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„Ja. Alles in Ordnung." Nun sah Connor mich an und bemühte sich um ein schmales Lächeln. „Ich komme einfach später wieder. Mach dir keine Gedanken."

Immerhin lag in seiner Stimme nun etwas mehr Leichtigkeit, trotzdem brannte mein Kopf vor Neugier. Gestern war er mir vorgekommen wie ein anderer Mensch. Es war einfach gewesen, sich mit ihm zu unterhalten, fast so einfach wie mit Christopher, aber heute sprachen wir nicht dieselbe Sprache. Gab es ein Wörterbuch, das mir erklären konnte, warum er aus dem Nichts in Cristals Zimmer auftauchte und aussah, als hätte er letzte Nacht keine Sekunde lang geschlafen?

Am liebsten hätte ich ihn direkt gefragt, aber das kam mir dann doch etwas aufdringlich vor. Stattdessen versuchte ich, nett zu sein. „Bist du dir sicher?"

„Alles gut. Man sieht sich."

„Okay, ähm, bis dann." Perplex blieb ich in Cristals Zimmer zurück, ehe ich mich wieder aufraffte. Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, dass ich in die Privatsphäre meiner Gastschwester eingedrungen war, huschte ich in den Gang hinaus und zog die dunkelbraune Tür hinter mir wieder zu. Die Lust, ihr nachzustellen wie ein Detektiv oder wie ein Stalker, war mir vergangen. Dafür war Connors Auftreten zu merkwürdig gewesen. Wie war er überhaupt in das Haus gekommen? Besaß er einen Schlüssel?

Ich ging zur Eingangstür, die sich problemlos öffnen ließ. Eigentlich war ich mir sicher gewesen, dass ich hinter mir abgesperrt hatte, als ich nach Hause gekommen war. Vielleicht konnte ich Leya nachher beiläufig fragen, ob Connor einen Schlüssel besaß. 

Als ich versuchte, mich wieder den spanischen Plantagen in meinem Geographiebuch zu widmen, kam ich besser voran als gedacht. Doch nach ein paar weiteren Minuten tat mein Rücken schon etwas weh, weil der Schreibtisch zu niedrig war und ich streckte meine Arme seufzend nach oben, um mich zu dehnen, als es an der Tür klopfte. Anscheinend kam  Leya heute in ihrer Mittagspause aus der Praxis nach Hause.

„Ja?" Ein Blick über meine Schulter genügte und ich war erneut verwirrt. Vor circa einer Stunde war Connor gegangen, jetzt stand er in meinem Türrahmen und nickte mir zu. Leya war wohl doch noch nicht zuhause.

„Darf ich reinkommen?"

Neugierig musterte ich ihn. Er sah immer noch müde, aber weniger durch den Wind aus. Wie ein Regal voller staubiger, abgenutzter Bücher, die jetzt zumindest nach Farben sortiert waren. „Klar. Cristal ist aber immer noch nicht da." Gespannt folgten meine Augen seinen Bewegungen, bis er sich an den Rand meines Bettes setzte. Sonst gab es keine freien Sitzmöglichkeiten in meinem Zimmer. Ich drehte mich im Schreibtischsessel, damit ich ihn besser sehen konnte.

„Das macht nichts. Ich wollte zu dir. Kann ich dich um einen Gefallen bitten?" Er sah mich abwartend an.

„Kommt auf den Gefallen drauf an, aber wenn ich helfen kann, dann gerne", meinte ich schulterzuckend und verdrängte das flaue Gefühl in meinem Magen. Ich konzentrierte mich auf das Ticken der runden Uhr an der Wand, um nicht an die Wärme zu denken, die von Connor ausging, und dennoch kribbelten meine Fingerknöchel. Wenn man etwas nicht bemerken darf, strahlt es meistens nur noch auffälliger. Genauso wie ein Insektenstich noch mehr juckt, wenn jemand sagt, dass man ihn nicht blutig kratzen soll. Ich zwang mich dazu, ruhig sitzen zu bleiben und hielt mich an der Sitzfläche des Schreibtischsessels fest, um nicht näher an Connor heranzurücken.

„Cristal hat ja am Samstag Geburtstag." Ich gab ein zustimmendes „Mhm" von mir, auch wenn mich seine Worte so unerwartet trafen wie kaltes Wasser. „Und Ruby will ihr eine Überraschungsparty schmeißen. Ich hab mir gedacht, vielleicht kannst du mir helfen, die Torte zu backen? Mit dem Gips ist das nicht so einfach und Christopher muss man von jeder Küche der Welt fernhalten, wenn man nicht will, dass sie in Flammen aufgeht."

InstinktjägerWhere stories live. Discover now