Kapitel 2

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Als ich das Zimmer betrat befand ich mich in unserem Wohnzimmer wieder. Mein sechsjähriges-Ich pustete gerade die Kerzen aus und meine Familie klatschte. Ich konnte nicht leugnen dass das faszinierend war, aber ich werde wahrscheinlich niemals erfahren wodurch sie unsere Erinnerungen haben oder sogar unsere möglichen Zukunftsoptionen. Und überhaupt, wie konnte dieses Haus von innen noch größer sein als es aussah? Die Mitarbeiter wussten auf diese Fragen aber bestimmt auch keine bessere Antwort als ich, also gar keine. Also schaute ich weiter meiner Erinnerung zu. Der Kuchen war ein wenig verschwommen und ich konnte nur noch erkennen, dass er unten grün war. Ich nahm an, dass es Gras war. Meine Eltern trugen bunte Partyhüte mit nicht mehr erkennbaren Mustern. Ich schnitt den Kuchen an und anschließend aßen wir ihn. Dann verblasste meine Erinnerung und wir standen in dem leeren Raum, der er eigentlich war. „Ok, können wir dann jetzt in den interessanten Part übergehen?" fragte Jace mich. „Ja, lass uns rübergehen". Wir gingen in Raum 6.,den Nebenraum. In diesem Raum standen Sessel, und irgendetwas wurde so angestrahlt, dass man um seine Zukunftsmöglichkeiten herumgehen konnte. Es waren hunderte Felder zu sehen. Alle noch grau und mit einem weißen Fragezeichen versehen. „Ich kann nur zwei davon antippen, richtig?" Ich drehte meinen Kopf zu ihm und schaute ihn fragend an. „Ja, zwei deiner Wahl" stimmteer mir zu. „Ok". Ich tippte ein kleines Feld gleich in der linken Ecke an. Es wurde größer, bis es den ganzen Bildschirm bedeckte. Das grau verblasste immer mehr, bis ein Bild zu erkennen war. Das war das schlechte an den Zukunftsoptionen, es war immer nur ein Bild zu sehen, weil die Zukunft noch nicht so sicher feststand, dass man zusammenhängende Videos sehen konnte. Ich wich vor dem Bild zurück. Ich lag blutüberströmt auf dem Boden einer Gasse, ein Messer im Bauch steckend. Die Wand hatte genau wie mein Gesicht ein paar Spritzer Blut abbekommen. Meine dunkelbraunen Locken waren an den Enden vom Blut verfilzt. Meine Hände fassten an die Wunde in meinem Bauch. Warum auch immer ich das Messer nicht herausziehen werde, oder eher gesagt in dieser Zukunftsoption, im Moment war ich dankbar dafür, nicht den Stich in meinem Bauch und das blutnasse Messer zu sehen. Lieber sah ich das Messer in meinem Bauch stecken. In dem Moment wusste ich, warum ich das Messer in der Zukunftsoption in meinem Bauch stecken lassen werde. Wahrscheinlich werde ich denken, dass mich schnell genug jemand findet und dadurch, dass das Messer in meinem Bauch stecken wird, wird die Blutung gestoppt und ich werde bessere Überlebenschancen haben. Schmerzen werde ich dort so oder so haben. Ich drehte mich überhaupt nicht zu Jace um, um seine Reaktion zu sehen, sondern drückte sofort die Zurücktaste, um das nächste Feld auszuwählen. Diesmal nahm ich ein ziemlich Großes, relativ nah an der rechten Ecke. Wieder wurde es größer, bis es das ganze Feldausfüllte. Ich beruhigte meinen Puls, während ich zusah wie das grau immer mehrverblasste. Als das Bild fast komplett zu sehen war drehte ich mich das erste Mal seit wir in Raum 5 waren zu Jace um. Er schaute interessiert zum Bildschirm und beachtete mich nicht, also drehte auch ich mich wieder um. Ich war auf diesem Bild auf meinem Schreibtisch zu sehen, wie ich eine Person zeichnete, Brooke. Ich hatte seit Jahren nicht gezeichnet und konnte mir im besten Willen nicht vorstellen, dass ich wieder damit anfange, auch nicht für Brooke. Die letzte Person, die ich gezeichnet hatte, war meine große Schwester, die ein paar Tage nachdem ich das machte, an einem Krampanfall gestorben war. Ich drückte wieder auf den Zurückknopf und wandte mich dann wieder zu Jace. „Wollen wir in Raum 7gehen? Du wolltest doch unbedingt etwas davon sehen" fragte ich ihn. „Ja, können  wir". Er ignorierte das, was wir gerade gesehen haben, genau wie ich. Es schien ihn aber auch nicht wirklich zu stören. Vielleicht sollte ich es auch etwas lockerer sehen, schließlich waren es nur Möglichkeiten. Es heißt nicht, dass es wirklich so kommt, nur weil ich zufällig diese gewählt habe. Es gab noch tausende andere Möglichkeiten und jede konnte ich ändern, solange ich auch nur bei einer Sache anders handelte. Wir gingen aus dem Raum und betraten den nächsten. Dadurch, dass ich mich seit letztem Jahr so gut wie überhaupt nicht verändert hatte, war ich mitten in der Erinnerung, genauso wie Jace. Das heißt, wenn ich in Zukunft daran dachte, würde Jace ebenfalls darin sein. Das ist das schlechte. Ich kann so meine eigenen Erinnerungen manipulieren, solange ich mich äußerlich nicht wirklich verändere. Außerdem hatte man dann immer nur eine Stunde Zeit, in die Erinnerung einzutauchen. Ich sah mich um, obwohl ich natürlich wusste wie es aussah. Wir standen 40-50 Meter von einem Teil der Route 66 entfernt, welcher sich in einer Wüstenbiome befand. Man konnte noch vereinzelte halbvertrocknete Büsche erkennen, ansonsten war nur noch vertrockneter Boden zu sehen. „Wollen wir ein Stück in Richtung Berge gehen?" fragte ich ihn. Wir sind an einer schlechten Stelle meiner Erinnerung angekommen. Von hier aus würden wir es nicht in unserer vorgesehenen Stunde zu den Bergen oder irgendwo anders hin schaffen. Das heißt, entweder wir blieben stehen, oder wir liefen in irgendeine Richtung. Jace lief ohne mir zu antworten in Richtung Berge, ich folgte ihm. Wir liefen 30 Minuten schweigend nebeneinander, vielleicht auch etwas länger, als Jace plötzlich anhielt. Wäre ich hinter ihm gelaufen, wäre ich in ihn reingerannt, so plötzlich wie erstehen blieb. „Was ist?" „Kannst du dich konzentrieren und dir vorstellen wie wir am Berg stehen?" fragte er mich. „Was?". Ich wusste nicht worauf er hinauswollte und klang dementsprechend verwirrt. „Wir sind in deinen Gedanken, dann kannst du sie auch steuern" erklärte er. Langsam verstand ich, worauf er hinauswollte. „Du willst also, dass ich uns durch das manipulieren meiner eigenen Gedanken zu den Bergen bringe?" fragte ich ihn skeptisch. „Was bringt es uns, hier rumzustehen?" fragte er zurück. „Na schön, ich versuche es". Ichkonzentrierte mich auf Jace, der neben mir stand, auf die Berge, die jetzt noch weit von uns entfernt waren und darauf meine wirkliche Erinnerung so weit wie möglich aus meinen Gedanken zu verbannen. Dann schloss ich die Augen und konzentrierte mich noch mehr. Als ich sie wieder öffnete stand Jace an einen Stein des Berges vor mir gelehnt. Ich lächelte, als ich plötzlich ein Geräuschhörte, was definitiv nicht von Jace stammte. Ich drehte mich um und sah einen Mann mit Bart, ich schätzte ihn auf Mitte 30, 10 Meter von uns entfernt stehen, eine Pistole auf uns gerichtet. Er hatte einen wilden Ausdruck in den Augen und war, wie er aussah, nicht wirklich bei Verstand. Ich war vor Schock erstarrt, als er mein Herz fixierte. Seine Finger wanderten zum Abdrückknopf als ich mich aus meiner Schockstarre befreite. Die verrostete Kugel kam auf mich zugerast, doch für mich geschah alles in Zeitlupe.

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