Teil 10: Leuchten

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- Akaashi Keiji -

Ich erinnerte mich immernoch daran, als wäre es gestern gewesen.
Sein breites Lächeln, als ich ihm auf seine Frage antwortete.
Es war so ein schönes Lächeln, denn er lächelte nicht nur mit seinen perfekt geformten Lippen, sondern auch mit seinen Augen, seiner Ausstrahlung.
Wenn man ihn angesehen hatte, wusste man, was Glück und Freude ist.

Der fünfte Brief erinnerte mich wieder daran, wie kostbar Erinnerungen sind.
Ich hatte Bokuto Koutarou immer geliebt, aber das war der Moment, in welchem ich mein Herz an ihn verlor.
Jener Moment, der mich fühlen lassen hatte wie etwas wirklich Besonders.
Dieses Gefühl gab er mir immer, er wollte, dass ich mich jede Minute, jede Sekunde fühlte, wie die wichtigste Person auf Erden. Er trug mich auf Händen, erfüllte mir jeden Wunsch.
Wie hatte ich diesen Mann nur verdient?

Ich nahm vorsichtig den kleinen beigelegten Zettel aus dem Briefumschlag. Darauf war eine Zeichnung von zwei Strichmännchen, die auf einer Schaukel saßen.
Koutarou war schon immer ein Künstler durch und durch.
Schmunzelnd strich ich mir die einsame Träne aus dem Augenwinkel.
Er wollte mich mit dieser Zeichnung zum alten Spielplatz neben seinem Haus lotsen.
Wie viele Erinnerungen wollte er mir wieder ins Gedächnis rufen?
Wie viele Briefe, geschrieben aus seiner Hand, würde ich noch lesen?
Es machte mir Angst, zu wissen, dass mich nur noch wenige Sätze davon abhielten, mit der Liebe meines Lebens abschließen zu müssen.
Bei diesem Gedanken musste ich schwer schlucken.
Ich hasste es, nur daran denken zu müssen, ihn irgendwann hinter mir lassen zu müssen. Ich wollte mir am liebsten selbst schwören, Koutarou niemals als einen 'Lebensabschnitt' anzusehen.
Es war immerhin seine Bestimmung, immer an meiner Seite zu sein, oder nicht?

Die Autofahrt verging schneller, als ich es erhofft hatte.
Zum Spielplatz war es nicht weit. Je näher ich jenem kam, desto langsamer wurden meine Schritte.
Wie lange müsste ich mir das noch antun? Wieso hatte er diese Briefe zurück gelassen?
Auch wenn es seine Intention war, mich damit glücklich zu machen, bereiteten sie mir die größten Schmerzen.
Sie zwangen mich dazu, einzusehen, dass, wenn ich nach Hause komme, er nicht da sein wird. Dass er nie wieder nach Hause kommen würde.
Wütend biss ich mir auf die Lippe.
Doch diese Wut verwandelte sich schneller in Trauer um, als dass ich mit dem Finger schnippsen konnte.
Mein Blick galt nun der alten Holzschaukel auf dem Gelände des Spielplatzes.

Ich wusste genau wo der sechste Brief war, ich musste nichtmals großartig überlegen.
Dennoch nahm ich mir Zeit.
Ich hatte alle Zeit der Welt seine letzten Worte zu lesen.
Deshalb lief ich über den Spielplatz, schaute mir jede Ecke genau an.
Unzählige Erinnerungen gingen mir durch den Kopf, alle mit ihm.
Zu oft waren wir hier, zu oft hatte er sich wütend in dem Sandkastenhäuschen versteckt, wenn er Streit mit jemandem hatte, oder wenn wir ein Spiel verloren hatten.
Immer hatte er sich auf die Tischtennisplatte gelegt und in den Himmel gestarrt, wenn es bereits dunkel gewesen ist.

'"Guck, Akaashi! Da ist der große Wagen. Und da! Da ist direkt der kleine. So schnell hab ich die noch nie gefunden, dass ist echt cool!"
Er fuchtelte wild mit den Armen, freute sich dabei wie ein kleines Kind.
"Sterne sind irgendwie mystisch. Und echt schön."
Manchmal hatte er diese Momente, wenn er plötzlich still wurde und seine tiefsten und innersten Gefühle aussprach.
Seine Stimme war viel ruhiger und leiser.
"Wenn wir in den Himmel schauen, gucken wir in die Vergangenheit."
Ich blickte ihn an, leicht verwirrt.
"Was genau meinst du, Bokuto-san?"
Er zeigte auf den hellsten Stern.
"Der wird wohl nichtmehr leuchten, geschweige denn existieren. Er ist so viele Lichtjahre von uns entfernt und während seine Strahlen gerade erst bei uns ankommen, ist er schon lange verglüht. Und trotzdem ist er nicht vergessen, weil sein Leuchten immernoch da ist."
Sein Lächeln ist beruhigend.
"Obwohl er längst der Vergangenheit angehört, ist er dennoch da und leuchtet wahrscheinlich heller als je zuvor."'

"Du leuchtest auch. Heller als es jeder Stern jemals könnte." flüsterte ich, hoffte dabei, dass er es vielleicht irgendwie gehört hatte.
Er sollte wissen, dass er der hellste Stern im ganzen verdammten Universum war und das er, egal wie lange er schon ein Teil der Vergangenheit ist, immer hell strahlen würde. Tag für Tag wird er heller leuchten als jeder andere.

Letters. - BokuakaWhere stories live. Discover now