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Gleich am nächsten Tag suchte Minho mit seinem Vater eine neue Oberschule. Sie entschieden sich für eine, die ein paar Kilometer weg von seiner alten war. Minho müsste also länger mit dem Bus fahren als sonst. Ihm war es egal. Die ganze Zeit saß er da wie auf Autopilot, dachte an Jisung. „Okay, dann werde ich das jetzt regeln", meinte sein Vater und schnappte sich das Telefon. Minho nickte ausgelaugt. Er war müde und hatte kein Auge zubekommen, die neusten Ereignisse steckten noch tief in seinen Knochen. Seine Schuldgefühle wurden stärker, manifestierten sich zu einer großen, schwarzen Kreatur, welches ihn fest im Griff hatte.

Mit jedem Tag der verging, floss mehr Schuldgefühle in Minho. Er fühlte sich wirklich schuldig, weil er Jisung krankenhausreif verprügelt hatte. Anders als früher machte er sich auch Gedanken, wie sich Jisung gefühlt haben könnte, wenn er ihn so beleidigte und wenn er ihn blau und lila geschlagen hatte. Es war so schwer sich in andere hineinzuversetzen, wenn man sich selber nicht mal akzeptierte. Wie soll man für die Probleme von anderen nur Platz schaffen, wenn alles in einem mit seinen eigenen Problemen überfüllt war? Und Minho hatte mit seiner Homosexualität und der tiefen Leere in seinen Gedanken zu kämpfen. Er fühlte sich so egoistisch, aber was wenn seine Probleme ihm vermitteln wollte, dass nur er wichtig war? Wenn sie ihm sagen, dass Jisungs Liebe überflüssig waren?

Minho wollte Jisung besuchen gehen. Vielleicht fand er in den Anblick Jisungs, die Antwort auf seine Kaltherzigkeit und die Ahnungslosigkeit seiner eigenen Gefühle. Er wollte verstehen, wieso Jisung seine Liebe zu ihm verschwendete. Er wollte in Jisungs Gesicht sehen und auch, wenn dort alles wie tot aussah, so wollte er eine Gefühl bekommen, wie Jisung ihn mit voller Liebe ansehen könnte.. Minho nahm seinen ganzen Mut zusammen und besuchte das Krankenhaus, wo man ihn abwies, weil er nicht Jisungs Familie angehörte. Er versuchte es nicht nur einmal, tapfer fragte er öfters die Dame in der Rezeption, ob er Han Jisung besuchen konnte. Wie immer lies sie ihn nicht zu ihm. Minhos Hartnäckigkeit zog die Aufmerksamkeit von einem Krankenpfleger auf sich. Seungmin hatte oft Minhos Besuche mitbekommen und sich gefragt, wieso der blauhaarige Junge so verzweifelt nach Han Jisung fragte. Er wollte ihn fragen.

Er knöpfte ihn sich beim nächsten Besuch vor. Gerade bekam er eine Konversation der Dame und dem Jungen mit. „Wenn du noch einmal hier aufkreuzt, dann muss ich dir Hausverbot geben", sagte sie sichtlich sauer. „Alles okay, hier?", ging Seungmin dazwischen. „Guten Mittag, Herr Kim. Dieser Junge hier, Lee Minho, möchte zu einem Patienten auf der Intensivstation. Er ist anscheinend ein Freund von ihm". Seungmin sah den frustrierten Gesichtsausdruck von dem Jungen und entschied, sich mit ihm zu reden. „Ich übernehme das. Danke. Kommen Sie nach draußen", sagte Seungmin. „Aber ich muss zu Jisung!", meinte Minho aufgebracht. Fordernd schaute der rothaarige Mann ihn an und brachte Minho dazu ihm zu folgen. Draußen vor der Tür, verkreuzte Seungmin die Arme.

„Sind Sie ein Freund von Jisung?" Seungmin kannte den jungen Patienten sehr gut. Er hatte ein paar Schichten in der Intensivstation verbracht, als Kollegen ausgefallen waren, und für die war er kurzerhand eingesprungen. Dort lernte er Jisung kennen, ein Schüler, der so hart verprügelt worden war, dass er ins künstliche Koma gebracht wurde. Niemand von seinen Mitarbeiter wusste der Grund dafür, schoben es aber auf Mobbing, da seine Eltern nicht den Eindruck vermitteln, dass sie ihm wehtaten. Frau Han und Herr Han verbrachten ihre Abende an Jisungs Bett, lasen ihn etwas vor oder ließen einfach Musik laufen, damit er nicht so einsam war.

Minhos Erkenntnis wollte ihn ändern, ihn zu einer anderen Person erschaffen, welche versucht, Jisungs Gefühle zu akzeptiert und in sich hineinzulassen. Um das zu schaffen, musste er selber ehrlich zu sagen und seine Tat nicht vertuschen. Ihm tat es mittlerweile wirklich Leid, dass er ihn so zugerichtet hatte und wünschte sich, dass es nie passiert wäre. „Ich bin derjenige, der ihn ins Krankenhaus befördert hat", sagte Minho leise. Seungmin hob die Braue. Der Junge vor ihm sah nicht nach einem Schläger aus, sondern jemand, der sich darum sorgte, wie er wahr genommen wurde. „Sie waren das? Jisung hat sehr viele Verletzungen davon getragen". Minhos Augen wurden groß. Bis heute hatte er nie erfahren, ob Jisung noch andere Schäden davongetragen hatte, als die schwere Kopfverletzung, die seinen komatösen Zwangszustand erklärte. „Wie geht es ihm?....Darf ich zu ihm?"

„Das darf ich Ihnen nicht sagen und eigentlich darf ich Sie nicht zu ihm lassen...aber Sie scheinen es wirklich ernst zu meinen, oder?"

Minho nickte. Er wollte Jisung unbedingt besuchen. Der Wunsch brannte so sehr in seinem Herzen, dass er nachts nicht schlafen konnte. „Ich bin übrigens Seungmin und vielleicht kann ich ein Auge zudrücken." Verwunderung breitete sich auf Minhos Gesicht aus. Er hatte schon damit gerechnet wieder gehen zu müssen. „Ich danke Ihnen. Wann darf ich ihn besuchen?" Seungmin überlegte. Er kannte die Schichten der Mitarbeiter auf der Intensivstation und wusste auch, wann Jisungs Eltern nach Hause gehen mussten, weil die Besuchszeit nicht den ganzen Tag über war. „Tagsüber geht es schlecht. Da sind seine Eltern da. Nachts würde es eher gehen. Da sind auch nicht so viele Mitarbeiter da. Kommen Sie doch übermorgen hier her. Ich werde auf Sie warten!" Auf Minhos Gesicht breitete sich ein Lächeln aus. „Ich werde da sein!"

Bevor er aber zu Jisung konnte, musste er den ersten Schultag auf seiner neuen Schule bestehen und der war oft nicht gut. Vor allem werden sie ihn fragen, wieso er mitten im Schuljahr hierher wechselte. Minho konnte nicht schlafen, sein Magen war flau und er zitterte. Er zählte sogar die Stunden, bis er zur Schule musste. Mit jeder Stunde, die verging, breitete sich die Angst mehr aus. Auch am Frühstück aß er nicht wie sonst etwas, weil er einfach nichts runterbekam. Er beschloss sich einfach etwas mitzunehmen, sollte später doch der Hunger kommen. „Mach ja keinen Blödsinn", ermahnte seine Mutter ihn, bevor er ging. „Werde ich nicht", erwiderte ihr Sohn und verließ das Haus. Da seine neue Schule in einer ganz anderen Richtung lag, musste er auch einen anderen Bus nehmen. 

Heute werde ich mal ein bisschen mehr Kapitel hochladen. Ihr könnt euch bei @bakuhoesfluffyhair- bedanken :'D Ich warne aber euch vor, dass die FF nur 16 Kapitel hat :')

Like eggshells (Minsung FF)Where stories live. Discover now