| Meine Tat |

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Es war als wäre die Luft zu knapp zum Atmen. Sie war stickig, beinahe so dicht das ich das Gefühl bekam zu ersticken. Es war als läge ein Strick um mein pochendes Herz und bei jedem Atemzug zog das Seil zu. Es war als würde mein Herz in Stücke gerissen werden - nur all die Gefühle trieben mir Tränen in die Augen.

Wehemend schrie mein Kopf ich solle wieder zurück, keinen Schritt mehr weiter gehen. Einfach verschwinden. Doch es war als würde mein Körper von einem anderen gesteuert werden. Meine Hand stieß die Tür zum Schlafzimmer auf welches noch immer in fröhlichen Farben erstrahlte, doch war es ordentlich, genauso wie ich es .. verlassen hatte. Es schien als sei hier nichts geschehen. Als käme ich einfach nur aus einem Urlaub zurück.

Fast schon würde man denken ich stände hier völlig überflüssig mit all den Putzmitteln. Doch wenn man einige Schritte in den Raum ging - nach links sah, war es als stände man in mitten eines Massakers. Erst hier wurde mir doch wirklich bewusst, wie viel Blut doch ein menschlicher Körper fasste. So viel das man eigentlich meinen könne, hier hätte nicht nur ein Mensch Blut gegossen. Ein beißender Geruch nach Eisen stieg einem in die Nase, erneut trieb es mir die Tränen in die Augen, doch diesmal kam mir ein schluchtzen über die Lippen.

Die Fetzen vor meinem inneren Augen wurden zu langen Momenten, ich drohte fast den Eimer voller Wasser zu Boden fallen zu lassen. Doch ich überwand ich mich, schloss nochmals meine Augen und so viel Mut wie möglich, aus jeder Pore meines Körpers zu entziehen und den Eimer auf den Boden zu stellen bevor ich einen weiteren Schritt hing. Direkt in das Badezimmer.

Meine Augen tränten noch immer - es schien auch nicht stoppen zu wollen. Unkontrolliert entwich mir immer Mal wieder ein schluchtzen oder ich schnappte wehement nach Luft.

Noch immer war die Badewanne mit dem Wasser gefüllt - welches durch einzelne Tropfen meines Blutes einen rosanen Ton angenommen hatte. Doch viel mehr, hatte der weiße Fliesenboden leiden müssen. Eine riesige Lache an Blut hatte sich vor der Wanne gesammelt wie auch am Rand der Badewanne. Es war bereits geronnen und vertrocknet und war nicht mehr in einem satten Rot Ton getaucht sondern viel mehr in einem dunklen, bräunlichen Rot Ton.

Es war widerlich. Der Geruch war widerlich. Dieser ganze Raum war widerlich. Ich war.. widerlich.

Auf dem Boden waren zudem in Blut getauchte Tücher von Klopapier verstreut, welches wohl meine Retter benutzt haben mussten.

Es war als wäre ich in einem warmen Bett gebettet und als würde eine schwere Decke auf meinem Körper liegen. Ich spürte das pulsieren eines Herzens an meinem Ohr als mein Kopf sanft und doch bestimmt gegen eine starke Brust gedrückt wurde.
Große, raue und doch sanfte Hände fassten meine Arme und mein Handgelenk wo äußert viel Druck aufgewendet wurde. Ich fühlte mich behütet, wie ein Kind welches von der Mutter an der Brust getragen wird. Es war als wäre dieser Moment alles was ich brauchte. Dann die Worte. Worte welche plötzlich wirkten als seien sie meine ganze Welt.
„Du musst überleben“.

Nur mit Mühe konnte ich meinen Blick von dem Rand der Badewanne lösen, von dem Ort wo ich sterbend in den Armen des Braunhaarigen lag. Ich schluckte schwer, es war als säße ein Kloß im meinem Hals. Die Panik die sich in meinem Körper aufgebaut hatte, durch das Gefühl ich würde hier oben ersticken wurde dadurch verstärkt und ich konnte nicht anders als aus dem Raum heraus zu sprinten und die Türe hinter mir mit einem Schwung zu zu ziehen. Die Tränen rannen über meine Wange und ich presste meine Hand auf den Mund - der Versuch keine lauten Töne von mir zu geben.

„W-Wieso hast du mich nicht sterben lassen?“, kam es mir flüsternd über die Lippen. Dann schnellte meine geballte Hand gegen die Badezimmertüre hinter mir. „Wieso hast du mich nicht sterben lassen?!“, schrie ich im nächsten Moment heraus. Meine Brust bebbte, meine Tränen flossen schneller, ich schien mich gar nicht beruhigen zu können.

„WIESO?!“, kam es mir erneut über die Lippen, wieder schnellte mein Handballen gegen die Türe und unkontrolliert drang mein schluchtzen an die Oberfläche.

Er hatte mir mein Recht genommen. Meine Würde. Er hatte mir nicht erlaubt zu sterben! Er hat mir das letzte bisschen meiner Selbst genommen!

Es war meine Entscheidung gewesen.

Ich wollte nicht mehr heraus gehen, ich wollte nicht mehr unterrichten, ich wollte nicht mehr an alles erinnert werden. Ich wollte meinen Frieden. Ich wollte nur noch meinen Frieden.
Wieso hat er das nicht gestattet? Wieso war er.. hier gewesen?

Meine Knie gaben nach, ich wurde ganz wacklig auf den Beinen und nur mit letzter Mühe konnte ich mich halten. Meine Sicht war vernebelt durch meine Tränen, meine Lippen schmeckten salzig und auch wurde mein Hals ganz trocknen. Ich klammerte mich an meiner Taille fest, als würde ich mich selbst umarmen. Ich drückte, so fest ich konnte.

Das beben meiner Brust ließ nach und auch meine Tränen schienen zu trocknen, doch sobald mein Blick zu den Fenster glitt brach es erneut über mich ein. Unkontrolliert, nicht mehr fähig zu etwas, sackte ich zusammen. Glitt an der Türe hinter mir herunter.

Mein schluchtzen erfüllte das leere Haus, mein Tränen versiegten nicht. Mein Herz pochte und bebte. Schmerzte so sehr daß ich es mir herausreißen wollen würde.
Es war als würde die Dunkelheit wieder auf mich einbrechen.

Ich war wieder alleine.

Ich wusste nicht wie lange ich an diesem Fleck vor der Tür saß, mein Kopf war gebettet auf meinen Armen welche ich auf meinen angewinkelten Beinen, also auf den Knien gelegt hatte. Mit leerem Blick starrte ich zum Flur herüber - ich dachte nichts, ich weinte nicht. Es war als wäre ich in Trance.

Das Schellen der Klingel riss mich jedoch aus meiner Trance. Fast schon panisch wischte ich mir mit meinem Handrücken die Wangen trocken und stemmte mich von Boden herauf. Den Eimer voller Wasser, der noch immer an derselben Stelle stand schob ich zur Seite bevor ich heraus trat, die Tür hinter mir zu zog und die Treppe herunter ging.

Die Haustüre war noch immer so angelehnt wie ich sie hinterlassen hatte. Ich kniff meine Augen zusammen, atmete tief ein bevor ich die Tür aufzog und doch eher fragen heraus blickte.

Sogleich drangen einem zwei verschiedene Stimmen ins Ohr und es dauerte einen Moment bis ich realisierte wer gerade in meinem Vorgarten stand.

Eine Frau mittleren Alters unterhielt sich mich meinem Nachbarn Caleb welcher gerade selbst in seiner Hofeinfahrt stand und kräftig dabei war einige Materialien in sein Haus und schleppen. Ich konnte nicht anders als mich so Hinzurücken das er mich nicht sah - noch sagte ich etwas, stattdessen blinzelte ich noch immer verblüfft der Frau entgegen.

Ihr braunes, welliges Haar war zu einer kecken Kurzfrisur getrimmt, wobei dieses am Hinterkopf, unter einer Haarpartie, auf einige Millimeter geschoren war. Sie trug eine lässige Boyfriendjeans welche diverse Cut-Outs  an den Beinen hatte darüber ein schlichtes Shirt und dann eine schöner Parker in einem Braunton.

„Sie haben sich auch wirklich die blödeste Zeit zum Umziehen und renovieren ausgesucht!“, kam der Frau über die Lippen und meine öffneten sich einen Spalt.

Ich hatte meinen Tante Rosie, seit einem Jahr nicht mehr gesehen, zuletzt an  Weihnachten, letztes Jahr. Einen Moment lang schien ich in meinem Kopf meine E-Mails und Nachrichten zu durchforsten ob ich etwas mit ihr ausgemacht hatte, doch.. nichts kam mir wirklich in den Sinn.

„Ach das geht schon! Mrs. Sullivan! Es ist immer hin bald Weihnachten - die Leute helfen also lieber um für gutes Karma zu sorgen!“, rief Caleb ihr zwinkernd entgegen und schob den Karton den er auf seinem Bein abstützte etwas höher. Rosie lachte verschmitzt auf und nickte dann „Da habt Ihr Recht! -“, gerade als sie fortfahren wollte sah sie zu mir herüber und gleich darauf begann sie freudig zu strahlen.

„Charlet! Ich hoffe doch dir ist aufgefallen das es deiner Haustüre nicht mehr ganz so gut geht!“, rief sie mir fröhlich entgegen und gestikuliert mit den Händen auf die Tür deutend. Ich zog die Luft ein, prüfend schnellte mein Kopf zu Caleb herüber, dessen Blick ich sofort einfing.

Verdammt.

Rescue MeWhere stories live. Discover now