Zum Schreienden Esel

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Anaya war kurz davor gewesen ihre Suche aufzugeben, als sie eines kalten Winterabends, bis auf die Knochen durchnässt und am ganzen Körper zitternd, in die marode Gaststätte des kleinen, grummeligen Wirts Fingolf stolperte. Sie war auf ihrem Weg von Nachagin runter nach Hennigford von einem heftigen Unwetter überrascht worden und hatte daher im Gasthaus Zum Schreienden Esel Schutz suchen müssen. Fingolfs Tochter Janama hatte ihr einige schmutzige Tücher gebracht, mit denen Anaya, die an der Bar Platz genommen hatte, sich Gesicht und Haare, so gut wie eben möglich, trocken rubbelte, während der Sturm draußen unermüdlich weiter wütete. Er wirbelte Äste und Steine auf, die gegen die Fenster des Gasthauses schlugen und dabei so schrille Geräusche verursachten, dass Anaya mehrere Schauder über den Rücken jagten. Der Regen ergoss sich unterdessen wie aus Eimern auf das lädierte Holzdach, sodass Fingolf und Janama Kessel und Kübel aus den Vorratskellern holten, um sie im gesamten Gasthaus unter die undichten Stellen des Dachs zu stellen.

Die Schänke war in einem wirklich katastrophalen Zustand. An den wenigen Stellen ohne Wasserschäden, war die Decke vom vielen Rauch vollkommen vergilbt, die Wände zeigten Spuren vergangener Schlägereien und der alte Eichenboden knarrte bei jeder noch so kleinen Bewegung und wies jede Menge Löcher auf. Unter jeden zweiten Stuhl, Tisch und Hocker waren Untersetzer geklemmt worden, um das Kippeln zu verhindern und Mäuse hatten die Abdichtungen der Fenster fast vollständig aufgefressen, sodass es in der guten Stube fürchterlich zog und Anaya sich sicher war, dass sie morgen mit einer heftigen Erkältung in Henningford einreiten würde.

»Hier!« Janama war neben Anaya aufgetaucht und streckte ihr einen Stapel trockener Kleidung entgegen. »Das sind Sachen von mir. An einigen Stellen werden sie vielleicht etwas eng sein, aber besser als dass du morgen krank aufwachst.«

Anaya bedankte sich herzlich, bevor sie die Klamotten entgegennahm. Dann bestellte sie einen heißen Tee. Bis das Wasser kochte, würde sie sich fertig in einer der Abstellkammern umgezogen haben. Und so war es auch. Gerade kehrte sie an ihren Platz zurück, als Janama ihr eine dampfende Flüssigkeit einschenkte.

»Passt besser als ich angenommen habe!«, lachte die Wirtstochter und schob die volle Tasse näher zu Anaya, die Janama unauffällig zu mustern begann. Sie war ein wirklich mageres Mädchen, dem ein, zwei Kilo mehr auf den Rippen nicht geschadet hätten. Ihr Gesicht wirkte eingefallen und ihre langen, dürren Finger waren furchtbar dreckig und erinnerten Anaya an Krähenbeine. Den Rest ihres Körper hatte das Mädchen in einen dicken Wollmantel eingehüllt und ihr stumpfes, blondes Haar war zu einem Pferdeschwanz zusammengefasst.

»Angsteinflößend dieser Sturm, nicht wahr? So ein Unwetter habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt«, plapperte Janama heiter weiter.

Anaya nickte. »Ja, es ist wirklich ein heftiger Sturm. Wer weißt, was ich gemacht hätte, wäre ich nicht zufällig an eurem Gutshaus vorbeigekommen.«

»Sicherlich erfroren!«, malte die Wirtstochter gleich den Teufel an die Wand, während sie begann einige Maß Bier zu zapfen und Anaya vorsichtig an ihrer Tasse Tee nippte. Die heiße Flüssigkeit wärmte sie von innen heraus und sorgte dafür, dass endlich das Zittern aufhörte. Außerdem übertünchte der süße Duft des Tees, den Gestank der Schänke. Die Gerüche von Schweiß, Pferd, Rauch und vergammeltem Essen mischten sich nämlich zu einem in der Nase stechenden Mief, der Anaya schon mehrfach hatte würgen lassen.

»Kommst du von Nachagin? Ich habe durch das Fenster gesehen, wie du aus dem Norden angeritten kamst.«

Wieder nickte Anaya.

»Darf ich fragen, was du beruflich machst? Du siehst nicht aus wie ein Händler.«

»Ich bin Reisende.«

»Das ist doch kein Beruf!« Janama wirkte gekränkt, dass Anaya ihr nicht verraten wollte, womit sie sich ihr Geld verdiente.

»Die einen sagen so, die anderen so.«

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⏰ Última actualización: Sep 14, 2022 ⏰

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