Depressions-Tagebuch 2

#04

Stille. Ich stehe auf, trinke kaltes Wasser und stelle mich unter die Dusche. Ziehe mich an. Starre aus dem Fenster. Kalte Luft. Krähen.

Ich setz mich an meinen Schreibtisch, hab Netflix auf meinem Desktop laufen und zünde mir ne Zigarette an. Ziehe. Atme. Und dann denke ich wieder.

Eine Erkenntnis überkommt mich, da ich Leere verspüre und diese zu studieren versuche. Mir fällt auf, ich habe nichts.

Ich habe rein gar nichts.

Ich habe nicht meinen Tisch, habe nicht mein Geld und meine Zigaretten, habe nicht meine Bücher und auch nicht meine Kleidung.

Nicht einmal meinen Bruder habe ich. Ich habe nur mich. Meine Existenz.

Ich fühle mich einsam. Tausend Menschen könnten mich umrunden, freundliche und schäbige Gesichter und es würde sich nicht ändern. In mich gekehrt lass ich alles an mir vorbeiziehen und spüre Nebel in mir.

Es ist einer dieser Momente, in denen ich vergesse, dankbar zu sein. Ich erkenne, all diese Sachen sind nicht mein; ich wähle sie. Ich höre nur meinen eigenen Atem.

Ich spüre Verlust, denke an dieselben Gesichter, die ich kannte und nun nicht mehr kenne, nie mehr sehen werde, denke an Zeiten, in denen ich nicht-handelnd etwas hätte tun können. Jene Zeiten für die es nun zu spät ist.

Die Wände sind Wände, Boden ist Boden und Himmel ist genauso erstrebenswert wie Hölle. Begierde ist bedeutungslos und Tag ist Nacht.

Alles, was je witzig gewesen war ist es nun nicht mehr. Nichts ist mehr traurig, nichts ist mehr verwunderlich, ermüdigend, ergreifend oder wertvoll. Würde die Sonne in diesem Augenblick scheinen, bekäme die Leere nur einen goldenen Schleier. Denn Licht bedeutet nun nichts mehr, Wärme, Strahlen und Farben. Nichts.

Die Schöpfung gibt es nicht mehr, die Erde ist keine winzige Kugel mehr, das Universum ist nicht riesig. Alles ist geschluckt worden, Leere beginnt meine Organe zu befallen. Keine Düfte, keine Töne. 

Ich klapp meinen Laptop zu. Drücke meine Zigarette aus. Schließe die Vorhänge. Zünde die Kerze an.

Und dann leg ich mich hin und denke nicht mehr.