12- Geh zur Polizei

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Ihr Kopf brummte noch immer, es war voll mit Fragen. Sie konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Jenny Andro wirklich angeschossen hatte, doch noch schlimmer, noch schmerzhafter war die Vorstellung, dass Andro sie angelogen hatte. Dies konnte sie einfach nicht verkraften, doch sie bekam den Gedanken nicht los, dass es wirklich so war. Sie war sich sogar ziemlich sicher, dass Andro sie angelogen hatte. Jenny war der liebste Mensch den sie kannte und zu so was wäre sie einfach nicht im stande.

Ein Geruch, der sie an frisch gebackten Brötchen erinnerte weckte sie vollständig auf. Müde und verschlafen stand sie auf, bereit diesem Geruch zu folgen. Doch in der Küche angekommen erinnerte sie sich wieder daran, dass sie alleine war und niemand für sie Brötchen machte. Aus diesem Grund machte sie selber welche. Sie holte sich ihre Butter und die Salami heraus, machte sich einen Kakao und las in einem ihrer Bücher.

Yarkona warf sich ihren grünen Poncho über und verließ das Gebäude. Auf dem Weg zu Andro musste sie noch einmal tanken. "Wie gesagt, ich hatte diese Zeitschriften bereits in der Tasche. Ich habe nichts geklaut!", hörte sie einen Teenager sagen. Der Junge starrte den Kassierer an und wartete auf seine Reaktion, hätte aber nicht gedacht, das dieser zum Hörer greift. "Hey, hey warte ja? Ich hab die Sachen hier wirklich bereits mit rein genommen. Aber ich kann grad echt kein Stress mit der Polizei gebrauchen, also bezahle ich diese paar Euro." Nachdem er bezahlt hatte und sich zum gehen gewendet hatte verging die Zeit wie in Zeitlupe. Der Blonde hatte Locken bis zur Schulter, eine ziemlich breite Nase und einen schmalen Mund. Er war vielleicht 17, aber nicht älter, doch irgendwas an ihm war anders. Es kam ihr so vor, als wäre er ihr schon einige Male über den Weg gelaufen und anscheinend ging es ihm genauso. Er blieb wie angewurzelt stehen und starrte sie eine Weile an, bis sein Blick finster wurde und er aus der Tankstelle verschwand.

Mittlerweile war sie im Krankenhaus und durchlief die Korridore. Der Geruch von Desinfektionsmittel stieg in ihrer Nase hoch und verbreitete sich in ihrem ganzen Körper, wie ein Gift. Sie hasste diesen Geruch und beeilte sich noch mehr, um hier so schnell wie möglich zu verschwinden. "Du warst lange nicht da", waren seine ersten Worte. Kein Hallo oder wie gehts dir, nein er regte sich über sie auf. Am Liebsten würde sie einfach wieder verschwinden und ihn alleine lassen.

"Jenny hat dich nicht angeschossen", widersprach sie, bevor sie auch nur denken konnte. Er setzte sich auf, wobei man ihm nicht ansehen konnte, dass er Schmerzen hatte. "Wie hast du keine Schmerzen mehr", sagte sie dann noch oben drauf. "Nein, ich spüre sie eigentlich gar nicht. Ich nehme ein starkes Schmerzensmittel, Morphium." Weiter wartete sie auf seine Antwort, darauf, was sie vorhin gesagt hatte. Eine Weile schwiegen sie sich wieder an und schauten sich beide ausdruckslos in die Augen. Ihr stieg wieder dieser starke Geruch von Desinfizionsmitel in die Nase. "Das war doch vorhin ein Scherz mit Jenny?", erkundigte er sich. Sein Gesicht legte er in Falten und schaute sie fragend an, wobei sie das Gefühl hatte, dass er durch sie hindurch schaute. Seine Stimme wurde plötzlich tief und rau: "Ich hatte dir doch gesagt, dass du nicht mit ihr reden sollst", knurrte er. "Diese Frau ist böse Yarkona. Sie ist eine fiese Bratze, einfach nur hinterhältig." In seinen Augen konnte sie Wut erkennen. Hatte er womöglich die Wahrheit gesagt und Jenny gelogen? "Du lügst", widersprach sie. Diesmal sah er traurig aus. Eine kleine Träne kullerte seine Wange herunter. "Und warum Yarkona, sollte ich dich anlügen. Aus welchem Grund? Denkst du etwa, es macht spaß hier zu liegen und vom Morphium abhängig zu sein? Es ist scheiße. Und nein ich lüge nicht. Ich weiß, dass Jenny deine Freundin ist, aber ich liebe dich und genau aus diesem Grund wollte ich dich von ihr schützen. Weil sie mir-", er weißte mit einer Handbewegung auf sich,"das hier angetan hat. Ich hab sie gesehen. Ich hab ihr in die Augen geguckt und sie hat geschossen. Ich möchte einfach nicht, dass dir das gleiche passiert, das könnte ich nicht ertragen. Allein der Gedanke, dass du dann vielleicht nicht mehr da wärst, ist unerträglich. Diese Qualen könnte kein Morphium der Welt lindern." Wieder flossen ihm einige Tränen über das Gesicht. Wem sollte sie denn glauben? "Wenn du dir so sicher bist, dass es Jenny war, warum erzählst du es dann nicht der Polizei? Warum lässt du sie nicht auffliegen, damit sie eingesperrt wird?" Bei den Worten musste sie weinen. Er nickte langsam und ihm kullerten ebenfalls Tränen hinunter. "Das kann ich dir sagen Yarkona. Sie ist deine Freundin, das könnte ich dir niemals antun. Niemals." Weinend hielt sie sich am Bettfosten fest und versuchte gegen ihre Tränen zu kämpfen. "Wenn du dir wirklich sicher bist, zeig sie an. Hier hast du meine offizielle Erlaubnis. Das..das wolltest du doch, oder nicht? Wenn du es nicht tust, weiß ich, dass du lügst." Auf den Fersen drehte sie sich um, als Andro ihr noch hinterher rief:"Ich kann sie nicht anzeigen, weil..weil sie mich erpresst", keuchte er hervor. Eine Weile blieb Yarkona stehen und starrte stur geradeaus und als sie sich umdrehte, erinnerte ihr Gesicht an einen Menschen, der gerade einen Geist gesehen hat. "Ich bleib bei meiner Meinung. Tust du es nicht, bist du ein Lügner und ein Feigling zugleich." Sie ging.

Mit voller Wucht schlug sie die Tür zu. Sie musste heulen, ihre ganze Beziehung geriet auseinander. Er geht fremd, lügt sie an, was noch? Sie lehnte sich gegen die Tür, hielt ihre Hände vor ihrem Gesicht und brach langsam zusammen. Langsam rutschte sie runter, bis sie auf dem Boden sitzte und weinte.

Sie wusste nicht, wie lange sie da saß, doch irgendwann beschloss sie loszugehen. In ihrer Jackentasche kramte sie nach einem Taschentuch, ergriff dann aber einen Zettel.

Liebe Yarkona, stand dort geschrieben, sowie ein weiterer Text, den sie bereits wieder vergessen hatte. Sie überflog ihn. ... Erinnerungen gelöscht ... mir geholfen ... alles Richtig gemacht ...nicht Vergangenheit suchen... Gefahr ...Jxx3

Diese Begriffe blieben in ihrem Hirn hängen. Sie weinte nicht mehr, sie versuchte sich zu sammeln. Automatisch stand sie auf und ging mit dem Zettel in der Hand weg. Ihr Erinnerungen wurden gelöscht, sie hatte das ganz vergessen. Es gibt wichtigeres als ihr Beziehungsprobleme. Jemand hatte sie ausgenutzt, das war klar. Sie hatte diesem Jxx3 bei irgendwas geholfen, was nicht annährnd legal sein musste, denn dieser Kerl hatte deutlich Angst, das er auffliegt. Sie hatte sich doch vorgenommen nach ihrer Vergangenheit zu suchen und hatte es bisher noch immer nicht gemacht. Es war ihr egal, ob sie sich dadurch in Gefahr brachte, sie musste es einfach herausfinden. Nur wie? Jenny wusste von ihrem Gedächnissverlust, doch sie kannte sie nicht davor. Flida würde sie auf keinen Fall fragen, so verpeilt, wie sie ist. Meine Mutter? Nein, ich hatte einen Streit mit ihr vor meinem Gedächnissverlust, wer weiß wie lange? Die letzte Möglichkeit, die ihr einfiel war Gisela.

The search for my past.Where stories live. Discover now