Kapitel 1 Teil 2

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(Dienstag, 7:00 Uhr Morgens)

Durch ein Gewicht auf meiner Brust werde ich wach. Ich verziehe mein Gesicht und öffne gequält meine Augen. Ein grinsendes Gesicht mit, blauen Augen und blonden Locken strahlt mir entgegen. "Aufstehen Lydia, Mr. D hat gesagt ich soll dich wecken", beim Sprechen, kommt seine Zahnlücke zum Vorschein. Moreno Dawson, einer unserer jüngsten Bewohner des Heims, sitzt auf meinem Oberkörper. Der sechsjährige Junge strahlt über beide Ohren. Ich kann es nicht fassen, dass Mr. D, fast jeden Morgen den armen Jungen dazu verdonnert mich zu wecken. Er ist schlau und möchte meine Wut am Morgen nicht auf ihn selbst lenken. Da er weiß, dass ich Moreno nicht sauer sein kann, schickt der also ihn. Ich lächle ihn an "Guten Morgen kleiner Mann", ich setze mich auf und gebe ihm ein Kuss. Er kichert. "Sag mal Lydia, bist du heute lange in der Schule?", immer noch müde nicke ich. Er zieht ein Schmollmund, und verschränkt die Arme vor der Brust. Ich richte mich auf und ziehe ihn auf meinen Schoß. "Ich wollte heute mit dir spielen, bevor ich wieder in das große Gebäude muss". Mit dem großen Gebäude, ist das Familiengericht gemeint, in dem er fast monatlich auftauchen muss, da es ein gewaltigen Streit zwischen seiner Mutter und seinem Vater gibt. Der Sorgerechtsstreit läuft schon fast zwei Jahre. Mit vier ist er bei uns eingezogen und wohnt deshalb, wenn er nicht gerade bei seinen Eltern ist, hier. Da er genau, dann gehen muss, wenn ich von der Schule komme, ergibt sich keine Möglichkeit, mit ihm zu spielen. Ich sehe ihn an und lege meinen Kopf leicht zu Seite, "Ich weiß Amore, aber wenn du morgen Abend wieder hier bist, verspreche ich dir, spiele ich die ganze Zeit mit dir". Skeptisch sieht er mich an, "Du bekommst auch ein Eis", er grinst wieder. Ich sehe zur Seite, auf der Ethan immer noch schläft. "Und wenn du Ethan jetzt auch weckst, darfst du sogar zwei Kugeln essen". Erzieht seine Augenbrauen hoch. "Versprochen?", ich halte meine Hand hin, "Versprochen". Er schlägt ein und stützt sich auf Ethan. Ich stehe auf und laufe Richtung Bad. "Ethannn, svegliati (aufstehen)" höre ich Morenos Stimme schreien. Ich bleibe stehen und drehe mich nach hinten, ich lächle in mich hinein. Ab und an bringe ich ihm italienische Wörter bei und freue mich unglaublich, wenn er sie verwendet. Meine Mutter sowie auch mein Stiefvater sind beide Italiener, auch ich habe den italienischen Pass und den amerikanischen. Ich bin aufgewachsen und wurde bilingual erzogen, weshalb mir Italienisch genauso einfach über die Lippen kommt wie mein Englisch. Über die Jahre habe ich Ethan auch italienische Wörter und Sätze beigebracht, während er mich spanisch gelehrt hat. Da sich die Sprachen ähneln, hatte ich nie Schwierigkeiten damit. Es stellt sich heraus, auf einer anderen Sprache über jemanden zu lästern, ist in manchen Situationen sehr praktisch. Ab und an hat sich jetzt auch Moreno angewöhnt, sowas wie ciao oder Salve, zu verwenden. Ethan ist mittlerweile wach, und vergräbt lachend sein Gesicht in Morenos Halsbeuge. Glücklich darüber, dass Ethan mit ihm spielt, lacht er wie ein typisches Kind. Vielleicht war mein Leben nicht so einfach, aber in solchen Momenten liebe ich es.

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⏰ Last updated: Jul 24, 2022 ⏰

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