Bowling und ein Blick in den Spiegel

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CHRISTINA POV
Nun ist meine erste Arbeitswoche bald zu Ende. Gestern und heute habe ich viel erreicht. Die Tasche ist voller Vorschläge für meine kleine Reise nach Hawaii und Jason und Richard sind regelrecht begeistert von meinen ersten Ideen.

Gestern Abend nach dem Essen hatten sie mich gebeten, ihnen kurz das Projekt vorzustellen. Beide haben wohl ziemlich Schiss, dass ich das verbocke. Na ja, ich nehme es ihnen nicht übel. Schließlich ist das kein normales Projekt und schon gar keine normale Kundin. Anastasia Grey ist hier in der Stadt sowas wie eine Heilige. Unantastbar. Eine Frau um die sich tausende Mythen ranken. Von raffgieriger Schlampe bis Superwoman ist alles dabei. Maria hat mir ein bisschen was erzählt und ich muss schon sagen, sie hat in den 10 Jahren ihrer Ehe so einiges mitgemacht. Das hätte sie sich wahrscheinlich nicht träumen lassen, als sie damals zum Interview bei Christian erschien.

Richard und Jason finden meine Ideen für das riesige Grundstück gewagt, aber sehr gut. Bei dem was Ana vor hat ist es schwer einen Weg zu finden, der allen gerecht wird, aber ich denke, ich habe eine Lösung gefunden. Mein Plan nur nachhaltige Baumaterialien zu verwenden und in allen Bereichen auf erneuerbare Energien zu setzen gefällt beiden. Das Grundstück bietet dafür auch alle Möglichkeiten. Zudem hat Jason mir nochmal erzählt was Christian so herstellt und hat mir empfohlen auf zwei seiner Produkte zurückzugreifen. Was sich dann natürlich auch in den Baukosten niederschlägt.

Ich jedenfalls bin gerüstet. Jason hat mir seinen Laptop gegeben, auf dem ein Programm ist, mit dem ich Ana vielleicht schon am Sonntag Abend ein visuelles Bild von ihrem Strandresort zeigen kann.

Die Zusammenarbeit mit den anderen Architekten hier im Büro läuft noch nicht so, wie ich mir das vorstelle, aber schließlich hänge ich auch in dieser Sache fest und hab gar keine Zeit für was anderes.

Am Donnerstag war ich mit Jason wie vereinbart im Teammeeting Innenausbau. Das Team gefällt mir richtig gut. Da sind ein paar coole Jungs dabei, die nur so vor Ideen sprühen. Das spezielle Projekt, das Jason ansprach ist ein Kindergarten. Er wird hier in Seattle gerade gebaut und soll auch komplett nachhaltig gestaltet werden. Die angedachten Materialien erfüllen sicher alle diese Vorgaben, aber sie sind auch in Teilen ungeeignet für den eigentlichen Zweck. Ich hab den Leiter des Projekts auf einen Kindergarten in der Hafencity Hamburg hingewiesen. Die haben den Spagat zwischen Nachhaltigkeit und kindgerechter Ausstattung sehr gut hinbekommen. Eine Studienkollegin von mir hat damals am Innenausbau mitgearbeitet. Ich habe die Kontaktdaten weiter gegeben und nun schauen wir mal, wo das hinführt. Was nützt es den Kids, wenn ihre Möbel zwar nachhaltig hergestellt sind, aber für den Gebrauch in einer Kita untauglich sind.

Ja, es lief wirklich gut die letzten beiden Tage. Jason und ich ... ja, wir ... nein, wir gehen uns nicht aus dem Weg, aber er bedrängt mich auch nicht. Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Mir geht so schrecklich viel durch den Kopf was ihn angeht. Aber er scheint seit seinem Gespräch mit Christian irgendwie lockerer. Vielleicht hat es ihm gut getan mal mit jemanden über alles zu sprechen. Mir war nicht bewusst, das er ausser Ian kaum Freunde hat. Kelly und Ian haben ihn seit der Senior Highschool so in Beschlag genommen, dass er niemand anderen näher kennen gelernt hat. Traurig. Ich hatte immer Elly mit der ich sprechen konnte und in Hamburg war Susan immer meine erste Ansprechpartnerin. Meine Freundin studiert Jura und wird demnächst ihren Abschluss machen. Ihr Dad hat eine Kanzlei irgendwo in Norddeutschland, da will sie mit einsteigen. Oder sie macht nochmal ein Auslandsjahr. Als sie mich letzte Woche zum Flughafen gebracht hat, da war sie sich noch unschlüssig. In der nächsten Woche muss ich mich unbedingt bei ihr melden. Diese Woche ist sie zusammen mit ihrem Freund auf einer Kreuzfahrt im Mittelmeer. Wir hatten verabredet, dass ich sie da nicht kontaktiere. Außer Susan und Elly pflege ich noch ein paar lockere Freundschaften mit drei oder vier anderen Mädels. Ich kenne sie teilweise noch aus der High School. Wir schreiben uns, schicken uns Bilder. Selten telefonieren wir, aber es ist immer nett. Debbie wird sogar zu Maria's Hochzeit kommen. Ihre Mum ist die beste Freundin von ihr. Die beiden haben zusammen ihre Ausbildung gemacht und Debbie und ich sind nur vier Stunden auseinander, das heißt wir haben schon im Sandkasten zusammen gespielt. Ich weiß gar nicht, warum Elly meine beste Freundin wurde und nicht sie? Doch ich weiß es. Debbie ist eine neunmalkluge Streberin und kann nichts für sich behalten. Spaß ist glaube ich ein Fremdwort für sie. Wenn sie mal was postet, dann Bilder von ihren unzähligen Bildungsreisen. Ob sie mittlerweile einen Freund hat? Den würde ich gerne kennenlernen. Mein letzter Stand war, dass sie noch Jungfrau ist. Aber diese Info ist ... 6 Monate alt. Und dann gab es da ja noch meine herzallerliebste Cousine Gwen. Wir beide waren unzertrennlich. Gemeinsam mit Elly waren wir ein Trio, das alles zusammen machte. Bis zu der Sache mit Wayn. Danach hab ich nur noch das wichtigste mit ihr gesprochen. Leider wird sie auch zur Hochzeit kommen. Aber ich werde sie ignorieren, so gut ich kann. Und dann gab es ja noch Jakob. Meinen Chef, der irgendwann mal mein Freund wurde. Besser gesagt, erst war er ein Kollege, dann Freund, dann Chef.

Shades of FateWhere stories live. Discover now