Red Riding Hood

16.5K 373 43
                                    

Red Riding Hood

Das Leben scheint perfekt

Doch hinter jeder Schönheit steckt

Der Schmerz und das Leid

Der Vergangenheit

Kapitel 1

  Es passieren Dinge im Leben, die man nicht verstehen kann. Egal wie oft man es dreht und wendet, wie viele Gedanken man daran verschwendet oder wie sehr deine Seele weint. Die Frage nach dem Warum ist so schwer zu beantworten, wenn es darauf einfach keine Antwort gibt. Das Schicksal entscheidet über dein Leben und du bist nur eine Spielfigur in dem Chaos, dass sich Erde nennt.

Und dennoch suche ich immer wieder nach Antworten, denn Gefühle habe ich schon lange nicht mehr. Trauer vielleicht und dann ist da nur noch diese unglaublich tiefe Leere. Weil mir ein Teil fehlt, der mir so erbarmungslos genommen wurde. Ich ertrage es einfach nicht mehr in die immer fröhlichen Gesichter der anderen Leute zu sehen. Ihr Glück zieht mich nach unten. Ihr Lachen bringt mich zum Weinen. Genauso wie meine Erinnerungen.

Das herzzerreißende Lied, eines der Lieblingsstücke meiner Mutter, summt mir immer noch im Kopf herum wie ein Ohrwurm, den ich einfach nicht verbannen kann und dabei ist die Beerdigung meiner Eltern und meiner kleinen Schwester schon einige Wochen her.

Die immer wiederkehrenden Gedanken wollen ebenfalls nicht verstummen. Sie sind so laut, dass es die Totenstille der Bibliothek überdeckt. Wieso, weshalb, warum. Was wäre wenn? Und es bringt mich um den Verstand, genauso wie der modrige Geruch der alten Bücher. Den Platz habe ich mir selbst ausgesucht, denn hier bin ich alleine. In die Kinderabteilung der Bibliothek verirrt sich absolut niemand. Also gibt es auch niemanden, der mich bemitleiden kann. Niemand, der mich fragen kann, ob alles okay sei.

Das Taubheitsgefühl in mir hindert mich daran aufzustehen und glücklich mein Leben weiter zu leben. Es fühlt sich an, als ob ich nicht mehr ganz wäre und ein riesengroßes Stück aus meinem Herzen fehle. Wie kann ein Mensch nicht mehr ganz sein, obwohl er in Fleisch und Blut und ohne fehlende Körperteile da ist, fragt man sich. Habe ich mich auch früher gefragt, wenn meine Freundin ihren Typen hinterher heulte und das meist tagelang. Sie wäre nicht mehr ganz, habe sie gesagt und ich habe es nicht verstanden. Aber jetzt tue ich es. Ich verstehe es und fühle denselben Schmerz. Weil mir selbst nun etwas fehlt das ich nie wiederhaben werde. Nur ist es nicht wie in dem Fall meiner Freundin. Sie hat ihr Freund verlassen. Aber mir fehlt meine Familie.

Ich umklammere ein altes Buch so fest, dass ich es fast kaputt mache. Ich wünsche mir ich könnte weinen um all die angestauten Emotionen loszuwerden. Ich habe in meinem Leben nie sonderlich viel geweint, da ich keinen Grund dazu hatte, aber jetzt wo ich auf meine erlösenden Tränen warte, wollen sie nicht fließen.

Ich erinnere mich an die Tage als ich die Zeit hier verbrachte, weil ich meine Ruhe haben und den Leuten aus dem Weg gehen wollte. Ich und meine Freundin haben diesen Platz jeden Tag in der Mittagspause aufgesucht. Es war sozusagen unser kleines Versteck vor der Außenwelt und die Bank ist viel bequemer als die harten Plastikstühle der Cafeteria.

Ich war nie ein Mensch der tausend Worte aber das Ereignis vor 3 Wochen hatte mich aus der Bahn geworfen und mich zu einem grauen Mäuschen gemacht. Ich rede mit absolut niemandem mehr, außer man fragt mich etwas und das tut niemand mehr oft, da sie sowieso nur wortkarge Antworten und einen missmutigen Blick erhalten. Das schreckt Leute ganz schön ab, aber wenn mir niemand zu nahe steht, kann ich auch niemanden mehr verlieren, genauso wie ich meine Eltern und meine Schwester verloren habe.

Erneut breitet sich ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen aus, das mich die letzten Tage so oft begleitet hat. Ich habe niemanden mehr. Vor zwei Wochen hat es in unserem Haus gebrannt und wir haben alle friedlich schlafend in unseren Betten gelegen. Ich wurde durch einen unangenehmen Geruch geweckt, der sich langsam in meinem Zimmer ausbreitete. Erst musste ich husten und stieg schnell aus dem Bett um nachzuschauen, was den Rauch verursachte und dann ging plötzlich der Feuermelder los. Ich bekam Panik und wollte zu meinen Eltern rennen, die sich im unteren Stockwerk befanden. Auch meine kleine Schwester war unten. Da sie erst vier Jahre alt war, schlief sie noch bei Mama und Papa. Also stürmte ich schnell ins Bad, machte ein Tuch nass, dass ich mir vor den Mund hielt und stürmte in den Gang doch das Feuer schien von unten zu kommen.

Red Riding Hood ~LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt