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20.12.1994
Wie kalt der Steinboden unter mir war, spürte ich inzwischen fast nicht mehr.
Ganz allgemein ließ sich sagen, dass es nicht mehr sonderlich viel gab, was ich überhaupt spürte. Bis auf die Schmerzen, die ich etwa jeden Tag erdulden musste oder die Sorge, die eiskalt in mir hochkroch, wenn ich Enzos Schreie hörte."Kleine?"
Ich drehte den Kopf und blickte durch das kleine, mit Gitterstäben versehene Fenster, das es mir erlaubte in Enzos Zelle zu schauen.
"Das hatten wir doch, Enzo", seufzte ich mit krächzender Stimme und zwang mich, die Mundwinkel ein wenig zu heben. "Ich bin die Ältere hier."Ich konnte die Erleichterung in seinem Gesicht ablesen, als er meinen Witz hörte. Denn gestern war ich nicht dazu in der Lage gewesen, Witze zu machen. Ich hatte auch nicht geweint oder geschrien. Ich hatte nur da gelegen, den Blick starr an die Decke gerichtet und mich gefragt, wann dieses Leiden endlich ein Ende nehmen würde.
Nicht einmal die Aussicht auf unsere geplante Flucht an Silvester hatte mir Mut gemacht."Du hast nicht zufällig eine Portion Hoffnung für mich übrig?", fragte er und streckte eine Hand durch die Gitterstäbe zu mir.
Davon gab es nicht mehr viel hier; Augustine hatte mir in den letzten fünfunddreißig Jahren das meiste davon geraubt. Die Tatsache, dass ich seit fast zwei Monaten kein Blut mehr getrunken hatte, da ich es Enzo gegeben hatte, machte die Sache nicht gerade besser.Ich seufzte, nahm allerdings seine Hand und schob meine Finger zwischen seine. Es tat so gut, die Wärme einer anderen Person auf meiner Haut zu spüren. Enzo war der einzige Freud, der mir hier geblieben war.
"Na schön", sagte ich und drückte seine Hand kurz. "Aber das ist die letzte, die ich habe."
Wir spielten diesen "Spiel". Als Vampire war uns die Fähigkeit gegeben, in den Geist anderer einzudringen und sie sehen zu lassen, was wir sie sehen lassen wollten. Er zeigte mir schöne Erinnerungen aus seinem Leben und ich ihm aus meinem. Nur gab es davon nach meinem sechzehnten Lebensjahr nicht mehr viele."Ich bin über alles froh, was ich kriegen kann", antwortete er nur und drückte meine Hand ebenfalls.
Und dann zeigte ich sie ihm. Die Erinnerung, die ich eigentlich gar nicht haben dürfte. Die Erinnerung, die ich so lange zurück gehalten hatten.
Denn letzten Endes war es die einzige, die hier drin noch irgendwelche Gefühle in mir anregte.❂
02.09.1864
Als ich die Treppe herunter kam, stockte meinem Bruder der Atem.
Ich wusste genau, wieso. Das rote, wunderschöne Ballkleid, das ich trug, hatte ich von Katherine. Sie war vor zwei Tagen abgereist, doch in der Zeit, die sie hier verbracht hatte, waren wir gute Freundinnen geworden und auch meine beiden Brüder verstanden sich gut mit ihr. Vielleicht etwas zu gut."Ist das...?", fragte er ungläubig, während ich einen kleinen Knicks machte und mich dann bei ihm unterhakte.
"Ja, das ist es", antwortete ich lächelnd. "Katherine hat es mir geschenkt."
Er nickte nur und ich konnte einen verletzten Ausdruck in seinen Augen aufblitzen sehen; weder er noch Stefan hatten Katherines Abreise gut verkraftet. Mir ging es nicht anders, nur war ich um einiges besser darin gewesen meine Zuneigung zu ihr zu verbergen als meine Brüder."Ist Stefan unpünktlich wie gewohnt?", fragte ich mit einem Blick auf die hölzerne Uhr, die an der Wand stand. Aus dem Ballsaal konnte ich schon aufgeregtes Murmeln und hin und wieder ein leises Lachen vernehmen.
"Nur fast!"
Ich blickte auf und schmunzelte, als mein Bruder die Treppe herunter eilte. Als er bei uns stand blickte er mich einmal von oben bis unten an, bevor er mir ebenfalls seinen Arm anbot.
"Wie... reizend", kommentierte er nur, woraufhin ich die Augen verdrehte.
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the peace in his violence ↠ klaus mikaelson
FanfictionEs gab nicht viele Dinge, die Amalia Salvatore in den Jahren, die sie in Augustine eingesperrt war, Hoffnung gegeben hatten; ihre Brüder schienen sie vergessen zu haben und ihr einziger Verbündeter war ohne sie geflohen. Doch die Erinnerungen an ein...