51. Im Schein des Feuers

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Nachdem Thorvald zum rechtmäßigen Fürsten gewählt wurde, brach eine neue Zeit an. Rûna hätte es nicht für möglich gehalten, aber Skarör begann sich bereits am Tag nach der Wahl zu verändern. Es war viel geschäftiger auf den Wegen der Siedlung, viel mehr prächtig gekleidete Männer und Frauen liefen zwischen den Hütten umher. Trafen sich, unterhielten sich, lachten. Rûna huschte mit müden Beinen und noch müderen Augen an ihnen vorbei, erhaschte hier und dort Wortfetzen von angeregten Gesprächen.

Es fühlte sich nach Aufbruch an, dachte sie. Nach Aufbruch und Umbruch. Möglicherweise war auch ihre Zeit bald gekommen. Und auch, wenn ihr Innerstes sie noch in Skarör hielt, spürte sie den Nordwind, der ihr um die Nase blies. Ja, bald war auch ihre Zeit gekommen. Sie konnte es nicht länger leugnen.

Auch bemerkte Rûna in den nächsten Tagen, dass einige Handwerker ihre Läden geschlossen und die Siedlung verlassen hatten, während neue Läden ihre Türen öffneten. Das Versprechen nach Wandel, das Thorvald ihnen allen gegeben hatte, schien Handwerker und Künstler aus dem ganzen Land anzulocken. Während diese die Gesellschaft von Odd gemieden hatten, wurden sie von der mystischen Gestalt Thorvalds geradezu angezogen. Wer wurde das nicht?, schmunzelte Rûna über ihre eigenen Gedanken.

Am Hof des Rabenfürstens trafen ebenfalls immer mehr Bedienstete ein, die mit den Rebellen zusammengearbeitet hatten oder die Thorvald persönlich kannten. Sie beobachtete, wie er dann und wann zwischen den Hütten stehenblieb und sich mit ihnen unterhielt, nach ihren Verwandten fragte, während Rûna ihren Kopf senkte und zwischen den Hütten verschwand. Denn seit ihrem vielsagenden Blickwechsel am Abend der Wahl, hatte sie kaum Kontakt zu Thorvald gehabt. Er hatte seine tägliche Routine, an der sich ihr Arbeitsplan festgemacht hatte, über den Haufen geworfen und hatte in den letzten Tagen seine Hütte für die meisten Menschen sperren lassen. Wollte allein sein, nach all dem Trubel, hatte ihr Sigurdur gesagt.

„Kein Wunder. Stell dir vor, was dieser Mann innerhalb von kürzester Zeit erlebt hat. Wie scharf seine Messer sein mussten, dass er es so schnell so weit nach oben geschafft hat. Vorbei, an all den alten Säcken", sagte Hedda eines Abends zu Rûna und sie mussten sich die Bäuche halten, so heftig lachten sie.

„Wer weiß, wen er neben Munin alles in seiner Hütte zu Gast hat", ergänzte Rûna nach einer Weile, das Lachen noch in den Augen, auch wenn dieser Gedanke ihr seit längerem Unbehagen bereitete.

„Ich glaube da bist du nicht die Einzige, die sich diese Frage stellt", antwortete ihr Hedda, die Augenbrauen bis zum Haaransatz hochgezogen. „Ich habe bereits Sigurdur dazu befragt, er will und kann mir nichts dazu sagen. Ich bin enttäuscht von ihm." Rûna zuckte mit den Schultern.

„Er wird es einfach nicht wissen."

„Möglich", antwortete Hedda. „Wir müssen uns einfach eine bessere Quelle suchen." Rûna liebte ihre Freundin dafür. Sie ließ sich niemals unterkriegen, kämpfte sich mit harter, guter Arbeit und viel Humor immer nach oben an die Wasseroberfläche, wenn sie mal wieder vom Schicksal untergetaucht wurde. Und sie hielt ihr Wort, auf jede Silbe konnte man sich verlassen.

So geschah es, dass Hedda eines Abends kurz nach ihrem Gespräch im Gesindezimmer stand und Rûna bat, ihr zu folgen. Etwas verwundert kleidete sich Rûna an und warf sich einen abgetragenen Mantel über, da der Herbst die Abende immer kälter werden ließ. Und schließlich wusste sie nicht, was Hedda im Schilde führte.

„Was hast du mit mir vor?", fragte sie mit leiser Stimme, als Hedda vor dem Langhaus des Rabenfürstens ihre Hand ergriff und sie in schnellem Schritt hinter sich herzog.

„Du fragst mich doch immer, woher ich mein genaues Wissen über alles und jeden herhabe, nicht?" Rûna nickte.

„Aye."

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