Prolog

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"Das macht dann 8,90 Pfund.", Lächelte Louis und reichte der Dame ihre Backwaren. Er war müde. So müde. Aber das bemerkte nie jemand.

"Oh .. ich hab ganz viel Kleingeld... Könnten sie vielleicht..?"
"Natürlich. Ich schaue einfach durch.", Lächelte Louis weiter und wunderte sich, wie so oft, darüber, wie viel Kleingeld in so ein Portmonee passte.

"Oh danke. Sonst traue ich mich das immer nicht. Aber es wird ja sonst immer mehr."
"Das ist wirklich kein Problem. 8,60... 8,70... 8,80.. 8,85.. 8,90. So. Den Rest können sie wieder einpacken. Vielen Dank."
"Äh... Könnten Sie mir das vielleicht einwechseln? Das wäre wirklich sehr sehr lieb.", Sprach die alte Dame dann.
"Aber natürlich.", Seufzte Louis und tat lächelnd wie geheißen.

"Hey. Ich hätte gern zwei Stücke Tante Petronellas Apfelkuchen und Ferdinandes Kirschtaler. Und deine Nummer.", Sprach die nächste Kundin, die ungleich jünger war.
Louis lächelte lieb und legte zwei Stücke der gewünschten Waren auf eine entsprechende Pappe. Er lächelte das Mädchen an und schrieb mit einem Kugelschreiber auf die Pappe. Sie konnte nicht sehen, was er da schrieb.
Louis lächelte ihr zu, als sie Ware gegen Geld tauschten. Würde sie enttäuscht sein? Vielleicht.
Ich bin vergeben. Aber einen schönen Tag. Du findest bestimmt bald den Richtigen.

Das war sein Standardspruch für derartige Gelegenheiten. Meistens war den Lesern das dann so peinlich, dass sie die Bäckerei nie wieder betraten. Das tat Louis immer etwas Leid. Er wollte ja nett sein. Sie könnten ruhig wieder kommen. Er hätte da kein Problem mit. Er wäre zu ihnen genau, wie vorher auch. Unter anderem, weil er sich die Gesichter eh nicht merken konnte. In dem Moment, wo sie vor ihm waren, hatte er das Gefühl, die Gesichter nie wieder zu vergessen, aber sobald sie gingen, verschwanden sie auch aus seinem Kopf. Wie Erinnerungen, die er nicht festhalten konnte. Er würde ihnen also wirklich wieder so begegnen wie jetzt auch. Aber das konnten sie nicht wissen.
Es brauchte mehrere Begegnungen, damit Louis sie sich merken könnte.

Louis war nicht vergeben. Aber frei für so etwas war er eben auch nicht. Absolut nicht... Von seinem eigenen Willen wollte er Mal lieber gar nicht anfangen.

Louis arbeitete seine Schicht in der Bäckerei zu Ende. Er war zu jedem Kunden freundlich und erfüllte jeden Wunsch.

Würde er heute wieder mit zu Maggy können? Sie war seine Kollegin und Chefin und schon kurz vorm Ruhestand. Louis mochte sie sehr.

Er würde gern mit zu Maggy gehen... Aber er war schon seit vier Nächten nicht mehr zu Hause gewesen und er spürte bereits das Ziehen. Eine Nacht noch? Würde er das durchhalten? Er wollte nicht im Dunkeln raus müssen, weil es doch nicht klappte. Aber vier Nächte war schon sehr sehr lang.

Louis horchte in sich hinein. Sein Herz zog sich bereits schmerzhaft zusammen und seine Haut fühlte sich kribbelig an. Nein, er würde heute zurück müssen. Dafür sprach auch, wie oft er heute Sachen umgeworfen hatte. Wie sehr seine Hände zitterten und wie fahrig er wurde. Die Angst ließ sich kaum noch zurück drängen. Und die Müdigkeit. Er konnte bei Maggy sein, aber schlafen nicht wirklich. Er musste sich austoben und schlafen. Beides ging nur zu Hause. Er musste heute zurück.

"Kommst du, Louis?", Fragte Maggy, als sie den Laden verlassen wollte.
"Ähm... Heute muss ich mich Mal zu Hause sehen lassen...Tut mir leid.", Seufzte Louis.
"Schon gut, mein Junge. Denk aber dran: du kannst jederzeit zu mir kommen. Meine Tür steht dir zu jeder Tages - und Nachtzeit offen."
"Danke Maggy. Ich weiß das wirklich zu schätzen.", Lächelte Louis lieb. Zum gefühlten tausendsten Mal heute.

Maggy blieb noch bei ihm, bis er sein Fahrrad aufgeschlossen hatte. Dann verabschiedeten sie sich. Louis fuhr auf seinem leicht lädierten Drahtesel davon, während Maggy langsam ihres Weges ging.

Sie mochte den Jungen. Er war immer lieb und höflich. Alles an ihm schrie förmlich: "Beschütz mich!" Selbst die ältere Maggy hatte das sofort wahrgenommen, als der Junge bei ihr in die Bäckerei rein geschneit war. Sie hatte ihm den Job gegeben und einen Kakao.

Würde man Maggy fragen, würde sie vermuten, dass der süße Louis vermutlich kein schönes Zuhause hatte. Dass er dort irgendwie benachteiligt wurde und längst nicht die Liebe und Fürsorge erfuhr, die er eigentlich bräuchte.
Dennoch zog es Louis immer wieder dahin zurück. Vielleicht eine gefühlte Verantwortung gegenüber jüngeren Geschwistern? Louis sprach nie wirklich viel über seine Familie. Wo er überhaupt wohnte.
Maggy wusste nicht, was vor sich ging. Aber sie wusste, dass Louis zu ihr floh. Regelmäßig. Und wenn Louis zu lang weg war, kam dieser unheimliche Mann und holte ihn.
Mehrfach hatte sie versucht, dem süßen Louis zu entlocken, was vor sich ging. Hatte ihm angeboten, die Polizei zu rufen. Aber Louis wollte nicht. Immer wieder ging er zurück.

Louis fuhr auf dem Radweg, der ihn aus der Stadt bringen würde. Er mochte diesen Radweg nicht. Er führte an einem Fluss entlang. Zwischen Bäumen. Man hörte das Wasser ans Ufer schwappen und nachdem er einmal einen Horrorfilm gesehen hatte, hatte Louis immer etwas Angst, dass da irgendwas raus klettern würde. Besonders, wenn er so lange nicht zurück gegangen war.
Er fuhr schneller.

Irgendwann bog er vom geteerten Radweg ab und auf einen Schotterweg, der in den Wald führte. Ein par hundert Meter dahinter war dann die Grenze. Deutlich spürbar.
Louis hatte das Gefühl, dass er es kaum noch zurück halten konnte. Er fuhr schneller.

Schließlich erreichte er die Häuser. Sein Haus. Zu groß mit zu vielen dunklen Ecken und Schatten. Aber er wohnte eben hier. Das Einzige, was ihm geblieben war. Dier Erinnerungen und dieses Haus samt Inhalt.
Er nahm sein Fahrrad mit in den Flur, als er über die Fußmatte hinweg trat. Vielleicht würde er so länger unbemerkt bleiben?
Er sah, wie immer auf die Fußmatte, als er eintrat.
Welcome to Tomlinsons
Das s ganz hinten lachte ihn förmlich aus. Denn hier war nur noch ein Tomlinson. Ohne s. Er hatte sie angefleht zu bleiben. Hatte geweint und geschrien um nicht zurück zu bleiben. Aber sie gingen und ließen ihn zurück.

Louis sah sich die Post durch. Viel hatte er da nicht zu tun. Sie hatten bisher nicht geschrieben und waren schon einige Wochen weg. Werbung, Werbung, Werbung. Die Rechnungen kamen hier eh nicht an.

Louis hockte auf dem Sofa und atmete nochmal tief durch, als er hörte, dass sich die Haustür öffnete. Natürlich. Er versuchte es jedesmal unbemerkt. Aber es klappte nie. Er würde abschließen. Aber er hatte keine Schlüssel und selbst abgeschlossen: die Türen waren immer auf, wenn sie niemanden am Betreten des Hauses hindern konnten.

Kurz darauf trat ein Mann zu ihm ins Wohnzimmer.
"Wo warst du so lange?", Fragte der Neuankömmling unwirsch.
"Arbeiten."
"Auf Montage oder was? Es ist ganz einfach: du darfst arbeiten gehen. Von über Nacht weg bleiben war nie die Rede. Du solltest langsam anfangen, dich an die Regeln zu halten. Sonst sage ich es ihm."
"Ich...", Eine Träne löste sich aus Louis' Augenwinkel.
"Siehst du? Es war viel zu lang.", Brummte der große Mann, ging zu ihm und hob ihn hoch. Louis verkroch sich halb an seinem Hals. Atmete tief durch, als er sich endlich beruhigte.
Eine Weile standen sie so im Raum.

"Du kommst nach Feierabend hier her. Ich habe weder Lust noch Zeit dich ewig einzusammeln."
Louis sagte nichts. Endlich diese Ruhe in ihm.
"Hast du gehört?'
"Ja, Liam.", Murmelte Louis und schlief endlich ein.

Äh... Joa... Bis dann erstmal.
Viele Grüße ^⁠_⁠^

Alphas Omega - LeseprobeWhere stories live. Discover now