Wieder vereint

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Natalia liegt schutzsuchend in den Armen von Estarossa. Sie macht einen völlig verstörten Eindruck und braucht eine gewisse Zeit, um sich von dem Schock wieder erholen zu können. Meliodas steht noch immer an der gleichen Stelle und betrachtet sie ruhig. Nun kommt auch Johann angerannt, der seine über alles geliebte Enkelin in seine müden Arme zieht. „Meine Kleine...", stöhnt er leise. „Mein armes, kleines Mädchen..." Nur sehr langsam, erholt sie sich von dem traumatischen Erlebnis wieder. Tapfer wischt sie ihre Tränen weg und zwingt sich wieder ein Lächeln aufzusetzen. „Es geht mir gut, keine Sorge." Nun wendet sie sich Meliodas zu. „Du hast mich gerettet. Dafür danke ich dir." Doch das ändert noch immer nichts daran, dass er sie häufig in ihren Träumen aufgesucht hat. Da wird Meliodas ihr eine sehr gute Erklärung schuldig sein. Doch da sieht sie Estarossa einmal breit grinsen. „Ich verstehe. Also warst das wirklich du die ganze Zeit. Wie auch immer. Auch ich bin dir zu Dank verpflichtet, dass du sie gerettet hast." Aus dem Augenwinkel heraus, fegt eine schwarze Mähne an den beiden vorbei. Zeldris ist ziemlich aufgebracht, dass sein ältester Bruder plötzlich hier aufkreuzt und will ihm zur Begrüßung sogleich die Kehle zerfetzen. Mit absoluter Leichtigkeit, packt Meliodas sein Handgelenk, presst die zweite Hand gegen seine Brust und holt Zeldris mit einem gezielten Tritt von den Beinen. Das ganze geht so schnell, dass Natalia gar nicht gesehen hat, was da eben passiert ist. Und während er am Boden liegt und dümmlich vor sich herschaut, kommt Hannah angelaufen, die schadenfroh vor sich her lacht. „Das hast du absolut verdient, Smaragdäugchen. Das Grünauge gefällt mir jetzt schon."

Trotzdem geht Hannah zu dem Ast und schaut ihn sich einmal an. „Da hast du aber echt verdammtes Glück gehabt, Natalia. Du bist doch nicht verletzt, oder?" Sie schüttelt beschwichtigend den Kopf. Allerdings sorgt Meliodas dann bei der ganzen Gruppe für Beunruhigung. „Das war übrigens kein Unfall gewesen. Da hat jemand nachgeholfen." Da reißt Hannah weit die Augen auf. „Du verarscht mich, oder?" Doch er schüttelt den Kopf. „Schau dir die hinterste Stelle am Ast an." Und tatsächlich sieht man dort, dass der Ast angesägt wurde. Plötzlich weicht der Farmerin alle Farbe aus dem Gesicht. „Meliodas, du meinst, dass jemand versucht hat Natalia loszuwerden?", fragt Estarossa. Sein älterer Bruder nickt. „Oder vielleicht auch einen anderen." Sofort tauschen die Farmerin und der Dämon einen Blick. Und da verstehen sie sich auch ohne Worte. Sie löst sich aus seinen Armen, hebt ihr Kleid ein wenig an und eilt zum Haus zurück. „Meine Kinder...nicht meine Kinder..." Sie stürmt durch die Tür und ist beinahe über Bruno gestolpert, der ihr verwirrt hinterher bellt. „Xander...Anunnaki...", ruft sie aufgebracht und reißt hastig die Tür zum Kinderzimmer auf. Die beiden Geschwister malen gerade ein Bild zusammen und schauen ihre Mutter überrascht an. Da fällt ihr ein Stein vom Herzen, dass sie dieses Drama nicht mitbekommen haben. „Meine zwei kostbaren Schätze..." Sie nimmt die beiden in den Arm, während Estarossa nun auch das Kinderzimmer erreicht und sich vergewissert, dass seinen Sprösslingen nichts passiert ist. Xander umarmt seine Mama einmal ganz fest, während seine Schwester an ihrem Papa klebt. Der junge Halbdämon mag es noch immer mit ihr zu schmusen. Dafür wird er wohl nie zu alt sein. Doch auf einmal wird er ganz still und sein Gesicht versteinert sich. „...Mama...", sagt er leise. „Da ist der gruselige Mann aus meinen Träumen..." Sie haucht ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich weiß...", sagt sie leise.

Meliodas hat Natalia versprochen, morgen mit ihr über alles zu reden. Er wird ihr erklären, aus welchem Grund er sie immer wieder in ihren Träumen aufgesucht hat. „Tut mir Leid, dass du auf dem Sofa schlafen musst. Kann ich noch etwas für dich tun?" Meliodas schüttelt den Kopf. „Es muss dir nicht leid tun. Ich wäre sogar mit dem Schweinestall zufrieden gewesen." Daraufhin muss sie doch einmal lächeln. „Gute Nacht." Sie nimmt die kleine Kerze in die Hand und steigt die Treppen zu ihrem Schlafzimmer hinauf. Meliodas will sich gerade hinlegen, als sich ihm leise Schritte nähern. Eine geschmeidige, schlanke Gestalt taucht aus der Dunkelheit auf. Durch das Fenster scheint das Mondlicht und lässt ihr Fell silbern wirken. Der älteste Dämon streckt seine Hand aus und streichelt Molly sanft hinter den Ohren. Die blaugraue Kätzin belohnt ihn mit einem Schnurren und lässt sich auch das Kinn kraulen. „Sie weiß nicht, dass du ein Dämon bist, oder?" Molly ringelt nun ihren Schwanz um ihre Beine und betrachtet ihn ruhig. „Du hast ein gutes Gespür", miaut sie ruhig. Meliodas krault sie weiterhin an den Ohren. „Ich würde eine dämonische Nekomata unter hunderttausend normalen Katzen erkennen. Wenn ich mich richtig daran erinnere, dann ist dein jetziger Name Molly." Nun klettert sie auf seinen Schoß und rollt sich dort zusammen. „Das ist richtig. Mein Frauchen gab mir den Namen Molly. Vor ihr trug ich den Namen Luna und auch davor hat man mich Minka gerufen." Der blonde Dämon streicht ihr mittlerweile zart über den Rücken. „Und wie ist dein richtiger Name?" Immerhin hat Molly von ihrer Mutter einen Namen bekommen. „Ich heiße Aurioana." Meliodas grinst darauf nur einmal und nickt. Dann legt er sich entspannt hin und streckt sich nochmal. „Ich denke, dass ich dich dennoch weiterhin Molly nennen werde."

Natalia legt den Kopf schief. „Wieso kommst du mich hier besuchen, wenn du doch unten im Wohnzimmer bist?" Meliodas schmunzelt einmal. „Muss wohl zur Angewohnheit geworden sein." Sie lächelt. „Komm mit." Er nimmt ihre Hand und diesmal folgt sie ihm bereitwillig. „Wie kommt es, dass ich immer wieder auf diesem Feld voller Narzissen bin?" Das wollte sie ihn schon beim letzten mal fragen. „Das liegt an mir. Als Traumwandler habe ich die einzigartige Fähigkeit zu entscheiden, wo der Traum stattfindet." Nun bleibt er stehen, legt einen Arm um ihre Taille und schnippt einmal mit dem Finger. Sofort löst sich das friedliche Bild des Blumenfeldes auf und sie findet sich in einer brennenden Hölle wieder. Schockiert hält sich Natalia die Hände vor den Mund. Und schließlich löst sich auch diese surreale Welt auf und sie findet sich vor einem wunderschönen Kirschblütenbaum wieder. „Normal hat jeder seine eigenen Träume. Doch ich kann diese manipulieren. Entscheiden, was jemand träumt und wo er es träumt. Auf diese Weise habe ich dich aufgespürt und deine Farm gefunden. Du hast mir in deinen Träumen den Weg hierher gezeigt." Nun schaut sie ihn sehr verwirrt an und faltet die Hände unter dem Bauch. „Und was ist mit deiner Warnung? Der Feind, der zu schlafen scheint?" Da schaut Meliodas sie mit einem gewissen Glanz in den Augen an. „Leider konnte ich dir nicht genau sagen, um wen es sich handelt. Ich habe in meinen eigenen Traumvisionen nur eine dunkle Silhouette gesehen. Aber lass uns darüber morgen mit allen sprechen." Der Dämon greift nach oben und pflückt eine Kirschblüte, die er Natalia ins Haar steckt. „Schlaf jetzt."

Perplex öffnet sie die Augen und sieht sich für einen Moment verwirrt in ihrem Schlafzimmer um. Immer wenn er ihren Traum verlässt, wacht sie kurzerhand darauf auf. Sie lässt ihren Blick einmal zu ihrer Tür gleiten. Wissend, dass Meliodas unten auf dem Sofa liegt und schläft. Da lächelt die Farmerin einmal. Denn diesmal ist es ganz anders gewesen. Sie spürt die Nähe und die Wärme von Estarossa, der neben ihr liegt. Zufrieden schmust sie sich an ihn und er legt direkt einen Arm um sie. Ein Zeichen, dass eine seiner Gehirnhälften wach ist. „...Dich beunruhigt etwas, oder?" Nun öffnet sich das rechte Auge, dessen Fokus sich direkt auf sie richtet. „Mir lässt es keine Ruhe, dass ein Verrückter auf unserem Land herumrennt. Egal wer diesen verdammten Ast angesägt hat, wenn ich ihn in die Klauen kriege, werde ich ihn auffressen." Die Farmerin lächelt einmal und haucht ihm einen Kuss auf den Hals. „Schlaf noch ein bisschen, Estarossa." Nun dreht er sich auf die Seite und zieht sie nahe an seinen kräftigen Körper heran. Sein Arm schlingt sich wieder besitzergreifend um sie und nun schließt er sein Auge auch wieder. „...Wieso bist du eigentlich wach?", will er dann noch wissen. „Meliodas", antwortet sie knapp. Darauf kann sie ein leises knurren hören. „...Dem werde ich morgen etwas anderes erzählen."

Stunden später. Estarossa bemerkt, dass sich Natalia aus seinen Armen schält und aufsteht. Es ist Zeit, die Tiere auf die Weide zu lassen. Doch er lässt sie nicht alleine gehen. Der Dämon schält sich ebenfalls aus dem Bett, was Natalia doch ziemlich überrascht. „Es ist erst fünf Uhr in der Früh, du kannst gerne noch etwas liegen bleiben." Das ist untypisch für Estarossa, doch er schüttelt den Kopf. „Ich werde dich nicht alleine nach draußen lassen. Wer weiß, wann dieser Irre den nächsten Anschlag verübt." Sein dominanter Beschützerinstinkt lässt sie erröten. Während Natalia ins Badezimmer geht und sich frisch macht, schaut Estarossa im Kinderzimmer nach, ob es seinem Sohn gut geht. Seine kleine Prinzessin schläft wie immer zwischen Hannah und Zeldris. Der Dämon fragt sich sowieso, warum die beiden im gleichen Bett schlafen. Eigentlich kann es ihm egal sein. Ist es aber nicht. Irgendwann wird er die beiden über diese gemeinsame Eigenschaft einmal ordentlich ausquetschen. Nun folgt er der Farmerin nach unten in die Küche. Sie verhält sich ruhig und vermeidet es laute Geräusche zu machen. Immerhin will sie Meliodas nicht unnötig aufwecken. Beinahe lautlos, öffnet sie den Kühlschrank und holt allerlei Dinge heraus. Aus einem der Schränke fischt sie ein Tablett und stellt einen Teller und ein Glas ab. Obwohl sich Natalia wirklich Mühe gibt, nicht laut zu sein, ist Meliodas dennoch schon seit einer ganzen Weile wach, rührt sich aber nicht. Schließlich stellt die Farmerin das fertige Frühstück auf den kleinen Tisch neben dem Sofa. Dem blonden Dämon steigt der Geruch von Fleisch, Blut und Eiern in die Nase. Auch spürt er die Geste von seiner Gastgeberin, wie sie ihm die Decke zurechtrückt, die etwas verschoben ist. Sie streichelt Molly einmal, die es sich bei ihm bequem gemacht hat und sie schnurrt ganz leise auf. Nun kümmert sie sich noch um das Frühstück ihrer beiden Kinder und wird dann von Estarossa auf die Weide begleitet. Er legt ihr eine Hand auf die Schulter und hält sie davon ab weiterzugehen. „Was hast du denn?" In seinem Blick liegt etwas misstrauisches. Er hebt den Kopf und saugt die Luft einmal scharf sein. Überprüft, ob er irgendwo einen fremden Geruch ausmachen kann. Nichts. Schließlich entspannt er sich wieder und Natalia kann ihrer täglichen Arbeit nachgehen.

Am Nachmittag hat es die Farmerin für heute auch wieder geschafft. Sie ist mit allen fertig geworden und hat sogar noch einen Kuchen gebacken. Entspannt sitzt sie auf einer Decke und hält eine dampfende Tasse Tee in der Hand. Ihr Blick gleitet einmal nach oben, wo das Dämonentrio wie ein paar Aasgeier über ihr Kreise ziehen. Irgendwann klappt Estarossa die Flügel ein und lässt sich nach unten fallen. Kurz vor dem Aufprall, spannt er sie wieder auf und landet mit seinen Brüdern sanft wie eine Feder. „Nichts", sagt er. „Keiner von uns hat etwas gesehen." Das lässt die Farmerin besorgt aufschauen. Seitdem Vorfall mit dem Ast, lässt sie ihre Kinder nur noch unter Aufsicht spielen. „Ich denke, dass es an der Zeit ist mein Versprechen einzulösen", sagt Meliodas. Erstaunlicherweise, zeigt Xander großes Interesse an seinem für ihn noch fremden Onkel. Anunnaki hingegen klammert weiterhin an Zeldris fest und klettert gerade auf ihm herum. Im großen und ganzen, erzählt Meliodas allen nochmal das gleiche, was er Natalia in der letzten Nacht in ihren Träumen erzählt hat. Hannah pfeift einmal scharf durch die Zähne. „Und du bist echt ein Traumwandler, Grünauge?" Der älteste Dämon grinst sie an. „Ganz genau, Goldlöckchen." Auf diese Antwort schmunzelt sie einmal. „Du bist ganz schön frech. Das gefällt mir." Besonders der alte Johann scheint über die momentane Situation sehr beunruhigt zu sein. Natürlich kann das ein einmaliger Vorfall gewesen sein. Doch er hat absolut keine Idee, wer denn bitte Natalia oder seine Urenkel loswerden will. Estarossa hätte niemals das Ziel sein können. Ein Dämon lässt sich nicht von einem Ast erschlagen. Doch nun zieht Meliodas wieder die Aufmerksamkeit auf sich. „Jedenfalls habe ich gespürt, dass etwas nicht stimmt. Obwohl ich viele Jahre im Fegefeuer verschwunden bin, habe ich nie aufgehört an meine Brüder zu denken." Sein Blick fällt nun auf die Farmerin. „Du musst wissen, dass Estarossa ein sehr unscheinbares Kind war. Er ist oft alleine gewesen und es fällt ihm heute noch schwer, sich anderen anzuvertrauen." Sein jüngerer Bruder wirft ihm den Todesblick der Vernichtung entgegen, da er seine peinlichen Geheimnisse ausplaudert, als ob es das normalste auf der Welt wäre.

Meliodas ignoriert ihn. Und nun wird Natalia bemerken, dass er sehr direkt in seiner Art ist. „Ich hätte mich auch dagegen entscheiden können, dich vor dem Tod zu bewahren. Allerdings wollte ich nicht, dass das Glück meines Bruders zerstört wird." Sie schaut ihn ein bisschen eingeschüchtert an, doch dann schleicht sich ein Lächeln auf ihr Gesicht. „Ich weiß nicht, was zwischen dir und Estarossa alles vorgefallen ist. Aber was ich weiß ist, dass du ihn glücklich machst. Und was Zeldris und deine vorlaute Freundin angeht..." Dazu braucht man keine Worte, um das zu beschreiben. Der jüngste Dämon hat Anunnaki an Johann weitergegeben und drückt sein Gesicht in die Brüste von Hannah, während diese versucht ihm die Ohren abzureißen. Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Die beiden lieben sich einfach. Auch wenn sie es nicht zugeben. Nun muss Meliodas doch einmal lachen. „Abstreiten kann er es jedenfalls nicht." Das lässt sogar die Farmerin einmal leise auflachen, während sie immer wieder einmal kurz auf ihren Verlobungsring schaut. „Meliodas, du...wie lange wirst du hierbleiben?", will Natalia nun doch wissen. Er lehnt sich nach hinten und schaut einmal nach oben. „Nicht sehr lange. Es gibt einige Dinge, die ich erledigen muss." Er schließt die Augen und grinst einmal kurz. „Estarossa, sei froh, dass ich der älteste von uns bin. Sonst wärst du der nächste in der Thronfolge." Er hat sich inzwischen in den Schoß von Natalia geknuddelt. „Wäre mir sowas von egal..." Nun schaut sie einmal verwirrt drein. „...Thronfolge...? Ich verstehe nicht ganz..." Da schaut Meliodas sie perplex an. „Was denn, hat er dir etwa nicht gesagt, dass er ein Sohn des Dämonenkönigs ist?" Der Farmerin fällt die Kinnlade langsam herunter und auch Hannah schaut dumm aus der Wäsche. Lediglich Johann scheint das nicht zu überraschen. „Estarossa, warum hast du mir nicht gesagt, dass du ein Prinz bist?", fragt sie ihn verärgert und zerrt dabei schmerzhaft an seinen Wangen herum. „Aua...! Es gibt keinen Grund dafür. Am Ende hättest du noch königliche Hoheit zu mir gesagt. Mir ist es total schnuppe, dass ich einen Adelstitel habe." Sie lässt wieder los. „So hätte ich dich garantiert nicht angesprochen, du Dumpfbacke." Im nächsten Moment, streichelt sie ihm schon wieder durch die Haare. „Vielleicht sollten wir euren Vater dann einmal hierher einladen." Estarossa schweigt. „Der Alte ist tot", sagt er mit kalter Stimme. „Oh...? Das...tut mir sehr Leid...", sagt sie mitfühlend. Doch nun ist es Meliodas, der den Kopf schüttelt. „Es muss dir nicht leid tun. Ich denke wir haben im Moment andere Probleme. Nicht wahr?" Darauf nickt Natalia einmal. „Das stimmt. Vielleicht sollten wir uns erst einmal darauf konzentrieren."


Mein Freund, der DämonOù les histoires vivent. Découvrez maintenant