🕊Freiheit im Winde🕊

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Manchmal frage ich mich, ob ich es hätte ändern können. In jenem Moment, unser Schicksal.
Oder ob die Wege, die wir beschreiten, uns vorherbestimmt sind.



Allmählich verstummten auch die letzten metallischen Klänge von aufeinanderprallenden Waffen. Der Wind brachte neben dem Geschmack von Freiheit auch den Geruch von Blut und Tod mit sich.
Die Schlacht um Mondstadt war gewonnen. Der Monarch, der Anemoarchon, war geschlagen und die Stadt lag in Schutt und Asche. Und ich war es, der ihn getötet und das Zuhause vieler Menschen in Flammen aufgehen lassen hat, um dir, mein Freund, die Freiheit zu schenken, nach der du dich solange sehntest, aber nicht kanntest.
Geboren hinter Mauern, gefangen im Käfig, gabst du dennoch deine Meinung kund. Du hast dir deinen Willen, in Form von Liedern und Gedichten, nicht verbieten lassen, oh edler Poet.
Ich, ein einfaches Elementarwesen im Winde, sah seit jenem Tag zu dir auf, an dem wir uns zum ersten Mal trafen. Deine Lieder, erfüllt von Wünschen, Hoffnungen und Trauer, zogen mich tief in ihren Bann und lehrten mich die Gefühle eines einfachen Menschenjungen zu verstehen, der alsbald mein bester Freund sein würde.
Schnell wurden deine Wünsche und Sehnsüchte zu den Meinen und zu denen, die sich, wie du, die Freiheit ersehnten. Ein Lauffeuer des Widerstandes wurde entfacht, das sich gegen den Archon, seine Grausamkeit und das Leid auflehnte. Mit erhobener Brust gingst du stolz voran und kämpftest an vorderster Front. Den Menschen, die an deiner Seite standen, schenktest du Mut und Hoffnung, obwohl du doch so schwach warst und der Sieg immer wieder in weite Ferne rückte. Und dennoch ist der Kampf gewonnen.
So sag mir, oh edler Poet.
»Venti...«
Und erklär mir, oh edler Poet.
»Warum..?«
Denn ich verstand es nicht, mein Freund.
»Barbatos«, deine Stimme zitterte und war nicht mehr, wie ein leiser, sanfter Hauch. Und in meinem Inneren entflammte ein nicht vergehen wollender Schmerz.
»Batos, komm zu mir«, dein Lächeln deutete mir mich meiner Trauer und Sorge zu entledigen. Für dich schien das Kommende okay zu sein. Doch lernte ich erneut die Gefühle eines Menschen zu verstehen und zu übernehmen. Verlust, Angst, Einsamkeit.
Als ich mich näherte trat ein Mann mit feurigem Haar, der bei dir kniete, zur Seite und ließ dich und mich für einige Momente allein.
Dein Atem war schwach, dein junges Gesicht blass und verzerrt von Schmerzen und dem Wissen über deinen bevorstehenden Tod. In deinem zierlichen, schwachen Körper waren drei Pfeile versenkt, die für dein unausweichliches Ende verantwortlich waren.
Mein Innerstes schmerzte dich so zu sehen. Meine Augen füllten sich mit Tränen und ich wollte es nicht wahr haben, doch musste es so geschehen.
Oh edler Poet, warum lässt du mich nun zurück?
»Barbatos«, erhobst du deine schwache Stimme erneut und streicheltest meinen kleinen Kopf sanft. Ich war ganz nah bei dir. Ich vernahm jedes noch so leises Geräusch.
»Ich habe die Zeit wirklich mit dir genossen, Batos.« In deiner Stimmen lagen all die Schmerzen, die du ertragen zu haben musstest. »Bitte, erweis mir einen letzten Gefallen, mein kleiner Freund. Trage die Freiheit in deinem Winde. Hilf jenen, die Hilfe benötigen. Tröste jene, die Trost benötigen. Verschließe niemals dein Herz vor dem Falschen. Und... Vergiss mich nicht«
Deine Hand an meinem Kopf begann zu zittern und deine Tränen bahnten sich ihren Weg. Mit letzter Kraft zogst du mich zu dir, drücktest mich fest an dich und küsstest mich sanft und kaum merklich, ehe dich das Leben verließ und deine Hand leblos auf mir lag. Deine Augen waren vor der Welt der Lebenden verschlossen und deine Lippen umspielten ein sanftmütiges Lächeln.
Einige Zeit verblieb ich still bei dir und gab mich ganz meiner Trauer. Mein Blick wanderte immer wieder zwischen deinem friedlichen Gesicht und den drei Pfeilen umher, die dich viel zu früh aus dem Leben gerissen hatten, und fasste den Schluss deinen letzten Worten, deinen letzten Wünschen, zu folgen und auch diese zu den meinen zu machen. Doch, ehe ich es mich versah, machte mein Körper gar eine sonderbare Wandlung durch. Ich übernahm nicht nur deine Wünsche und Hoffnungen, ich wandelte mich in dich, oh edler Poet. Ich wurde zu Venti, den Barden. Schwarze Haare, eine schmächtige Statur und sanfte Züge.
Aufgelöst über die Tatsache, dass ich von nun an du war, rannten mir Tränen, die doch zuvor erst versiegt waren, erneut über dein Gesicht. Dann lehnte ich mich vor, legte meine Lippen auf die deine und verabschiedete mich von dir mit einem Kuss, denn du gehörtest schon lange nicht mehr in die Welt der Lebenden und dein Körper, Partikel für Partikel, begann sich zu zersetzen.
Die Gefühle, die unser Kuss in mir auslöste, waren mir unbekannt. Doch heute würde ich es als Liebe benennen können. Denn ich habe dich von ganzem Herzen geliebt.
Und heute, an deinem Todestag, tausende Jahre später, sitze ich nun hier auf den Ruinen des alten Palastes, Sturmschreckens Ruine nun genannt, und sehe auf jene unter mir hinab und denke an jenen Tag zurück, an dem du dein Leben aushauchtest. Zu meiner Rechten die heilige Leier, die du mir anvertrautest, und zu meiner linken Teyvats besten Wein, dessen Braukunst Dilucs Vorfahr erwarb, der Mann mit feurigem Haar.
Ich habe dir zu Ehren mich an Poesie versucht, mein Freund, und dieses Stück jedes Jahr zur Ludi Harpastum weitergetragen. Und ich hoffe wirklich, dass ich deinen Erwartungen gerecht werden konnte und werde, oh edelster Poet aller edlen Poeten, mein bester Freund und Liebster, Venti.

»Wer war es, der dein blut'ges, steinernes Antlitz streichelte
am Bach der leise fließt,
am Felsen, der tapfer steht?
Wer war es, der deine müde, edle Seele umarmte
in tiefsten Träumen
im Himmel schwebend?
Liebster Freund,
ich nehme dich an die Hand
in der Nacht, in der Laternen strahlen.
Und ich erzähle dir eine Geschichte von Freiheit und Träumen,
die Geschichte, mit der dieses Fest beginnt.«

🕊Freiheit im Winde🕊Where stories live. Discover now