Kapitel 2

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Kapitel 2

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Ich sehe mich alarmiert im Raum um, kann aber nichts Ungewöhnliches entdecken, weshalb ich mich wieder meiner verwundeten Hand widme. Dann passiert es zum zweiten Mal. Wieder werde ich von einem Rascheln gestört und wieder kann ich die Quelle des Geräusches nicht finden.

Ich bin alleine im Zimmer und doch habe ich das Gefühl, dass ich beobachtet werde, weshalb es mir kalt den Rücken hinab läuft. Das Rascheln habe ich eindeutig wahrgenommen aber niemand ist da. Das ungute Gefühl bleibt als ich mich noch einmal im Zimmer umsehe. Außer der hässlichen, schweinchenpinken Wandfarbe fällt mir nichts auf und ich schiebe das Geräusch auf den Wind obwohl noch nicht einmal mein Fenster offensteht. Einfach um mich selbst zu beruhigen.

Nach einer Weile des Wartens, ob nicht doch noch etwas Komisches passieren würde, beginne ich den Verband vom Handgelenk abzuwickeln. Zuerst will ich gar nicht hinsehen, da es einfach schrecklich aussieht. Rot, bis tief ins Fleisch hat das Feuer gefressen und selbst nach zwei Wochen tut es höllisch weh, als wäre es gestern passiert. Missmutig packe ich die neue Creme aus und schmiere mir etwas auf die Wunde. Die Salbe kühlt angenehm und ich lasse mich aufs Bett zurückfallen um in meinen Gedanken zu versinken und an die Decke zu starren.

Da fällt mir ein, dass ich meine Hausaufgaben vollkommen vergessen habe und stöhne genervt auf. Ich habe keine Lust, aber schließlich ringe ich mich dazu durch aufzustehen und meinen Laptop einzuschalten. Ich suche für Deutsch eine Geschichte aus dem Internet, die ich ausdrucke aber nur den Namen ändere und die English Hausaufgaben, einen Text zu übersetzen, gebe ich einfach in den Google Übersetzer ein. Das erspart mir das viele Nachdenken über unnötige Dinge.

Für heute habe ich genug und lasse mich in mein Bett fallen, wo ich erst nach ein paar Stunden meinen erlösenden Schlaf finde. Aber selbst in meiner Traumwelt bin ich nicht sicher vor den Qualen, die mich am Tag plagen und so wache ich, wie immer, schweißgebadet auf. Meist kann ich danach nicht mehr schlafen, dieses Mal jedoch schlummere ich wieder ein.

Der kleine Quälgeist auf meinem Nachttisch weckt mich unsanft und ich drücke sofort auf den Aus Knopf, damit der schrille Lärm endlich aufhört. Manchmal wünschte ich er würde nie wieder klingeln. Ich setze mich gequält auf und strecke meine müden Muskeln, die ziemlich schmerzen, was wahrscheinlich an der alten Matratze liegt. Mir ist ziemlich warm und deshalb mache ich ein Fenster auf ehe ich im Bad verschwinde und mich fertigmache.

Meine langen schwarzen Haare flechte ich zu einem Zopf, damit sie mir nicht im Gesicht herumfliegen. Sie erinnern mich so sehr an meine Mutter, die genau dieselbe Haarfarbe hatte wie ich, dass es fast schon schmerzt sie anzusehen.

Danach ziehe ich mir ein Sommerkleid mit Blumenmuster an und renne die Treppe mit meinem Rucksack nach unten, denn ich habe nicht mehr viel Zeit. In der Küche grüßt mich meine Tante und stellt mir schnell eine Schüssel auf den Tisch, in die ich Joghurt kippe und es mit Apfel und Bananenstücken mische.

„Samira, wann kommst du heute von der Schule?", fragt sie mich und verschlingt ein Butterbrot. Ich halte kurz inne um ihr zu antworten: „Ich bin um 2 wieder da."

„Gut, ich komme heute erst um 4 wieder und später gehe ich noch aus. Kann ich dich alleine lassen?"

„Ich schlitze mir schon nicht die Adern auf.", sage ich und sehe das geschockte Gesicht meiner Tante an. Ich habe nicht gewollt, dass sie sich Sorgen macht aber nun legt sich ihre Stirn seltsam in Falten die nur Sorge bedeuten.

„Bitte, Samira. Ich weiß, dass es für dich nicht leicht ist, aber du musst versuchen mit der Situation umzugehen. Seit Tagen sehe ich dich nur schmollen, amüsiere dich mal und geh auf eine Party, ja?"

Red Riding Hood ~LeseprobeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt