39 - Frauen

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"Das nächste Mal setze ich mich zu Ricarda", murmelte Ria Marie-Agnes zu und nahm einen Schluck aus ihrem Weinglas. "Ach komm, ist doch ganz lustig bisher!", antwortete MASZ, sah dabei aber mit zweifelnden Blick zur anderen Seite des Tisches hinüber, wo Katja und Linda saßen und in verschiedene Richtungen starrten. Ursula Karven, die zwischen ihnen Platz genommen hatte, hielt vorne gerade ihre Ansprache. "Zumindest ist der Wein gut", sagte Ria und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

Unter allgemeinem Applaus (wenn man von Linda, die ihre Hände in den Schoß gelegt hatte, einmal absah) kehrte Ursula zu ihrem Platz zurück. "Gute Rede", lobte Katja die Schauspielerin und zwinkerte ihr zu. Ursula lächelte strahlend und strich kurz über Katjas Schultern. Linda starrte verächtlich in die Tischdeko.

Ria wusste was zwischen ihren Parteifreundinnen vorgefallen war. Katja und sie kannten einander schon lange und waren mittlerweile Freundinnen geworden. Anfangs hatte Ria sich den ein oder anderen professionellen Rat von der erfahreneren Politikerin geholt, doch irgendwann waren ihre Gespräche persönlicher geworden - und Katja hatte ihr schon lange bevor es publik geworden war, von ihrer früheren Beziehung mit Linda erzählt.

Deswegen war Ria auch nicht überrascht gewesen, als Katja eines Abends vor ihrer Tür stand und ihr erzählte, dass sie sich mit Linda gestritten und ihr in diesem Zuge gleich ihre noch immer existierenden Gefühle gestanden hatte. Man musste schon blind sein, um zu übersehen, dass Katja Linda noch immer liebte. Doch seitdem hatte die junge Juristin angefangen verstärkt auf Lindas Verhalten zu achten.

Sie zweifelte gar nicht an der Beziehung von Wagenknecht und Linda, das ging sie nichts an. Doch manchmal fiel ihr auf, dass ihre Fraktionskollegin Katja eine Sekunde zu lange ansah. Manchmal sah sie auf ihrem Gesicht tagelang nicht eine Gefühlsregung - doch sobald Katja den Raum betrat begannen Lindas Augen zu leuchten.

Einmal hatte sie mit Gyde darüber gesprochen, denn wenn jemand wusste was in Linda vorging, dann war es Gyde Jensen. Diese hatte natürlich nur ausweichend geantwortet, doch das war für Ria Bestätigung genug gewesen, dass Linda wohl doch mit sich zu kämpfen hatte, wenn es um ihre Gefühle für Katja ging.

Und jetzt dieser Abend. Ria sah auf. Vorne sprach mittlerweile Dorothee Bär. Katja hatte ihre ganze Aufmerksamkeit auf diese gerichtet und auch Ursula hatte sich der Rednerin zugewandt, damit sie ihren Worten besser folgen konnte. Linda durchbohrte ihren Hinterkopf derweil mit Todesblicken. Als Ursula ihren Arm auf Katjas Stuhllehne ablegte und diese ihr daraufhin ein kleines Lächeln zuwarf, presste Linda die Lippen zusammen und verzog das Gesicht.

Herrgott, so einen Blick hatte Ria erst einmal in ihrem Leben gesehen. Damals war sie auf einer Semesterparty von einer sehr hübschen, aber ziemlich betrunkenen Frau angebaggert worden. Sie war natürlich nicht darauf eingegangen, aber ihr damals noch-nicht-Freund hatte ganz ähnlich ausgesehen.

Die Stimmung am Tisch blieb trotz der Auflockerungsversuche von Marie-Agnes angespannt. Zumindest für die vier FDPler, denn Ursula schien absolut nicht zu merken, dass Katja und Linda nicht miteinander sprachen. Umso erleichterter war Ria, als endlich das Ende der Reden verkündet wurde und die Gäste begannen sich in kleinen Gruppen nach draußen zu begeben.

Ursula und Katja erhoben sich als erstes. "Ich schaue mal schnell zu Doro rüber, okay?", sagte Ursula und legte eine Hand auf Katjas unteren Rücken. "Wir sehen uns gleich!"

„Wie wäre es mit ein bisschen frischer Luft?", fragte Marie-Agnes, in die durch Ursulas Abgang entstandene Stille hinein. Linda sprang förmlich von ihrem Platz auf und leerte dabei ihr Weinglas. Ria war sich nicht ganz sicher wieviele sie schon getrunken hatte.

"Ja, hier. Ich komme mit!", sagte sie schnell und Ria sah Linda und Marie-Agnes hinterher, von welchen letztere einen etwas hilflosen Blick aufgesetzt hatte.
Katja schloss die Augen und stütze sich auf dem Tisch ab.

Irgendwo in BerlinOù les histoires vivent. Découvrez maintenant