Sascha

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Meiner Ansicht nach ist die Liebe, und ich hatte mir geschworen, dieses Wort nicht im ersten Satz von Sascha niederzuschreiben, das schönste, das einem Menschen in seinem Leben widerfährt. Es mag schnulzig klingen, und vielleicht ist es das auch, aber ich glaube, man sollte es genau so sehen; jeder einzelne von uns. Denn die Liebe ist der einzige und einzigartigste Ausdruck, um seiner Selbstwillen geliebt zu werden. Geliebt zu werden ist Bestätigung und Bestärkung in einem, eine Art Wundermittel gegen Selbstzweifel. Liebe ist ein zuhause, eine Heimat. Liebe befindet sich in einem Menschen. Jeder, der liebt, vollzieht Wunder und jeder, der geliebt wird, hat es einfacher von dem, was ihn vielleicht Sorgen bereitet, Abstand zu nehmen. Denn mit Liebe, mit gegenseitiger Liebe, ist immer die Zweisamkeit verbunden. Es ist Vollkommenheit, ganz im Sinne der griechischen Sage, in der Zeus die Menschen geteilt at und sie auf die Suche schickte, ihre zweite Hälfte zu finden. Liebe ist Vertrauen; dem anderen alles sagen zu können und zu dürfen, keine Angst davor haben zu müssen, dass man zu viel „ich" ist, dass man selbst ganz irrelevant in der Gesamtheit einer wunderbaren Vereinigung ist. Denn Liebe ist ein Wunder.

Mit dreiundzwanzig lernte ich Sascha kennen. Er hatte mich auf einer dieser Datingplattforms angeschrieben, bei der ich mich aus Verzweiflung registriert hatte, und ein paar Tage später trafen wir uns. Ich hatte ihm vorgeschlagen, in ein Café zu gehen, das vielleicht nicht billig gewesen war, aber dafür die beste Schokomoussetorte anbot, die ich jemals in meinem Leben gegessen hatte. Zwanglos hielt er mir die Tür auf, lächelte mich an und in diesem Moment habe ich mich gefragt, was heute wohl noch alles geschehen würde.

Wir redeten vier Stunden lang, sahen uns vier Stunden lang in die Augen, erzählten uns vier Stunden von unserem Leben, von den Geschichten und Erzählungen, die wir schrieben und hörten dem anderen ungestört zu. Es kam raus, dass wir beide die gleiche Partei wählten, dass wir im selben Fach dieselben Interessen hatten, dass uns die gleichen Überzeugungen leiteten, dass wir die norddeutsche Lebensart liebten, dass wir vernarrt in Salzgebäck waren, dass wir gerne kochten, dass wir gerne dem anderen zuhörten, dass wir nach einem konstanten Leben in einer Beziehung, Katzen und einer eigenen Wohnung strebten. Wer weiß, wann es geschah, aber spätestens in diesem Moment verliebte ich mich. Ich verliebte mich in seine kleinen Bartstoppeln, die er sich abrasieren wollte, in die blauen Augen, die Sommersprossen, die braunen, wuschligen Haare, in seine Stimme und in die feinen, doch anmutig und grazilen Lippen, die sich bewegten, wenn er zu mir sprach. Ich hatte das Gefühl, dass er mir tief in die Augen blickte und tatsächlich, das war recht selten, tatsächlich wissen wollte, wer ich gewesen bin. Ich gab mich einer Hoffnung hin, badete in einem Meer aus Träumen und Fantasien, in denen ich mit ihm Essen ging, eine Katze holte, eine Wohnung einrichtete und meinetwegen, und nur das zählte, umarmt werden würde. Ich dachte daran, ihn zu küssen und er erzählte mir von seinem ersten Freund. Dann waren die vier Stunden vorbei.

Wir verabschiedeten uns und ich wusste nicht mehr, was ich sagen sollte. Wir sagten, es habe uns gefallen, gingen dann in zwei Richtungen davon und am Abend gab er mir seine Handynummer. Während ich in meinen Kissen lag, Tränen meine Wange hinunterliefen und ich sie mir mit meiner Hand abwischte, schrieb er mir seine erste Nachricht. Denn das, was er mir im Café erzählte, während ich noch in meiner Hoffnung lebte, war etwas ganz einfaches gewesen. Er wollte nach Norddeutschland ziehen. Er wollte auch eine Katze haben. Er wollte in die Partei eintreten, die wir beide wählten. Er wollte abends kochen. Er wollte eine eigene Wohnung haben. Er wollte abends essen gehen und vor den Fenstern seiner Wohnung, die mit Stuck geschmückt sein würde, zu Walzern tanzen. Er wollte einen Menschen umarmen und ein glückliches Leben führen. All das wollte er; nur eben nicht mit mir. Denn er war seit fünf Jahren mit seinem ersten Freund zusammen und in meine Stadt gekommen, um eine Pause zu machen. Aber ganz sicher, versicherte er mir, würde er in zwei Jahren zurückkehren und zu ihrem Jahrestag am vereinbarten Ort sein, um den Rest seines Lebens mit ihm zu verbringen. Da käme ich mit Sicherheit nicht vor. Ich sagte nur, wie schön doch diese Planung sei, wie schön sein Leben in zwei, oder auch drei, Jahren für ihn sein würde.

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