Kapitel 1.

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[Olivia's Sicht]

Ich spüre, wie der noch leicht feuchte Sand durch meine Finger regnet und ich lache so herzlich, dass ich die Herzen anderer damit verzaubern könnte. Es fasziniert mich, dass er so leicht in der Hand wirkt und gleichzeitig so toll aussieht.  Ich hebe einen runden roten Sandeimer vom Boden auf und halte ihn an seinem stechenden grünen Henkel fest. Mit der passenden roten kleinen Schaufel befördere ich den Sand nach und nach in meinen Eimer, bis er ganz voll ist. Voller stolz und Aufgeregtheit drehe ich meinen Eimer um in den Sand und haue exakt drei Mal darauf und singe dabei das bekannte backe backe Kuchen Lied. Meine Hände kribbeln vor Aufregung, als ich erwartungsvoll den Eimer hochhebe und gespannt auf meine Kreation schaue.

Meine Unterlippe schiebt sich automatisch plötzlich nach vorne und ich senke meinen Kopf. Ich beginne die Augen zusammenzukneifen und bitterlich zu weinen. Meine Sandburg ist nichts geworden und alles ist zusammengefallen, wie ein einziges Chaos. Ein paar Sekunden später, spüre ich eine warme Hand an meiner Schulter, die mich antippt. Als ich aufschaue, hält mir ein Junge, der etwas größer als ich ist, seine Schaufel hin. Den habe ich noch nie zuvor hier im Kindergarten gesehen, weshalb ich zuerst zurückhaltend reagiere und meinen Kopf wieder wegdrehe "Nicht weinen, nimm meine. Das ist die Powerschaufel! Die kann ganze Häuser bauen. Komm ich zeig es dir" lächelt mich zuversichtlich der neue braunhaarige kleine Junge an, ehe er schon beginnt meinen Eimer erneut aufzufüllen. Meine Tränen auf meinen Wangen trockneten langsam, als ich ihm dabei zusah und es dauert nicht lange, bis wir zusammen viele Burgen bauten und unsere eigene kleine Welt in dem kleinen Sandkasten der Kita kreierten. Er wurde nicht nur zufälligerweise mein neuer Nachbar, sondern auch mein bester Freund und ab dem Zeitpunkt war klar, dass ich alles für ihn tun würde, sogar mein rosa Puppenhaus meiner blöden Cousine Paula schenken.

Diese Erinnerung blitzt jedes einzelne Mal in mir auf, wenn ich ihn sehe, wie jetzt. Ich stehe an meinem Fenster in meinem Zimmer, wo ich perfekt in sein Zimmer sehen kann. Grade ziehe ich am Morgen meine grauen Vorhänge auf, als er sich grade umzieht. Ich erwische mich, wie ich meine Augen über seinen trainierten Oberkörper schweifen lasse und lautstark aus und einatme. Wie kann eine so dreckige und falsche Person nur so verdammt gut aussehen? Unerwartet treffen sich unsere Blicke kurz und sofort breitet sich in mir ein mulmiges, aber auch gleich wohlwollendes Gefühl aus. Es fühlt sich so vertraut und gleichzeitig so fern an. Mittlerweile ist Kai 19 und ich 17 Jahre alt und wir reden schon seit Jahren nicht mehr miteinander. Seitdem er professionell Fußball spielt, hat er sich total verändert. Ihm ist der gesamte Ruhm zu Kopf gestiegen und er hat mich fallen lassen, wie einen nassen unwichtigen Sack. Als wäre ich immer nur Luft für ihn gewesen. Aus Enttäuschung und Frustration, ziehe ich einfach den Vorhang wieder zu. Ich möchte mir nicht meinen schönen Freitag jetzt schon versauen.

Das Problem an der ganzen Sache ist, dass nicht nur wir die aller besten Freunde waren, sondern dies auch unsere Eltern geworden sind.  Wir haben als Kinder so viel Zeit miteinander verbracht, dass sich heute einfach auch unsere Mütter praktisch freundschaftlich total lieben. Aus diesem Grund ist es Tradition geworden, dass wir uns jeden vierten Samstag, also einmal im Monat, gemeinsam treffen und zu Abend essen. Ich persönlich finde ja, dass es schon reicht, dass wir verdammte Nachbarn sind. Ich muss Kai nicht noch jeden Monat einmal direkt vor der Nase haben. Er redet eh nur davon, wie toll sein Verein Bayer 04 Leverkusen ist, wie gerne er irgendwann einmal bei FC Chelsea spielen will und wie bekannt er ist. Richtiger arroganter Egoist. Besser, könnte ich diesen Kerl einfach nicht beschreiben.

Nach der Schule heute habe ich nicht mehr viel gemacht, sondern eher mich seelisch auf den morgigen Samstagabend vorbereitet. Irgendwie werde ich am Abend davor immer etwas emotional, sodass sich irgendwas in mir fast schon leer anfühlt. Mit meiner Mutter würde ich nie darüber reden, weshalb ich mit dieser Reizüberflutung eigentlich alleine bin, obwohl ich innerlich danach schreie es rauszulassen. Aus der stechenden Emotion heraus, beginne ich unüberlegt und willkürlich plötzlich zu schreiben. Ich erstelle ein neues Konto bei Instagram, sowas wie einen Blog, wo ich meine Gedanken und Gefühle anonym loswerden kann. Ich will mich nicht mehr alleine fühlen, sowie grade, weshalb ich meinen ersten Beitrag hochlade:

-Es ist so verrückt. Man findet jemanden, ohne ihn gesucht zu haben Eine Person, die dir zur Seite steht, die immer bei dir ist, wenn du sie brauchst, einfach deinen ganz persönlichen Safe Place. Jemanden, der dir das Gefühl gibt, besonders zu sein.. allerdings kommt es vor, dass die Priorität der Person nicht du bist. Sind wir ehrlich, es ist wie es ist, doch wir wünschten, es wäre alles anders gekommen-

Ich verspüre nach dem veröffentlichen so eine Erleichterung, da ich mich mitgeteilt habe. Es fühlt sich großartig an und ich fühle mich nicht mehr so stark aufgewühlt, wie vorher. Obwohl es ein anonymes Konto ist und es kaum Leute sehen werden, fühle ich mich, als würde einer der harten Steine auf meinem Rücken sein Gewicht verlieren.

Mit dem guten Gefühl drehe ich mich entspannt um, sodass ich nun vollkommen zum schlafen bereit bin. Kurz bevor ich es schaffe einzuschlafen, höre ich ein lautes Geräusch. Sofort schrecke ich verängstigt nach oben und drücke meine zartrosa Bettdecke an meinen Körper heran. Ich spüre, wie meine Hände zittrig werden, da ich ein Mensch bin, der total schnell Angst bekommt. Mit mir, könnte man nie in einen Horrorfilm gehen.

Das Geräusch ertönt ein zweites Mal. Es hört sich an , wie ein klopfen. Sofort erstarrt mein Körper vor panischer Angst, da ich nun sofort deuten konnte, dass dieses mysteriöse Klopfen von meinem Fenster kommt. Ist das etwa? Nein.. Oder? OMG das muss ein Einbrecher sein! Vor Angst ziehe ich blitzschnell die Decke über meinen Kopf und beginne zu beten, obwohl ich gar nicht gläubig bin.

Ich höre, ein langsames, aber deutliches knarren, wie als würde sich mein Fenster öffnen. Mein Herz schlägt, wie wild in meiner Brust und Tränen wollen in meine beiden blauen Augen schießen, doch nun höre ich ein flüsternde Stimme „Olivia?" murmelt die dunkle und für mich angenehme Stimme und meine Augen werden groß. Sofort erkenne ich die Stimme und reiße meine Decke von meinem Kopf. Meine kompletten Haare waren zerzaust und mein Blick wurde böse, obwohl sich innerlich in mir drin alles entspannt, da ich mit einem Einbrecher gerechnet habe. „Du hast mir einen riesengroßen Schrecken eingejagt, du Arschloch" schreie ich Kai an, fast schon so laut, dass meine Eltern es beinahe hören konnten.

Bevor ich ihn überhaupt wieder rauswerfen konnte, was ich definitiv getan hätte, sah ich erst seinen Zustand. Er war völlig betrunken und stank nach Alkohol, Zigaretten und sonstigen Substanzen, die ich gar nicht erst zuordnen konnte beziehungsweise wollte. „Livi, lass mich nicht hängen. Du musst mir helfen" kommt von ihm. Zuerst war ich total geschockt davon, wie er überhaupt aussah. Sein T-Shirt war zerrissen und seine Hose total dreckig. Seine Haare sahen so verklebt aus! So habe ich ihn schon lange nicht mehr beziehungsweise noch nie gesehen.

„ Bitte" beginnt er zu wimmern und ich sah ihn perplex an. Ich konnte einfach kein Wort raus bringen. „Ich war... Ach Livi bitte. Wenn ich noch einmal betrunken nach Hause komme, werden meine Eltern mich umbringen. Sie sagten, dass wenn ich es noch einmal übertreiben würde, würden sie mir verbieten auf ein wichtiges Spiel zu gehen. Du weißt wie viel mir das bedeutet und... Ach es tut mir leid, dass ich komme aber ich weiß nicht wohin. Ich..ich.. ich weiß gar nichts mehr." lallt er verloren mir zu. Als er mich plötzlich so anflehte, versetzt es mir einen tiefen Stich in mein kleines Herz. Ich sehe ihn an und ich hasse ihn so sehr, dass ich ihn am liebsten direkt aus dem Fenster werfen würde, aber er sah so wehleidig aus, dass es mir irgendwie schon das Herz brach. „okay, und was soll ich jetzt machen?" meine ich leise mit meinem gradigen Gefühlschaos in mir.

„Lass mich bitte heute hier ich bitte dich nur eine Nacht" meint Kai zu mir.
Ich beiße mir kurz auf die Unterlippe und schaue auf den Boden. Nachdenklich spiele ich an meinem Armband herum und zähle, wie eine verrückte, in meinen Kopf die Pro und Kontras auf. Dann sehe ich ihn noch einmal an und nicke. „Okay, eine Nacht. Aber ich will nicht mit dir reden.." entscheide ich mich dafür.

Seinen Blick, werde ich wohl nie vergessen. Er strahlt so viel Freude und so viel Dankbarkeit in einem einzigen Blick aus, sodass ich da wusste, dass ich mich richtig entschieden habe auch, wenn ich es anfangs nicht wollte. Doch das diese Entscheidung unser beider Leben erneut veränderte, haben wohl wir beide zu dem Zeitpunkt noch nicht gewusst.
Das Schicksal, stellt uns wohl erneut nochmal auf die Probe.

Take this Heart                                                   |Kai Havertz|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt