wäre nichts passiert anstatt etwas zu sagen?" Rikus Blick schweift vom Meer ab. Er kann dem Verlangen nicht mehr standhalten nicht in Samus strahlenden blauen Augen zuschauen. Doch Samus Augen stralen nicht mehr wie früher, dass bemerkt Riku sofort. ,,Es tut mir wirklich leid, Rick!" ,,Ich brauche keine Entschuldigung von dir, Samu! Monatelang habe ich nichts von dir gehört. Ich habe euch alle zu meinem Gig eingeladen und keine Rückmeldung von dir erhalten. Ich habe mir zwar gewünscht, dass du da bist aber mir war klar, dass du nicht erscheinen wirst." ,,Ich bin doch hier Rick, ich bin hier" „Du bist zu spät hier!". Mit diesen Worten richtet sich Riku auf und lässt sich von der Steinmauer gleiten. Sein Blick schweift ein letztes Mal vom Meer zu Samu. Ein letzter Blick in Samus blaue Augen, die Riku zeigen, dass es besser ist sich von ihm zu entfernen. Während Riku zurück zur Kasinoterassi schlendert, bleibt Samu stumm auf der Mauer sitzen. Vereinzelt lösen sich salzige Tränen aus seinen Augen, die sich einen Weg über seine Wangen suchen.
Es beginnt langsam zu dämmern und der Mondschein erhellt den kleinen Hafen. Es hat eine romantische Atmosphäre an sich. Würde Samus Herz nicht so sehr schmerzen, könnte er diesen Augenblick mit Sicherheit genießen. Doch es fühlt sich so an, als würde jemand auf seinem Herzen treten und versuchen alles gerade zu rücken, wie es mal war. Dabei vergisst der Blonde Raum und Zeit und fühlt nur diesen unerbittlichen Schmerz in seiner Brust. Mittlerweile funkeln zahlreiche Sterne am weitem Horizont. Als ihm das bewusst wird, verlässt ein Schluchzen seine Kehle. Sein einziger Gedanke ist, dass Riku wohl schon längst auf dem Heimweg ist und er seine womöglich einzige und letzte Chance vermasselt hat. Wütend steht Samu auf und kickt einen Stein vor sich in Richtung Meer. „Paska!" flucht er laut und kickt einen weiteren Stein weg. ,,Der Stein kann auch nichts dafür, dass du ein idiot bist!". Hektisch dreht sich Samu um und kann seinen Augen kaum trauen. ,,Du bist noch hier?" ,,Du bist ja auch noch hier und kickst wütend Steine ins Meer." Riku will versuchen seine Emotionen zu verstecken aber ein kleines schmunzeln kann er sich einfach nicht verkneifen. Zu putzig sieht es aus, wenn der große Blonde Finne bockig umher tigert. ,,Wieso bist du hier?" ,,Ich hatte einen Gig hier, den eine bestimmte Person verpasst hat und du?" ,,Ich habe einen wichtigen Menschen in meinem Leben verletzt und habe gehofft, dass er wieder kommt, damit ich es wieder gut machen kann." Samus Stimme wird immer leiser und er hält es kaum aus Rikus Blick stand zu halten. Wie hat er diese wunderschönen blaugraue Augen vermisst hat. Wie sehr hat er dieses zarte Lächeln vermisst, welches Rikus Lippen umspielt. ,,Soso... Und du glaubst, du kannst alles wieder gut machen?" ,,Nein, mit Sicherheit nicht Rick! Das ist mir bewusst. Ich weiß, wie sehr ich dich, wie sehr ich uns beide verletzt habe mit meiner dummen Aktion und ich alles vermasselt habe. Ich kann dir nur sagen, wie schrecklich leid es mir tut. Ich weiß. dass es niemals so wird, wie es mal war und ich weiß, dass du mir vielleicht niemals verzeihen kannst. Aber was ich wirklich weiß Rick, das ist, dass noch immer Gefühle für dich habe und das diese nicht so schnell verfliegen werden. Ich hab's versaut, als ich damals geflohen bin, weil ich ein feiges Arschloch war und meine Gefühle nicht zulassen wollte, aber Riku, du musst mir glauben, wenn ich dir jetzt sage, dass ich mir nichts mehr wünsche, als eine zweite Chance!" ,,Samu...ich ähm..." Rikus verzweifelter Blick zeigt, wie hin und her gerissen er ist. Sein Herz hat Samu sofort verziehen, doch sein Kopf raucht und macht ihn einen Strich durch die Rechnung. Diese Worte waren Balsam für Rikus Seele und dennoch verunsichert ihn alles. Samu bemerkt, wie unentschlossen der Lockenkopf vor ihm steht und nutzt seine Chance. Er nähert sich einen Schritt und wartet eine Reaktion ab, doch es geschieht nichts .Endlich kann der Blonde den Duft des Gitarristen wieder inhalieren. Zu lange musste er darauf verzichten. Langsam wagt sich Samu einen weiteren Schritt auf Riku zu. Nur noch wenige Zentimeter trennen sie voneinander. Der Lockenkopf kann schon den Atem von Samu spüren und eine Gänsehaut überfährt seinen gesamten Körper. Egal, wie gerne er sich dagegen wehren würde, so gern genießt er diesen Moment. Ihre Augen treffen aufeinander und ihre Blicke werden intensiv. ,,Es tut mir so leid, Rick! Ich hasse mich selbst dafür, dass ich dich verletzt habe. Und auch wenn du mir nicht verzeihen kannst, muss ich ein letztes Mal das hier tun!" flüstert Samu und legt seine Hande an Rikus Wangen. Zögerlich nähert er sich Rikus Lippen bevor er eilig nach ihnen schnappt. Ihre Lippen verschmelzen miteinander. Erst zögerlich, langsam und zaghaft. Doch dann siegen ihre Gefühle und die beiden geben sich dem Moment hin. Im Mondscheinlicht des Hafens stehen die beiden eng umschlungen, streicheln und berühren sich und lassen diesen Moment ewig währen.

Oneshot {siku}Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt