Sturmtrupp

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„In Deckung!"

Wenige Sekunden später detonierten die Geschosse.

Gruben das Erdreich um.

Zerfetzten Körper und entstellten Menschen für immer.

Johann hockte in einem der Krater und hielt sich die Ohren zu. In seine Nase drang der Gestank von verbranntem Fleisch und Blut.

Um ihn herum sammelten sich Soldaten. Es war eine kleine Truppe von vielleicht zwanzig oder fünfundzwanzig Mann.

Schwer bewaffnet.

Grimmig.

Zu allem Entschlossen.

„Los! Los! Los!"

Die Soldaten sprangen auf und stürmten vorwärts.

Zwei Soldaten, an der Spitze des Trupps, ausgerüstet mit Drahtscheren und Granatwerfern. Gefolgt von zehn Mann mit einfachen Maschinengewehren und weiteren mit Schnellfeuerwaffen.

Johann konnte die Angst in den Augen der englischen Truppen sehen, als sich der Staub langsam legte und er und seine Kammeraden nur noch wenige Meter vom feindlichen Schützengraben entfernt waren. Problemlos gelang es ihnen, den Graben zu stürmen und Chaos und Verwüstung zu stiften.

Mündungsfeuer blitze auf. Granaten explodierten und spickten die Engländer mit tödlichen Verletzungen. Hinterließen gekrümmte, entstellte Menschen, die flehten, dass Gott ihre Seele heimholen möge.

Gelähmt von der Überraschung und der Heftigkeit des Angriffs fanden viele Engländer nicht einmal die Zeit, ihre Waffen zu laden, geschweigenden abzufeuern.

Nach zehn Minuten war der Spuk vorbei und Johann und sein Trupp zog sich wieder zurück. Sie hatten den Feind nicht besiegt, ihnen aber eine wertvolle Lektion erteilt.

Niemand legte sich ungestraft mit dem deutschen Kaiserreich an.

Johann wollte gerade zurück in den sicheren Schützengraben springen, als ihn etwas an der Schulter traf und nach vorne schleuderte.

Er stolperte in den Schützengraben und knallte mit seinem Oberkörper gegen den Holzverhau der Stellung. Stürzte zu Boden.

Benommen rappelte er sich hoch. Seine Schulter brannte und er musste husten.

Spukte Blut auf den Boden.

„Einen Arzt! Holt einen Arzt! Er muss sofort ins Lazarett gebracht werden!", hörte Johann einen seiner Kammeraden brüllen. Er bekam noch mit, wie er von zwei Soldaten zwischen die Schultern genommen und davon geschleift wurde. Dann wurde alles schwarz.

Stunden später kam er wieder zu sich.

Er lag in einem einfachen Feldbett. In der Ferne hörte er das Donnern von Geschossen.

In seinem Kopf rumorte es.

„Wo...wo bin ich", brachte er mühsam heraus.

Niemand achtete auf ihn. Um ihn herum herrschte unbeschreibliches Leid. Die Krankenschwestern liefen herum wie aufgeschreckte Hühner.

„Bleiben Sie liegen! Es kommt bald jemand!", meinte eine vorbeilaufende Schwester nur knapp zu ihm, ehe sie sich einem Mann zuwandte, dem ein Scharfschütze den Unterkiefer im wahrsten Sinne des Wortes weggeschossen hatte. Seine Augen waren glasig und sein Atem ging rasselnd. Es erinnerte an eine bremsende Dampflock.

Johann wusste nicht, wie lange er dem Mann zugesehen hatte, ehe er selbst die Besinnung verlor.

Irgendwann schlug er die Augen wieder auf.

Es war Nacht geworden. Dunkelheit umgab ihn, aber keine Ruhe. Um ihn herum konnte er seine Kammeraden leise wimmern hören. Niemand schenkte ihnen große Beachtung.

Die Einzigen Soldaten, die weinen durften, ohne sich zu schämen waren jene, die einen Gas Angriff erlebt und überlebt hatten.

Ihre Haut war von Brandblasen und seltsamen Wundnarben überzogen, aus denen Blut und Eiter quoll. Unzählige waren erblindet oder litten an einer Atemwegerkrankung. Erstickten langsam, obwohl sie versuchten, so tief Luft wie möglich zu holen.

Wieder sank Johann zurück in die dunkle Schwärze der Bewusstlosigkeit.

Was war das für ein großartiger Krieg, in dem die Soldaten nur verheizt wurden.

War es ein würdiges Opfer oder unnützes Blutvergießen.

Diese Fragen stellte sich Johann, während ihn Dunkelheit umfing und er seinen Lebensgeist aushauchte.

1. Weltkrieg - eine KurzgeschichtensammlungWhere stories live. Discover now