Junpai Yoshino ~ Fallen Angel

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Es erschien dir wie ein Traum. Vielleicht war es das auch gewesen.
Seine sanften, zaghaften Berührungen.
Seine gefühlsvollen Küsse.
Sein schüchternes Lächeln.
Vielleicht hattest du dir all das nur eingebildet. Vielleicht träumtest du immer noch.
Träumtest davon, in seinen Armen zu liegen und schlechte Filme zu schauen, während ihr über Gott und die Welt spracht.
Träumtest davon, ihn Lachen zu sehen, wenn ihr über alltägliche Dinge spracht.
Träumtest einfach nur.

Du hasstest Yuji Itadori nicht. Ganz im Gegenteil. Du warst froh, dass er Junpai am Ende ein Freund gewesen war. Dass er versucht hatte ihn zu retten, auch wenn er letzen Endes dennoch gestorben war.
Ganz im Gegensatz zu dir. Du hattest am Nachmittag vor seiner Schule auf ihn gewartet, nur um zu erfahren, dass nichts als eine deformierte Leiche von ihm übrig geblieben war. Das wäre der perfekte Moment für einen Zusammenbruch gewesen. Du hättest schreien, weinen oder die nächste Wand einschlagen können, doch du warst still geblieben. Hattest nur darum gebeten, ihn ein letztes Mal sehen zu dürfen.
Und nicht einmal als du schließlich vor diesem merkwürdig verunstalteten Körper standest, der nichts mit Yoshino gemeinsam zu haben schien, zeigtest du viel Reaktion.
Nur ein kurzes Nicken. Zu mehr warst du nicht in der Lage. Es war, als hätte sich ein großes, schwarzes Loch in deiner Brust auf getan, dass jegliche Gefühlsregungen in sich hinein sog. Du knietest dich hin und strichst das zerzauste, schwarze Haar aus dem Teil, zu dem sein Gesicht geworden war. Deine Hand zitterte, während du dich erinnertest, was noch vor wenigen Stunden gewesen war.
Er war so schön gewesen, wenn er lächelte. Schön, wie ein gefallener Engel in der Dunkelheit, den du nicht hattest retten können. Der zu tief gefallen war.
So schön wie er nun nie mehr sein würde. Weil irgendjemand ihm die Möglichkeit dazu genommen hätte. Irgendein grausames Monster.
Er hatte dir versprochen, and diesem Abend mit dir Titanic zu schauen und dich im Arm zu halten, wenn du wieder heulen musstest. Tränen traten dir in die Augen, als du dich erinnertest, wie er dich zum Abschied geküsst hatte.
Hatte er gewusst, dass ihr euch nicht wieder sehen würdet?
Hatte er gewusst, dass dies eure letzten gemeinsamen Sekunden gewesen waren?
Warum war er heute nicht zuhause geblieben, wie an all den Tagen zuvor?
Warum hatte er schwarz getragen?
Die Narben auf seiner Stirn waren verschwunden, als deine Fingerspitzen über die besagte Stelle strichen.
Du erinnertest dich an den Tag, an dem du ihm zum ersten Mal das Haar aus dem Gesicht gestrichen und die Brandnarben, welche er darunter versteckte, gesehen hattest. Es hatte dich nicht überrascht. Er hatte stets so unglaublich traurig ausgesehen. So verletzt.
Und doch war er irgendwie stark gewesen. Dafür hattest du ihn bewundert. Dafür, dass er all den Hass, den seine Mitschüler ihm entgegenbrachten, so lange ertragen hatte.
Du hattest ihn eben geliebt. Er hatte dir Mut gemacht. Im Gegenzug hattest du versucht, ihn wieder dazu zu bringen, dass Gute in der Welt zu sehen. Wieder zu hoffen.
Warum hatte er dich jetzt verlassen?
Du vergrubst dein Gesicht in den Fetzen, die vor wenige Stunden noch ein schwarzer Anzug gewesen waren, der nicht ihm gehört hatte. Junpai hatte keine schwarzen Sachen besessen.
Und dann begannst du zu weinen. Weintest lange und laut und ohne jegliche Hemmungen. Ließt deine Gefühle über dich herein brechen. Hofftest, diese Leere in deiner Brust würde vergehen, wenn du nur lange genug deine bitteren Tränen vergoßt.
Du verfluchtest ihn, die Welt und vor allem dich selbst. Dafür, dass du so blind gewesen warst. Weil du nicht nachgefragt hattest, obwohl dir aufgefallen war, dass etwas nicht mir ihm in Ordnung gewesen war.
Aber was nützten dir Vorwürfe? Es war ohnehin zu spät.
Was nützte Reue? Was nützten all deine Tränen?
War es nicht alles vergeblich? Du konntest ihn nicht zurückholen. Ebenso wenig so wenig, wie du ihn hattest retten können. Du konntest nichts tun. Nichts als zusehen, wenn die Engel aus deinem Himmel fielen.
„Wenn das der Abschied ist", flüstertest du in sein Ohr, „Dann wünsche ich mir, dass er niemals endet."

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